Unsere hippe HipHop-freie Zone
Nachtleben zwischen Fraunhoferstraße und Gärtnerplatz
Wenn sich die Dunkelheit über München legt und gegen acht Uhr die bierreichen Lokale der Reichenbachstraße aus ihrem Tagschlaf erwachen, wechselt auch das Straßenpublikum. Kinderwägen werden in Hauseingänge geschoben, Menschensilhouetten erscheinen in lichten Fenstern, sie machen Feierabend, zu Hause und gerne auch in den vielen Kneipen. Denn hier werden die Bürgersteige nicht hochgeklappt.
Was alle an der Reichenbachstraße abends schätzen: Die Lokale sind einfach cool ohne betont lässig zu sein. Sie lassen sterile in-Clubs verblassen, weil sie gemütlicher, manchmal auch etwas verkommener, skurriler sind. Das Publikum ist gesprächig, gelassen und untussig, aufs Feiern aus. Elektro, Funk, Oldies und Gitarrensound wird gespielt, eine angenehme Abwechslung zum HipHop-Einheitsbrei und den Motherfucker-Rap-Schuppen der Kultfabrik.
Nr. 21: Ein heiliger Ort fürs Augustiner
Der Reichenbachstraßengast beginnt die Kneipentour gewöhnlich im Holy Home. Musik der 20er Jahre wechselt sich ab mit schrammlig-jaulenden Gitarrensounds.
Hinter der Theke hängt ein dunkelhölzerner, rustikaler Riesensetzkasten, der die ganze Wand ausfüllt. Da stehen Muttergottesfiguren neben weichgezeichneten Elvis-Gedenkbildern und Muppetshow-Plüschtierchen.
Und Rum- und Whiskeyflaschen stehen dabei. Über den Tresen schieben Barfrauen kühle, frischgezapfte Augustiner. Am Wochenende ist es hier rammelvoll und in der leicht speckigen aber gemütlichen Leder-Couchecke rutscht man schnell zusammen, ins Feierabend-Gespräch vertieft. Für viele ist das Holy Home – im Sinne seines Namens und mit seiner ungezwungenen Zusammensitz-Atmosphäre – zum zweiten Wohnzimmer geworden.
Nr. 33: Junges vor Oma-Tapete
Tulpen zieren die Leuchttafel an der Bar Für Freunde. Der Gast, der sich lässig an die Theke lehnt, bewegt seinen Kopf zur Live-DJ-Elektromusik, hält sich an einer Flasche Haniel-Bier fest und unterstützt eine kleine Schlossbrauerei bei Haimhausen. Oft ist es kuschelig eng in der Ein-Raum-und-Flur-Kneipe – und laut. Man sitzt auf ledernen Höckerchen oder auf einem kurzen Sofa vor rot-goldener Oma-Tapete. Weitere Nostalgie: Am Ende darf jeder in die Glaskugel greifen, die Barmann Florian unter der Theke hervorzaubert. Schlafschäfchen heißen die Betthupferl hier. Kaugummis, Leckmuscheln, Schokoeier: Erinnerungen an Bestechungsversuche des Kinderarztes werden wach.
Nr. 47: Überfüllte Ladengeschichte
Heute gehen hier tagsüber 30 verschiedene Sorten heißer Schokolade über den Tresen, auf dem früher Lederhosn und Trachtenjanker auslagen. Das Trachtenvogl hat den Namen aus seiner Laden-Geschichte übernommen und die Einrichtung wirkt wie in den 50er Jahren stehen geblieben. Die Sitzmöbel, die an eine zusammengestiftete Jugendhaus-Ausstattung erinnern, bei denen man hin und wieder leicht eine metallene Spiral-Feder im Gesäß spürt, sind trotzdem urgemütlich. Hirschgeweih an der Wand und TV-Kamingebrutzel sind trashig, aber noch erträglich. Abends wird neben dem bewährten Tegernseer Spezial auch das bayernfremde Hamburger Astra angeboten. In der Stube, die mit der Holzscheite-Deko in den Ladenfenstern ein bisschen an Skihütte und gemütlichen Apres-Ausklang erinnert, trinkt man derzeit am besten noch winterlichen, wärmenden Glühwein.
Texte: Lena Pauli, Fotos: Daniel von Loeper