Gedenken an KZ-Befreiung in Dachau: "Ein neues Leben"

In politisch unruhigen Zeiten wird der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau gedacht. Überlebende des NS-Terrors schildern ihr Leid. Es gibt Dank und eine eindringliche Mahnung.
von  AZ/dpa
Anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung wurden am internationalen Mahnmal Kränze niedergelegt.
Anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung wurden am internationalen Mahnmal Kränze niedergelegt. © Sven Hoppe/dpa

Dachau - Der 29. April 1945 war ein Schicksalstag. Soldaten der US-Armee befreiten das Konzentrationslager Dachau, wo die Nationalsozialisten Menschen unter schlimmsten Bedingungen eingesperrt, gequält und ermordet hatten. "Ein neues Leben hat angefangen für uns, glauben wollten wir das nicht", erinnert sich Abba Naor, Überlebender des Dachauer Außenlagers Kaufering. Bei einer Feier wurde nun dieses historischen Tages vor 80 Jahren gedacht, mit Erinnerung an die Opfer und Dank an die Soldaten aus den USA und der Mahnung, die Demokratie zu bewahren.

"Mörderschule der SS"

Dachau sei das zynische Vorbild für die Nationalsozialisten gewesen und stehe am Anfang eines systematischen Terrors, der im Völkermord endete, sagte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner. Durch Gewalt und Schikane sollten Opfer hier systematisch gebrochen werden. 

Das Lager ging am 22. März 1933 in Betrieb, wenig später gab es die ersten Morde. Mit seinen Barackenstraßen und dem riesigen Appellplatz galt Dachau als Modell für alle anderen Konzentrationslager. Zudem war es eine Ausbildungsstätte, eine "Mörderschule der SS", wie es Historiker formulierten. So begann etwa der berüchtigte Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß hier seine Nazi-Karriere. 

Abba Naor hat seine Mutter und seine beiden Brüder durch den NS-Terror verloren - sie wurden ermordet. Er und sein Vater überlebten.
Abba Naor hat seine Mutter und seine beiden Brüder durch den NS-Terror verloren - sie wurden ermordet. Er und sein Vater überlebten. © Sven Hoppe/dpa POOL/dpa

Leichenberge und der Hauch des Todes 

Bis 1945 wurden in Dachau mit seinen 140 Außenlagern mehr als 200.000 Männer und Frauen aus über 40 Ländern eingesperrt, darunter viele politische Gegner, aber auch Jüdinnen und Juden, christliche Geistliche, Zeugen Jehovas, Roma und Sinti oder Homosexuelle. Der gescheiterte Hitler-Attentäter Georg Elser war hier inhaftiert. Mindestens 41.500 Gefangene starben – an Hunger, Krankheiten, Folter, Mord, der harten Zwangsarbeit und den Haftbedingungen. 

Bud Gahs war einer der Soldaten der US-Armee, die das Konzentrationslager Dachau am 29. April 1945 befreit haben.
Bud Gahs war einer der Soldaten der US-Armee, die das Konzentrationslager Dachau am 29. April 1945 befreit haben. © Sven Hoppe/dpa POOL/dpa

Als die US-Armee am 29. April 1945 das Lager Dachau erreichte, bemerkten die Soldaten zunächst einen stechenden Gestank. In einem Güterzug vor den Toren lagen unzählige Leiche und dazwischen ein paar wenige entkräftete Lebende. Sie stammten aus dem KZ Buchenwald und waren gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wochenlang durch Deutschland gekarrt worden, bis sie schließlich in Dachau landeten.

Zum Gedenken an die Opfer wurden nach der Gedenkfeier noch weiße Rosen am internationalen Mahnmal der KZ-Gedenkstätte niedergelegt.
Zum Gedenken an die Opfer wurden nach der Gedenkfeier noch weiße Rosen am internationalen Mahnmal der KZ-Gedenkstätte niedergelegt. © Sven Hoppe/dpa

"Es brach uns das Herz"

Auch im Lager selbst fanden die Soldaten Berge von Toten und rund 32.000 Häftlinge vor, völlig ausgezehrt und zum Teil kaum mehr lebensfähig. "Was wir an diesem Tag sahen, brach uns das Herz", beschrieb der US-Veteran Bud Gahs seine Emotionen. Er und die anderen Soldaten hätten in den Monaten zuvor immer wieder in unzähligen Gefechten im Kampf gegen die deutsche Wehrmacht ihr Leben riskiert. "Doch erst, als wir die Tore von Dachau öffneten, wurde uns wirklich klar, wofür wir gekämpft hatten." 

Unter den Ehrengästen waren Überlebende des KZ-Terrors und ein Soldat der US-Armee, der bei der Befreiung am 29. April 1945 dabei war, außerdem zahlreiche Angehörige ehemaliger Häftlinge sowie Vertreter aus Politik, Kirche und Gesellschaft.
Unter den Ehrengästen waren Überlebende des KZ-Terrors und ein Soldat der US-Armee, der bei der Befreiung am 29. April 1945 dabei war, außerdem zahlreiche Angehörige ehemaliger Häftlinge sowie Vertreter aus Politik, Kirche und Gesellschaft. © Sven Hoppe/dpa POOL/dpa

Das Geschenk der Demokratie

Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner dankte Gahs und dem US-Militär. "Sie haben die Deutschen mit der Demokratie beschenkt und wir heute sind in der Verantwortung, achtsam mit diesem Geschenk auch umzugehen." Heute werde wieder Stimmung gemacht. Medien und Parteien würden permanenter Lüge und Selbstbedienung bezichtigt und Wissenschaft und Gerichte als willfährige Gehilfen der Politik bezeichnet. "Es ist richtig, wenn der Verfassungsschutz bei uns genau hinschaut", sagte Aigner mit Blick auf die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch. 

Bud Gahs (l), Veteran der US-Truppen, unterhält sich mit dem KZ-Überlebenden Abba Naor.
Bud Gahs (l), Veteran der US-Truppen, unterhält sich mit dem KZ-Überlebenden Abba Naor. © Sven Hoppe/dpa

Kampf gegen Schweigen und Vergessen

Die Gedenkstätte in Dachau zeige den Gegenentwurf zur heutigen Demokratie und sie zeige, wozu Menschen fähig seien. "Wer nicht weiß, welche Errungenschaft unsere Freiheiten sind, der muss einfach hierherkommen", so Aigner.

Dass es den Ort gibt, ist vor allem den Überlebenden zu verdanken, die die Errichtung der bundesweit ersten KZ-Gedenkstätte vorangetrieben hatten. "Sie mussten das erstreiten gegen eine Gesellschaft, die am liebsten weiter geschwiegen hätte und so schnell wie möglich vergessen wollte", erinnerte Bundestagspräsidentin Klöckner. 

1955 hatten sich die ehemaligen Häftlinge zur Initiative Comité International de Dachau zusammengeschlossen. Im Mai 1965 wurde die Mahnstätte tatsächlich eröffnet. Seitdem wurde vieles erweitert und umgestaltet. Rund eine Million Menschen aus aller Welt kommen jedes Jahr, um den historischen Ort mit Ausstellung zu besuchen.

Die feine Sache Leben

Unten den mehr als 1700 Gästen der Gedenkfeier waren auch einige wenige Überlebende des NS-Terrors, außerdem Angehörige von Opfern und ehemaligen Befreiern. 

In der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers in Dachau wurde an die Befreiung am 29. April 1945 durch die US-Armee erinnert.
In der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers in Dachau wurde an die Befreiung am 29. April 1945 durch die US-Armee erinnert. © Sven Hoppe/dpa

Auch der 100-jährige Naor hat seine Familie dabei. Er zeigt sich versöhnlich, obwohl seine Mutter und seine beiden Brüder ermordet wurden. Mit Rührung stellt Naor am Ende seiner Rede fest: "Trotz allem, was ich erlebt habe, bin ich der Meinung, dass das Leben eine feine Sache ist."

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