"Zero Waste Konzept": Münchens Kampf gegen den Müll

Bis 2035 will die Stadt keine Ressourcen mehr verschwenden. Das Kommunalreferat hat sich 100 Ideen überlegt - vom verpackungsfreien Markt bis hin zur Reparatur-Prämie. Das "Zero Waste Konzept" kostet 1,8 Millionen Euro.
von  Christina Hertel
Bis 2035 will München eine "Zero Waste City" sein. Das heißt aber nicht, dass dann keine Müllautos mehr fahren.
Bis 2035 will München eine "Zero Waste City" sein. Das heißt aber nicht, dass dann keine Müllautos mehr fahren. © Frank Leonhardt/dpa

München - Würden auf der Luftlinie zwischen München und Innsbruck Schienen liegen, würden auf diese 98 Kilometer lange Strecke hintereinander etwa 6.800 Güterwaggons passen. Stellen Sie sich vor, diese Waggons wären bis zum Anschlag mit Müll gefüllt. Dann haben sie vor Augen, welche Mengen an Abfall die Stadt bis 2035 einsparen möchte.

Stadtrat beschließt "Zero Waste Konzept" 

So sieht es das "Zero Waste Konzept" vor, das das Kommunalreferat in den vergangen zwei Jahren ausgearbeitet hat und das der Stadtrat am Donnerstag voraussichtlich beschließen wird.

Verschwendung gilt es zu vermeiden

Der Name "Zero Waste" ist allerdings trügerisch. Denn Abfall wird es auch 2035 in München noch geben. Es gehe vielmehr darum, Verschwendung zu vermeiden, erklärte Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU), als sie gemeinsam mit Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) das Konzept vorstellte.

CSU-Frank: Kein Einweg-Geschirr, mehr Reparatur, kein Obst unter Plastikfolie

Frank will die Münchner dazu bewegen, wieder mehr Geschirr zu verwenden, das man abspülen muss, statt es nach dem Essen in den Müll zu hauen. Mehr zu reparieren, statt neu kaufen. Mehr zu recyceln. Und dort einzukaufen, wo das Obst und Gemüse nicht in Plastikfolie eingeschweißt ist.

Momentan fallen in München 720.000 Tonnen sogenannte Siedlungsabfälle an. Das ist der gesamte Müll aus privaten Haushalten, aber hausmüllähnliche Abfälle aus Gewerbe und Industrie, aus Schulen und Kindertageseinrichtungen.

Umgerechnet produziert jeder Münchner etwa 366 Kilo Müll im Jahr. Bis 2035 sollen es nur noch 310 Kilo sein. Das heißt, in den nächsten 13 Jahren soll es jeder Münchner schaffen, 56 Kilo weniger pro Jahr wegzuschmeißen als heute. Vor allem die Restmülltonnen sollen bis dahin viel weniger voll sein. Diese Mengen sollen um mehr als ein Drittel pro Kopf und Jahr sinken, lautet das Ziel des Kommunalreferats. Erreichen will Kristina Frank dies vor allem, indem die Münchner ihren Müll besser trennen.

Insgesamt umfasst ihr Konzept 100 Maßnahmen, wie München beim Abfall sparen kann. 40 davon will die Stadt ab nächstem Jahr umsetzen.

Zum Beispiel soll es als Pilot-Projekt einen Wochenmarkt geben, wo die Münchner ohne Verpackungen einkaufen können. Das Gebrauchtwarenhaus der Abfallwirtschaftsbetriebe "Halle 2" soll es dann nicht nur in Pasing geben, sondern in mehreren Quartieren.

Straßen mit wenig Müll mit "Belohnung"

Gleichzeitig will Frank die Münchner dazu motivieren, Müll zu sparen. Dazu will sie Straßen, die besonders wenig wegschmeißen als "Zero-Waste-Straßen" ausweisen.

Auch einen Zero-Waste-Preis will die Kommunalreferentin ausloben. Er soll mit 2.500 Euro dotiert sein und für Ideen vergeben werden, die zur Abfallvermeidung beitragen. Zudem sollen Münchner, die ihre kaputten Geräte reparieren, statt sie wegzuschmeißen, eine Prämie kriegen.

Auf Events der Stadt und auf solchen, die auf ihren Flächen stattfinden, soll kein Einweggeschirr verwendet werden - so wie auf der Wiesn, wo schon in den 90er Jahren die Plastikteller abgeschafft wurden.

Neues Müllkonzept kostet 1,8 Millionen Euro

Auch auf mehr Information setzt Frank - an Schulen, in Kindertageseinrichtungen, aber auch in großen Wohnanlagen soll über Abfallvermeidung und Mülltrennung besser informiert werden.

Außerdem soll es ab 2023 eine neue "Zero-Waste-Fachstelle" geben. Das Team soll aus fünf bis sieben Mitarbeitern aus verschiedenen Referaten bestehen, die sich darum kümmern, dass die Maßnahmen umgesetzt werden. 1,8 Millionen Euro sind notwendig, um das Müllkonzept umzusetzen. Oberbürgermeister Dieter Reiter hält dieses Geld für gut angelegt, sagt er.

Schließlich habe auch er beobachtet, wie sich während Corona die Pizzaschachteln in seiner Wohnanlage stapelten. Auch, dass in seinem Rathaus noch immer "Millionen an E-Mails" und "stapelweise Sitzungsunterlagen" ausgedruckt werden, stört den Oberbürgermeister. "Wir dürfen nicht nur blöd den Zeigefinger heben, wir müssen uns auch selber an der Nase packen", so Reiter. Und so soll auch in der Verwaltung bis 2035 die Hälfte des Mülls eingespart werden.

Grüne-Post: Was ist mit: Elektroschrott?

Julia Post, die sich bei den Grünen um das Thema Abfallvermeidung kümmert, vermisst in dem 200 Seiten langen Konzept trotzdem einen Punkt: Elektroschrott.

Sie würde sich wünschen, dass die Stadt beim Kauf neuer Computer und Smartphones auf mehr Nachhaltigkeit achtet. Außerdem würde sie sich mehr Sammelstellen für Elektro-Müll wünschen, zum Beispiel in den Stadtbibliotheken.

Julia Post weiß, dass jeder Münchner im Schnitt fünf Kilo Elektroschrott entsorgt. Der bundesdeutsche Schnitt ist allerdings doppelt so hoch. Zu erklären sei dies nur damit, dass zu viele Münchner die Batterie oder das alte Handy in den Restmüll werfen. Anträge will ihre Fraktion dazu bald stellen.

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