Wiesn-Messerstiche: Fünf Jahre Haft gefordert!
München - Am Ende ihrer langen Rede wurde Verteidigerin Annette Voges noch einmal emotional: „Lassen Sie diese Mutter zu Ihren Kindern!“, appellierte die Rechtsanwältin an das Gericht. Vorzugsweise natürlich per Freispruch für die wegen versuchten Mordes angeklagte Simone V. (34, Name geändert). Ihre Mandantin habe aus Notwehr und im Streit ihren Kontrahenten auf der Wiesn vor dem Käferzelt mit einem Messer schwer verletzt.
Tatsächlich war Simone V. während des gesamten Prozesstages anzumerken, dass sie die Untersuchungshaft und die Aussicht auf Verlängerung ihres Aufenthalts im Gefängnis sehr mitnahm. Immer wieder schluchzte sie während der Plädoyers von Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung kurz auf und wischte sich mit einem Papiertaschentuch die Tränen aus den Augen.
Staatsanwältin fordert fünf Jahre Haft
Staatsanwältin Melanie Lichte forderte in ihrem Plädoyer fünf Jahre Haft. Lichte war durch den Prozessverlauf zu dem Schluss gekommen, dass keine Heimtücke bei dem Messerangriff vorlag. Das Mordmerkmal fehlte, also plädierte die Anklägerin nur noch auf versuchten Totschlag.
Notwehr wollte sie gleichwohl nicht gelten lassen. Das Opfer, ein Lkw-Fahrer, hatte durch rassistische Bemerkungen den Streit mitprovoziert. „Das war schon wirklich grob daneben“, sagte die Staatsanwältin. Aber er war unbewaffnet und hatte das Messer auch nicht kommen sehen. Außerdem erfolgte der Stich der Frau in den Rücken. Um einen Angriff des Mannes abzuwehren, sei aber nach Überzeugung von Lichte ein Stich nach vorne gegen die Brust wahrscheinlicher.
Zwei Liter Blut verloren
Der Mann verlor jedenfalls durch den acht Zentimeter tiefen Stich zwei Liter Blut und musste notoperiert werden. Ihm wurde die Milz entfernt. Im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs soll er 80 000 Euro erhalten haben.
Voges forderte bereits zu Beginn ihres Plädoyers einen Freispruch. Minutiös beschrieb sie dann angebliche Widersprüche in den Aussagen der Belastungszeugen. Es sei Notwehr gewesen: „In hilfloser Lage sah sie sich einem aggressiven Wüterich gegenüber.“
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Nicht gut wegkam der Fußballstar Patrick Owomoyela. Ihm warf Verteidiger Gerhard Strate vor, dass er seiner Mandantin nicht geholfen, sie auch nicht hinterher auf die Vorkommnisse angesprochen habe. Und das obwohl sie sich so sehr für den früheren Fußball-Nationalspieler eingesetzt hatte.
Simone V. habe geholfen, alle anderen weggesehen
Strate sprach von dem „herzhaften Eingreifen“ der Simone V. gegen die rassistischen Verbalangriffe – während alle anderen weggeschaut hätten. „Hasenfüße waren sie alle“, findet Strate. Auch der Verlobte von Simone V. habe ihr in dieser Situation nicht geholfen.
Zur Sprache kamen auch die Versuche des Hamburger Millionärs, das Prozessgeschehen durch den Kauf von falschen Zeugenaussagen zu beeinflussen (AZ berichtete). Ein Versuch, der bekanntlich scheiterte und für jede Menge Wirbel rund um den Prozess sorgte. Gegen den Mann läuft inzwischen ein Ermittlungsverfahren.
Die Staatsanwältin dazu: „Dies alles kann man wirklich als starkes Stück bezeichnen.“ Und die Nebenklage-Anwältin Nicole Lehmbruck – sie vertritt das Opfer – setzte in ihrem Plädoyer noch einen drauf: „Was bleibt, ist eine beruhigende Erkenntnis: dass man mit Geld nicht alles und auch nicht jeden kaufen kann– auch nicht mit sehr viel davon.“
Das Urteil wird am 10. August gefällt.
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