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AZ-Rückblick: 1948 – Paula Hitlers Streben nach dem Erbe des Diktators

15. Oktober 1948: Eine Spruchkammer entscheidet, was mit Adolf Hitlers Vermögen passieren soll – seine weitgehend unbekannte Schwester Paula erhebt Ansprüche.
Dominik Petzold |
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So sahen weite Teile Münchens im Jahr 1948 aus, als Paula Hitler Anspruch auf das Haus am Prinzregentenplatz und das weitere Erbe ihres Bruders Adolf erhob.
So sahen weite Teile Münchens im Jahr 1948 aus, als Paula Hitler Anspruch auf das Haus am Prinzregentenplatz und das weitere Erbe ihres Bruders Adolf erhob. © imago

Im Jahr 1948, dem Gründungsjahr der Abendzeitung, liegt München in Trümmern. Von den rund 60.000 Gebäuden sind im Krieg nur 1.270 unbeschädigt geblieben. Die Hälfte der Bausubstanz ist zerstört, in der Innenstadt sogar 75 Prozent. Relativ unversehrt blieb ein prächtiges Haus am Prinzregentenplatz 16. Und auf dieses Haus erhebt, drei Jahre nach dem Krieg, eine Frau aus Berchtesgaden Anspruch. Wie auf das gesamte Erbe ihres verstorbenen Bruders. Die Frau heißt Paula Hitler.

Ihr sieben Jahre älterer Bruder Adolf hat die Welt in einen unvorstellbaren Horror versetzt, hat den Zweiten Weltkrieg zu verantworten und das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte, den Holocaust. Aber das ficht Paula Hitler nicht an.

Paula Hitlers Streben nach dem Erbe des Diktators in Berchtesgaden

Die Frau führt in Berchtesgaden ein ärmliches Leben, sie darbt in den Nachkriegsjahren wie die meisten Menschen in Bayern. Aber sie hofft auf das private Vermögen Adolf Hitlers. Der hat, bei aller Zerstörung, als Privatmann eben wirtschaftliche Werte hinterlassen: Sein Anwesen am Obersalzberg ist zwar weitgehend zerbombt, aber die Rechte an seinem Machwerk "Mein Kampf" könnten noch dauerhaft Geld abwerfen, und dann ist da unter anderem noch das Haus in Bogenhausen, in dem seit 1929 seine Privatwohnung war. Ein schönes Haus inmitten einer zerstörten Stadt. Dieses Erbe beansprucht Paula Hitler.

Paula Hitler lebte von 1896 bis 1960.
Paula Hitler lebte von 1896 bis 1960. © imago

Wer ist diese Frau, die damals wie heute weitgehend unbekannt ist? Geboren wurde sie 1896 im österreichischen Hafeld, als sechstes und letztes Kind von Klara und Alois Hitler. Drei Kinder des Ehepaares sind da bereits tot, ein viertes stirbt, als Paula vier Jahre alt ist. Es bleiben noch zwei Stiefgeschwister aus der ersten Ehe des Vaters – und der sieben Jahre ältere Adolf, der Liebling der Mutter.

Die distanzierte Beziehung zwischen Paula und Adolf Hitler: Eine ungewöhnliche Umbenennung

Paula hat zu ihm schon als Kind ein distanziertes, unherzliches Verhältnis. Das wird auch im Erwachsenenalter so bleiben. 1936 drängt der Diktator seine Schwester, sich Paula Wolf zu nennen: Der Mann, der sich zum von der Vorsehung erwählten Retter Deutschlands stilisiert, kann keine gewöhnliche Verwandtschaft neben sich brauchen, will die Spuren zu seiner Familie so weit wie möglich verwischen. Zugleich zahlt er den Unterhalt der Schwester. Mit 34 Jahren hört sie auf, als Kanzleikraft zu arbeiten und lebt, größtenteils in Wien, ein unauffälliges, zurückgezogenes, wohl recht einsames Leben als alleinstehende Frau – in finanzieller Abhängigkeit von ihrem Bruder. Diese bleibt auch bestehen, nachdem der sich am 30. April 1945 das Leben nimmt.

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Das Leben der Frau: Besuch von Alt-Nazis, umstrittene Geschäfte und die Hoffnung auf ein Erbe

Kurz vor Kriegsende hatte er seine Schwester vor den heranrückenden Russen in Sicherheit bringen und nach Berchtesgaden holen lassen. Hier lebt Paula Wolf den Rest ihres Lebens in sehr schlichten Verhältnissen. Ein hohes Geldgeschenk ihres Bruders beschlagnahmen die US-Amerikaner, als sie im Mai 1945 Berchtesgaden einnehmen. Also versucht sie, Geld daraus zu machen, die "Schwester des Führers" zu sein, wie der Journalist Wolfgang Zrdal in seinem Buch "Die Hitlers" schreibt. Sie empfängt Besuch von Alt-Nazis, verkauft die Rechte an Hitlers Tischgesprächen an einen dubiosen Geschäftsmann. Ihren Bruder bezeichnet sie in einem Brief als "größten Sohn seiner Heimat", Kritik an ihm erklärt sie zur "Gotteslästerung". Aber sie schafft es nicht, aus ihrer Verwandtschaft Geld zu machen. Sie lebt erst als Untermieterin, später mietet sie eine 16 Quadratmeter große Wohnung. Was ihr bleibt, ist die Hoffnung auf das Erbe.

Hitlers Nachlass: Spruchkammer entscheidet für Bayern statt Paula Wolf

Den Anspruch meldet sie über einen Berchtesgadener Anwalt namens Dr. Müller an. Entschieden wird am 15. Oktober 1948 in München. Da findet die Verhandlung der Spruchkammer I gegen Adolf Hitler statt, das übliche Verfahren gegen hochrangige Nazis. An Hitlers Stelle steht ein leerer Stuhl im Gerichtssaal. Das Gericht hält fest, dass einzig Paula Wolf Ansprüche auf das Vermögen Hitlers erhoben hat. Und urteilt abschlägig: Hitlers Nachlass wird vollständig eingezogen und geht an den Freistaat Bayern. Zugrunde liegt das vom amerikanischen Militärgouverneur Lucius D. Clay initiierte "Befreiungsgesetz", nach dem die Vermögen hochrangiger Nazis einkassiert werden sollen. Erstaunlich ist die Begründung der Spruchkammer, warum Paula Wolf komplett leer ausgeht: "Bei der Einziehung des gesamten Vermögens ließ sich die Kammer davon leiten, daß die Hinterbliebene nicht in Not ist."

Dieses Haus am Prinzregentenplatz 16 wäre das Sahnestück von Adolf Hitlers Erbe gewesen. Er lebte darin seit 1929. Heute residiert die Polizei darin.
Dieses Haus am Prinzregentenplatz 16 wäre das Sahnestück von Adolf Hitlers Erbe gewesen. Er lebte darin seit 1929. Heute residiert die Polizei darin. © imago

Doch die lässt nicht locker. Erst im Oktober 1956 wird Adolf Hitler vom Amtsgericht Berchtesgaden offiziell für tot erklärt – seine sterblichen Überreste waren 1945 neben dem "Führerbunker" verbrannt worden, was Zweifeln an seinem Tod Tür und Tor öffnete. Nun aber kann seine Schwester, die sich seit diesem Jahr wieder Paula Hitler nennt, einen Erbschein beantragen. Und im Februar 1960 spricht das Amtsgericht München ihr erstaunlicherweise zwei Drittel des Nachlasses zu. Doch sie hat von ihrem späten Triumph nichts mehr: Am 1. Juni 1960 stirbt sie im Alter von 64 Jahren.

Bayerns Anspruch auf Prinzregentenplatz 16: Ein Erbe und seine Geschichte

Ohnehin ist zweifelhaft, dass sie das Erbe tatsächlich erhalten hätte, schließlich stützt der Freistaat Bayern seine eigenen Ansprüche darauf bis heute auf die Rechtsprechung der Amerikaner nach dem Krieg. So gehört das Haus am Prinzregentenplatz 16 nach wie vor dem Freistaat. Hier residiert heute die Polizeiinspektion 22. Eine gute Lösung: So wird wohl von vornherein verhindert, dass in dem Haus Gestalten aus dem braunen Sumpf der deutschen Geschichte auftauchen.


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