Wiesn-Attentat: Jetzt wird gegen den Chef der Soko ermittelt - Opfer-Anwalt entsetzt
München - Sein Aufgabengebiet beim Landeskriminalamt (LKA) ist die Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Vor zwei Jahren, als die Ermittlungen zum Oktoberfest-Attentat (13 Tote, 211 Verletzte) unter der Federführung der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe wieder neu aufgenommen wurden, wurde dem LKA-Beamten die Leitung der Soko übertragen. Ist er der geeignete Mann für diese schwierige Aufgabe? Oder nicht?
Der Münchner Rechtsanwalt Werner Dietrich, der mehr als ein Dutzend Angehörige von Opfern vertritt und auch die Wiederaufnahme der Ermittlungen durchsetzte, hat in einem Schreiben an Generalbundesanwalt Peter Frank "die sofortige Entbindung" des Soko-Chefermittlers von seinen Aufgaben beantragt.
In dem Schreiben, das Dietrich gleichlautend auch an den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verschickt hat, heißt es ferner: „Außerdem beantrage ich, die Ermittlungen an ein anderes Landeskriminalamt/Bundeskriminalamt abzugeben.“
Staatsanwaltschaft bestätigt Ermittlungen gegen sechs Beamte
Hintergrund der Forderung ist die sogenannte V-Mann-Affäre, die das Landeskriminalamt Bayern ins Zwielicht gebracht hat. Gegen sechs Beamte, die illegale Methoden eines V-Manns im Rockermilieu ("Bandidos") gesteuert und auch gedeckt haben sollen, wird von der Staatsanwaltschaft Nürnberg wegen Strafvereitelung im Amt, Urkundenfälschung, Falschaussagen vor Gericht und Diebstahl ermittelt. Einer der Beschuldigten ist der Leiter der Soko Oktoberfest-Attentat.
Rechtsanwalt Werner Dietrich, der schon die früheren Ermittlungen des Landeskriminalamts unmittelbar nach dem Bombenanschlag im September 1980 als "unzureichend und einseitig" kritisiert, hält personelle Konsequenzen trotz der momentan geltenden Unschuldsvermutung für unabdingbar.
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"Das Ermittlungsverfahren", schreibt Dietrich, "wird wegen schwerwiegender konkreter Verdachtsmomente geführt und betrifft Tatvorwürfe/Bereiche, die auch im Rahmen der Wiederaufnahme eine Rolle spielen oder spielen können. Der Vorwurfe der Strafvereitelung, der Urkundenfälschung und der Falschaussage ist jeweils für sich alleine genommen schwerwiegend, in der Summe jedoch gravierend."
Aus der Sicht eines Verfahrensbeteiligten/Geschädigten lasse dies, so Dietrich weiter, "den Verdacht aufkommen, dass auch in seinem Verfahren nicht ordnungsgemäß und entsprechend rechtsstaatlichen Regeln ermittelt wird".
Warum ermittelt die selbe Behörde wie damals?
Dietrich weist ferner darauf hin, dass es sich bei dem Soko-Leiter nicht um irgendeinen von nahezu zwei Dutzend Ermittlern handle, sondern um den Beamten, der für die konkreten Ermittlungsschritte verantwortlich sei. Der Anwalt wörtlich: "Schon der Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit, geschweige denn der konkrete Verdacht auf Aktenmanipulation, Falschaussage, Falschbeurkundung etc. in einem so sensiblen Fall gegenüber den/dem ermittelnden Beamten ist schädlich und lässt das Vertrauen in die Seriosität der Ermittlungen schwinden."
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Die Staatsanwaltschaft Nürnberg bestätigt zwar die Ermittlungen gegen die sechs LKA-Beamten, sollte sich aber zu konkreten Vorwürfen nicht äußern. Die Sprecherin der Behörde erklärte aber, dass sich die seit drei Jahren laufenden Ermittlungen in der Endphase befinden. Nach Informationen der AZ soll der beschuldigte Beamte, der jetzt Leiter der Soko ist, an der möglichen Vertuschung strafbarer Handlungen durch LKA-Beamte in der "V-Mann-Affäre" beteiligt gewesen sein.
Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft zeigte sich in einer ersten Reaktion auf das Schreiben Dietrichs reserviert. "Wir haben keinerlei Anhaltspunkte, dass Ermittlungen nicht sachgerecht geführt werden", erklärte sie.