Werbemelder.in: Hier kann man sexistische Werbung melden
Tiefe Dekolletés oder nackte Hintern, die als Beiwerk für Betonbau oder Notenständer werben, ärgern immer mehr Münchner. Jetzt können Sie solche Werbung fotografieren und mit der App "Werbemelder.in" prüfen lassen, ob's sexistisch, stereotyp oder einfach nur ärgerlich ist.
Die Seite ist Teil eines Monitoring-Projekts, das die Organisation "Pinkstinks" mit Förderung des Bundesfamilienministeriums durchführt. Es läuft zwei Jahre und soll Aufschluss darüber geben, ob sexistische Werbung in Deutschland ein Problem ist und falls ja, in welchem Ausmaß.
Auf der "Werbemelder.in"-Karte finden sich viele Punkte mit sexistischer Werbung in München - die meisten wurden mittlerweile entfernt.
AZ: Frau Schmiedel, was haben Sie gegen Fotos von Frauen in Dessous?
STEVIE SCHMIEDEL: Überhaupt nichts - ich wünsche mir keine Welt, in der Frauen ein T-Shirt überziehen müssen, um einen BH zu präsentieren. Das Problem ist, wenn halb nackte Frauen Produkte wie Fischfutter oder Autoreifen bewerben und so als sexualisierte Objekte neben dem Produkt stehen. Sexy ja, Sexismus nein.
Gibt es Branchen, die besonders sexistisch werben?
Kfz-Werkstätten, das Baugewerbe oder Transportfirmen, also Branchen, in denen keine Agentur die Werbung macht, sondern die Firmen selbst. In den Großstädten hat sich die Werbung weg vom Sexismus bewegt, weil die Werbeagenturen einen Shitstorm oder eine Gesetzesnorm fürchten. Dafür gibt's auf dem Land viel sexistische Werbung. Da sind sich die Firmen oft gar nicht darüber im Klaren, dass sie Frauen zu Objekten degradieren.
Wie steht München im Vergleich da?
Nicht schlechter als andere Großstädte. Aber eine so hohe Häufung an sexistischer Werbung wie im ländlichen Bayern findet sich sonst nur im Ruhrgebiet oder in Teilen Baden-Württembergs. Werbung, in der Frauen in Latzhosen mit dem Spruch "Qualität zieht immer" für Kamine werben und die Brüste aus den Latzhosen hängen. Oder eine Frau in Reizwäsche mit dem Spruch "Da fehlt doch was", die für Karosserielack wirbt.
Aber durch ein Plakat wird ja nicht jeder Mann zum Grapscher.
Studien bezeugen, dass Männer, die solche Plakate gut finden, auch zu sexistischer Sprache neigen und Probleme mit der Gleichberechtigung haben. Und solche Bilder befördern die Vorstellung, Frauen dürften einfach betatscht werden.
Ist Werbung mit halb nackten Männern für Sie in Ordnung?
Wenn Männer stereotyp, also dümmlich im Haushalt oder in der Kindererziehung dargestellt werden, ist das nicht in Ordnung, denn so werden Stereotypen in unserer Gesellschaft festgezogen. Es fällt Männern ja beispielsweise immer noch schwer, Elternzeit einzufordern. Wir unterscheiden also zwischen Sexismus und Stereotypen.
Was wollen Sie dagegen unternehmen?
Mit der Werbemelder.in sammeln wir zwei Jahre lang Daten, um zu sehen, ob wir ein Problem mit Sexismus in der Werbung haben. Wir schauen, ob und wie Firmen reagieren, wenn wir sie ansprechen und versuchen, sowohl Firmen als auch Menschen zu sensibilisieren. Dann schaut der Bundestag, ob es ein Gesetz braucht, das sexistische Werbung verbietet. Es wäre schön, wenn wir den Prozess spielerisch bewegen statt mit harten Grenzen.
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