Weaning: Selbstständig schnaufen - ein langer Weg
In einer neuen Station in Harlaching lernen Patienten, wieder ohne Maschine zu atmen. Die AZ hat sie besucht.
Harlaching – Udo Raaf lässt sich in seinem Rollstuhl über den Krankenhausflur in Harlaching schieben. Seine Muskeln sind noch schwach, in den Beinen, in der Lunge. Doch wer Raaf im Austausch mit Ärzten und Pflegern erlebt, könnte fast vergessen, dass Raaf vor ein paar Wochen noch zwischen Wach und Traum auf seinem Zimmer lag. Unfähig, selbst zu atmen.
Raaf, 71 Jahre alt, ging es im März plötzlich sehr schlecht. Der drahtige Mann mit den wachen Augen hatte keinen Appetit mehr und hohes Fieber. Seine Frau bestand darauf, dass er ins Krankenhaus geht. In Harlaching stellten die Ärzte eine schwere Lungenentzündung mit Lungenversagen fest. Raaf kam auf die Intensivstation und wurde beatmet.
Die Entzündung ging, doch das selbstständige Atmen kam von allein nicht wieder. Ein Problem, das Raaf mit vielen Patienten teilt. Etwa vierzig Prozent derjenigen, die beatmet werden mussten, fällt es schwer, wieder ohne die Maschine an Luft zu kommen.
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Die Atemmuskulatur ist während der Zeit am Beatmungsgerät schwach geworden. Wenn Patienten wieder wacher werden und versuchen, selbst zu atmen, klappt das oft nicht. Ein beklemmendes Gefühl, viele geraten in Panik.
„Man hat ja immer Angst, keine Luft zu bekommen“, sagt Raaf, „es ist anstrengend, sich von dieser Panik frei zu machen.“ Doch er hat es geschafft.
Heute sitzt Raaf ruhig in einem Behandlungszimmer der neuen Weaning-Station in Harlaching. Den Rollstuhl, mit dem man ihn hierher geschoben hat, braucht er nur noch behelfsweise. „Weaning“ nennt sich die Behandlungsmethode, bei der Patienten schrittweise wieder lernen, ohne künstlichen Sauerstoff zu leben. So wie Raaf, der es inzwischen lange Zeit ohne Beatmungsgerät aushält. Nur am Hals, dort, wo vor kurzem noch der Beatmungsschlauch angebracht war, sieht man eine kleine Narbe. Raaf kann bald nach Hause gehen. Er ist der erste Patient, den die Ärzte der neuen Station entlassen können.
Bis dahin war es ein langer Weg mit vielen einzelnen Schritten. „Es ist wirklich ein Atemmuskeltraining“, erklärt Oberärztin Vanessa Rembold, was auf der Station geschieht. Es beginnt, wenn die Erkrankung der Patienten nicht mehr akut ist und die künstliche Beatmung langsam zurückgenommen werden kann.
Selber atmen? Anfangs sind es nur 10 Minuten
Die Patienten werden langsam wieder an das selbstständige Atmen herangeführt. Man lässt sie zeitweise selbstständig atmen. „Auch wenn es anfangs nur zehn Minuten sind“, sagt Rembold. Dazu kommt eine Physiotherapie, Gehtrainings mit dem Stützwagen oder Rollator. Das mobile Beatmungsgerät und ein kleiner Monitor, auf dem die Vitalfunktionen des Patienten angezeigt werden, werden dabei mitgenommen. Das ist aufwendig, lohnt sich aber.
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„Es war schon anstrengend“, erinnert sich Raaf. Aber er war überzeugt, dass ihm die Übungen helfen. Das motiviert: „Ich wollte ja weg vom Sauerstoff und nicht immer mit einer Flasche herumlaufen.“
Bis das geht, braucht es Zeit. Und die hat man auf der Weaning-Station. Vorher wurden Langzeitbeatmete auf der Intensivstation weiterbehandelt. Zwischen dem Trubel aus Reanimationen und anderen Grenzsituationen. Die neue Weaning-Einheit liegt direkt neben der Intensivstation, es gibt geräumige, helle Einzelzimmer. Das Ärzte- und Pflegerteam ist dasselbe.
Patient Udo Raaf ist fast wieder ganz fit. Foto: Daniel von Loeper
Aber wer auf der Weaning-Station eingeteilt ist, hat Zeit für die Übungen mit den Lungenpatienten. Ein Umstand, den der Chefarzt Joachim Meyer nicht ohne Stolz erzählt: „Jetzt haben wir die optimalen Bedingungen.“
Auf Raaf wartet jetzt die Rückkehr nach Hause, seine Wohnung im dritten Stock ohne Aufzug – eine Herausforderung. „Aber das schaffe ich allemal“, sagt er.
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