Wiesn-Apotheker verrät: Das kaufen Oktoberfest-Besucher am häufigsten

Adrian Gröhner (39) übernahm die Park-Apotheke vor vier Jahren. Die AZ hat mit ihm über die Existenz der Wiesn-Grippe gesprochen und über die Frage, wie man sich nach der Wiesn gegen Erkältungen wappnet.
Hüseyin Ince |
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Der Pharmazeut Adrian Gröhner vor seiner Apotheke an der Ecke Ganghoferstraße und Heimeranstraße.
Der Pharmazeut Adrian Gröhner vor seiner Apotheke an der Ecke Ganghoferstraße und Heimeranstraße. © Ben Sagmeister

AZ-Interview mit Adrian Gröhner (39) - Seit vier Jahren Betreiber der Park-Apotheke, die sehr nah an der Wiesn ist.

AZ: Herr Gröhner, die Wiesn ist fast vorbei. Kaum eine Apotheke ist näher am Oktoberfest.

ADRIAN GRÖHNER: Sie können mich ruhig als Wiesn-Apotheker bezeichnen.

Die Wiesn-Zeit in einem Satz zusammengefasst lautet Ihrer
Erfahrung nach?
Sie ist für uns jedes Jahr ein bisschen Ausnahmezustand, mit viel Arbeit, teils kuriosen Begegnungen und einer großen Portion Lebensfreude.

Wenn Sie auf 14 Tage zurückblicken, was fällt Ihnen auf?
Es ist jedes Jahr ähnlich. Zur Wiesn schlägt das Wetter von Sommer auf Herbst um. Die Leute sind noch gewohnt, sommerlich gekleidet zu sein.

Heuer ging es sehr sonnig los und wurde schnell schlechter.
So warm habe ich den Wiesn-Start noch nie erlebt. Es war ja zum Teil wärmer als mitten im Sommer. In den Zelten wurde es tropisch heiß. Das wichtigste Accessoire war der Fächer.

Waren Sie gleich zu Beginn dort?
Ja am Samstagabend.

Welches Zelt?
Ich gehe gerne ins Hofbräu oder in die Bräurosl.

Gab es mehr Kreislaufprobleme als sonst?
In der Apotheke war das kaum zu spüren. Am heißen Wochenende hatten wir nur bis Samstagmittag geöffnet.

Was wurde unter der Woche am meisten gekauft?
Anfangs wollten die Kunden etwas gegen den Wiesn-Kater. Elektrolyte, Schmerzmittel, Mittel gegen Sodbrennen. Gerade bei Magensäureproblemen greifen viele zu Kautabletten oder Gelen - das kann helfen, wenn der Magen nach Bier und deftigem Essen rebelliert. Aber: Gegen Kopfschmerzen oder Übelkeit helfen eher Schmerzmittel und Flüssigkeit.

Sind das oft Menschen, die eh schon damit Probleme haben?
Ja. Die Mittel können helfen, die Nachwehen in Zaum zu halten.

Also verstehe ich das richtig: Mittel zur Regulierung der Magensäure können den Kater am nächsten Tag eindämmen?
Ja. Gerade bei Übelkeit.

Elektrolyte waren doch mal ein Hype?
Vor drei Jahren gab es einen Social-Media-Boom um "Elotrans“. Es war sofort ausverkauft, ebenso die Konkurrenzprodukte. Heute gibt’s wieder mehr Auswahl - Pulver zum Auflösen, die den Mineralhaushalt ausgleichen.

Ich hätte gedacht, Sie nennen Schmerzmittel als allererstes. Kater bedeutet ja auch Kopfschmerzen.
Die sind immer gefragt.

Kommen wir zu einer großen Legende. Die Wiesn-Grippe. Viren und Bakterien aus aller Welt verbünden sich auf dem Oktoberfest und raffen die Besucher nieder.
Die Zahlen des Robert-Koch-Instituts belegen eindeutig: Die Wiesn-Grippe ist keine echte Grippe.

Wie meinen Sie das?
Grippe ist eine Infektion mit Influenza-Viren. Sie verlaufen teils schwerwiegend. Influenza-Infektionen spielen zu dieser Zeit aber noch kaum eine Rolle. Es sind vor allem Rhinoviren, also klassische Erkältungen. Und natürlich Corona. Die Fallzahlen steigen regelmäßig um die Wiesn herum. So ein Fest mit Millionen Menschen ist ein perfekter Nährboden für Viren. Viele kommen nah zusammen, sie trinken, singen und tanzen miteinander.

Die Luft ist feucht...
... man trinkt aus Maßkrügen, die im Lauf des Abends oft verwechselt werden. Es wird geküsst. Für die Verbreitung von Viren sind das Horrorfaktoren! Dazu kommen die Temperaturschwankungen.

Da sollte man vor dem Wiesn-Besuch kerngesund sein.
Oh ja. Es gibt Mittel, die das Immunsystem unterstützen, aber keine Wundermittel.

Interessant, Corona ist also immer noch ein Thema in der
Apotheke?
Ja, immer wieder - aktuell sind neue Varianten im Umlauf. Die Hersteller haben bereits angepasste Impfstoffe herausgebracht. Wir bieten hier in der Apotheke übrigens Impfungen gegen Influenza und Corona an, nach Terminvereinbarung.

Also zusammengefasst: Die Wiesn-Grippe gibt es?
Ja, es gibt dieses Phänomen, wenn auch nicht als eigentliche Grippe. Es ist der Start in die jährliche Erkältungssaison. Und das Oktoberfest tut sein Übriges.

Sie haben es erwähnt, die Leute kommen sich näher, begleiten sich teils nach Hause. Ist so etwas wie die Pille danach ein gefragtes Produkt?
Die "Pille danach“ ist in der Wiesn-Zeit tatsächlich etwas stärker nachgefragt als sonst – logisch, bei so vielen Menschen, die ausgelassen feiern. Das gehört einfach zur Realität eines großen Volksfests.

Was wird sonst noch unterschätzt?
Herpes. Wenn viele Menschen eng zusammen feiern, steigt die Zahl der Ausbrüche deutlich. Dass die Maßkrüge meist nur kalt gespült werden, könnte ebenfalls eine Rolle spielen. Wer beim ersten Kribbeln eine Herpes-Creme aufträgt, kann den Verlauf deutlich abmildern.

Haben Sie Wiesn-Anekdoten aus den letzten drei Jahren?
Was wir während der Wiesn häufiger erleben: Menschen kommen früh am Morgen vorbei, noch bevor sie ins Büro oder wieder aufs Fest gehen, und fragen nach etwas gegen Kopfschmerzen oder ihre heisere Stimme. Man merkt dann, dass sie am Vorabend gefeiert haben und jetzt schnell wieder fit werden wollen. Für uns ist das nichts Besonderes. Aber es zeigt, wie eng die Wiesn und der Alltag in der Apotheke zusammenrücken.

Und sonst?
Manchmal hinterlässt die Wiesn auch Spuren direkt vor der Tür: Nach einer feuchtfröhlichen Nacht muss der ein oder andere seine Notdurft auf dem Heimweg loswerden. Leider auch an unserer Hauswand. Zum Glück sind das Ausnahmen, aber sie gehören genauso zur Realität wie die gute Laune. Und mit einer Gießkanne Wasser ist das Problem auch schnell wieder gelöst.

Wie kann man sich auf dem Schlussspurt zur Wiesn und im Übergang zum Herbst strategisch sinnvoll gesund halten?

Also die Jacke stört ja immer auf der Wiesn. Aber ich kann sie nur empfehlen. Draußen ist es schnell kalt, drinnen warm. Die Wiesn ist berüchtigt für plötzliche Wetterwechsel. Im Zweifel packt man sie in einen Beutel und knotet sie unter den Tisch, dann ist sie nicht im Weg. Viele unterschätzen, wie sehr solche Temperaturschwankungen den Körper belasten.

Was kann man einnehmen, um sich zu stärken?
Unterstützend können Zink, Vitamin C oder Selen sinnvoll sein, vor allem wenn man sie regelmäßig über ein paar Tage nimmt. Aber man darf keine Wunder erwarten - die Basis bleibt immer: maßvoller Alkoholkonsum und genügend Schlaf.

Vom Timing her?
Am besten einige Tage regelmäßig einnehmen. Alkohol in Maßen trinken und auf den eigenen Maßkrug aufpassen. Und vielleicht nicht mit jedem und jeder busseln (lacht).

Und wenn es einen erwischt?
Dann lohnt sich der Weg in die Apotheke: Dort bekommt man eine kompetente Beratung und passende Arzneimittel gegen die jeweiligen Beschwerden - sei es gegen Husten, Halsschmerzen oder eine verstopfte Nase. Damit kann man den Verlauf oft etwas abmildern und sich schneller wieder fit fühlen.

Ist die Corona-Maske eine Option?
Mit einer Maske schützt man sich und andere. Vor allem in vollen Verkehrsmitteln. Eine sollte man immer noch in der Tasche oder besser gleich auf der Nase haben.

Und wenn wir mal nur auf den Herbst blicken? Das Wetter ist ja schon sehr kalt und feucht. Welche Empfehlungen hätten Sie da?
Die Wiesn-Grippe ist der Auftakt zur Erkältungssaison. Ab da ist die Erkältungszeit immer da. Ab dem Oktoberfest wechseln wir in den Apotheken von den Allergieprodukten zu den Erkältungsprodukten. Und nur im Hinblick auf den Herbst gilt: Immer dem Wetter angepasste Kleidung tragen. Alle kennen den Spruch: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur die falsche Kleidung. Viren sind nun mal da, wir müssen mit ihnen leben.

Wie kann man sich in der Zeit nach der Wiesn noch gesund halten?
Gesunde Ernährung ist immer wichtig. Viel Bewegung und ausreichend trinken sowieso. Ein Spaziergang an der frischen Luft kann Wunder wirken. Und ich wiederhole mich: Wenn’s ist, Maske tragen.

Was heißt eigentlich ausreichend trinken?
Am besten gleichmäßig über den Tag verteilt. Wer den ganzen Tag kaum etwas trinkt und abends zwei Liter auf einmal nachholt, hat nichts gewonnen, außer nächtlichen Toilettengängen. Besser ist: regelmäßig kleine Mengen, so bleibt der Körper konstant versorgt.

Hilft es, auch die Uhr zu stellen, wenn man das Trinken
versäumt?
Warum nicht? Jede Stunde ein halbes Glas Wasser zum Beispiel. Beim Arbeiten am Computer kann das helfen. Ich persönlich finde es gut, eine durchsichtige Wasserflasche zu haben, an der man sieht, wie viel ich schon über den Tag getrunken habe.

Was ist eigentlich mit Ingwer, er genießt hohes Ansehen.
Ingwer ist beliebt. Tatsächlich gibt es Hinweise, dass er entzündungshemmend wirkt und bei Übelkeit hilfreich sein kann. Ob er Erkältungen wirklich verhindert, ist wissenschaftlich aber nicht eindeutig belegt. Als wohltuender Tee oder Ergänzung spricht nichts dagegen.

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