Wund, ausgetrocknet, falsch behandelt
München – Alte, die tagelang wund liegen, innerlich austrocknen, unter falschen Medikamenten sterben: Bei den Missständen in den Münchner Pflegeheimen ist keine Besserung in Sicht.
Noch immer stellt die Heimaufsicht bei jeder zweiten Kontrolle Mängel fest. Das belegt der aktuelle „Qualitätsbericht der Münchner Heimaufsicht 2013/14“, der nächste Woche im Stadtrat vorgelegt wird.
Allein in den 60 Münchner Altenhilfeeinrichtungen (mit 8400 Bewohnern) haben die Prüfer 2013 und 2014 205 Kontrollen durchgeführt. Dabei nahmen sie jeweils die Betreuungssituation von acht Bewohnern unter die Lupe. Manche Häuser wurden nur einmal pro Jahr überprüft, andere auch mehrfach, wie das umstrittene Münchenstift-Altenheim St.-Josef am Luise-Kiesselbach-Platz. Dort waren letztes Jahr Missstände sogar gefilmt und im Fernsehen ausgestrahlt worden.
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Die Ergebnisse sind erschreckend: "Bei rund 50 Prozent der Prüfungen wurden Verstöße gegen die gesetzlichen Qualitätsanforderungen (Mängel) festgestellt", heißt es in dem Bericht. Damit ist die Lage im Vergleich zu den Jahren 2011 und 2012 nicht besser geworden, damals lag die Mangel-Quote bei 52 Prozent.
Was prangern die Prüfer konkret an?
In vielen beanstandeten Fällen mangelt es bei der Körperpflege und Hygiene. In diversen Fällen bekamen die Pflegebedürftigen nicht die Medikamente verabreicht, die der Arzt vereordnet hatte. Vor allem prangern die Prüfer die mangelnde "Mobilisierung" an: Viele Bettlägrige werden - weil Pflegepersonal fehlt - zu wenig bewegt und erkranken in der Folge am schmerzhaften Dekubitus. In vier Fällen, die die Prüfer 2014 untersucht haben, waren die Mängel sogar so schwer, dass für das betroffene Pflegeheim ein Aufnahmestopp beschlossen wurde.
Der Münchner Pflegeexperte Claus Fussek reagiert auf AZ-Anfrage bestürzt auf den neuen Prüfbericht. "Es ist allerhöchste Zeit, dass das Thema Pflegenotstand in der Stadt, im Land und im Bund zur Chefsache gemacht wird." Anstatt auf Kontrollen zu warten, sollten Angehörige und Pfleger sich besser selbst an die Heimaufsicht wenden und die Betreuungsnot und Missstände schildern.
Fussek fordert nun die Angehörigen der Heimbewohner auf, selbst regelmäßig bei der Versorgung in der Einrichtung zu helfen. „Gerade bei der aktuellen Hitzewelle müssen pflegebedürftige Menschen viel trinken, das braucht viel Zeit und Zuwendung. Wenn zwei bis vier Pfleger sich um 30 Menschen kümmern müssen, können sie das allein einfach nicht leisten.“
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