"Nach der Wahl": Diesen bedeutenden Schritt geht OB-Kandidat Krause bald privat
So nett und zuvorkommend Christina Hertel und Adrian Prechtel im richtigen Leben auch sein mögen und so sympathisch sie ihren Gesprächspartner an diesem Abend auch finden: Es hindert die beiden AZ-Redakteure nicht daran, den Mann in ihrer Mitte auch mal ordentlich in die Mangel zu nehmen, auf journalistische Art und Weise, versteht sich. Sollte Dominik Krause gedacht haben 'Och, könnte eigentlich ein gemütlicher Sofa-Abend werden', dann wäre er komplett falsch gewickelt gewesen. Hat er natürlich nicht gedacht, erfahrener Politik-Fuchs, der er mit seinen gerade mal 35 Jahren schon längst ist. Vor knapp einem Jahr haben ihn seine Grünen-Parteikollegen als OB-Kandidaten nominiert, mit satten 99,3 Prozent. Dass so einer rund vier Monate vor der Kommunalwahl beim Roten Sofa der AZ im Barocksaal des Deutschen Theaters nicht mit ein bissl Smalltalk durchkommt, ist ja klar. Eine Überraschung hat er allerdings auch noch mitgebracht. Dazu gleich mehr.
"Zu meiner Zeit am Gymnasium in Untermenzing war schwul ein Schimpfwort"
Zunächst legt Rathaus-Reporterin Hertel frech los und fragt den amtierenden Bürgermeister gleich mal, wie ernst er denn als junger Schwuler überhaupt genommen werde im Haifischbecken Politik. Diese Frage kennt Krause selbstredend schon, sagt das sollte heutzutage eigentlich "kein großes Thema mehr sein". Schließlich sei er ja nicht der einzige Jungspund, der es in jungen Jahren ziemlich weit nach oben geschafft habe, sagt Krause und verweist auf Hans-Jochen Vogel (war mit 34 schon Oberbürgermeister) und Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz, und auch New York werde demnächst ja von einem sehr jungen Mann regiert werden. Zum Thema Homosexualität sagt er: "Zu meiner Zeit am G
ymnasium in Untermenzing war schwul ein Schimpfwort." Deshalb habe er sich damals nicht geoutet. Heute gebe es an der selben Schule "eine Toilette für alle Geschlechter".
Krause hat eine "60- bis 80-Stunden-Woche"
Auch den Satz "Soll doch erst mal was Gescheites arbeiten, der Bursche" hat Krause schon oft gehört, was der studierte Physiker mit dem Hinweis auf seine "60- bis 80-Stunden-Woche" kontert. Ob er denn einen Plan B habe, falls sich das mit dem Bürgermeister-Job nach der Wahl nicht mehr ausgehe, will Kulturredakteur Prechtel wissen. Krauses Replik: "Ich bleibe der Politik verhaftet, egal, wie die Wahl ausgeht." Sein Bekanntheitswert in der Stadt liegt derzeit wie der von Bürgermeisterkollegin Verena Dietl bei 40 Prozent – nicht halb so viel wie OB Dieter Reiter.

Die Grünen stellen im Stadtrat zwar die stärkste, aber: "Wie grün ist München denn geworden?", will Prechtel wissen. Krause zählt auf: Radwege, Schanigärten, Begrünung der Steinwüste Max-Joseph-Platz, Baumpflanz-Programm und Ausbau des ÖPNV. Letzteres sei angesichts der rasant wachsenden Stadt "ein Kern-Thema", so Krause, man brauche da noch mehr Unterstützung von Land und Bund, die von den Grünen unterstützte Olympia-Bewerbung könne hier wie ein Katalysator wirken. Spar-Potenzial hat er bei den Fahrkarten-Automaten entdeckt, mit deren Abschaffung er sich einen "Effizienzgewinn" verspricht. Das gesparte Geld könne direkt an die Münchner zurückgegeben werden, indem man ähnlich wie in London stattdessen ein Chipkarten-System nutzt und die weniger technikaffinen Senioren gleich kostenlos den ÖPNV nutzen lässt. Hertel hakt nach: Ab welchem Alter das gelten solle? Krause schlägt 80 plus vor, weiß aber: "Da wird sicher noch viel diskutiert werden."
Vor zwei Wochen wurde sein Rad geklaut
Viel diskutiert wird zuletzt auch über das Thema Sicherheit. Krause verweist auf die dank Alkoholverbot und punktueller Videoüberwachung erzielten Verbesserungen im Alten Botanischen Garten, glaubt aber auch, dass im Bahnhofsviertel in dieser Hinsicht noch einiges getan werden muss. Dennoch sei München "die mit Abstand sicherste Großstadt Europas", und von No-go-Areas könne man in der Stadt beim besten Willen nicht reden, findet Krause: "Wenn abends ein paar Jungs mit einem Bier zusammen stehen und ein bisschen zu laut sind, ärgert das zwar verständlicherweise die Nachbarn, aber eine No-go-Area ist das deswegen nicht." Angst habe er in seiner Stadt jedenfalls nirgends, auch wenn ihm vor zwei Wochen das Dienst-Fahrrad geklaut worden sei.
Die Hochzeitsglocken läuten
So geht es eine Stunde lang durch die großen Themen der Stadt: Wohnungsbau ("Wir müssen den Anteil städtischer Wohnungen erhöhen, um den Mietspiegel zu senken"), Leerstand ("Acht Prozent leerstehende Büroflächen könnten in 30.000 Wohnungen umgewandelt werden"), Sanierungsfall Gasteig ("Wir sind voll im Zeitplan"), Konzertsaal ("Braucht es wirklich zwei große Konzertsäle?") und Großmarkt-Sanierung ("Wir wollen dort Wohnungsbau"). Krause weicht nicht aus, widerspricht seinen beiden Fragern auch mal entschieden und gibt auch nicht alles von sich preis. Als Hertel auf seine Verlobung zu sprechen kommt und nach dem Hochzeitstermin fragt, retourniert er souverän: "Nach der Wahl dann."
