"Auch Hunde können Angstpatienten sein": Besuch beim Tierzahnarzt in Oberhaching
Oberhaching - Die Stühle im Wartezimmer der Tierklinik Oberhaching sind allesamt besetzt. Auf ihnen sitzen die Besitzerinnen und Besitzer der eigentlichen Patienten: Ein Golden Retriever, der geduldig neben einem Labrador hockt, der sich wiederum auf dem Boden ausgestreckt hat. Auch Mischling Lissie hat heute einen Zahnarzttermin. Sie wird aufgerufen und begrüßt schwanzwedelnd Doktor Lorenz Schmid.
Was der Vierbeiner vermutlich nicht ahnt: Ihm wird an diesem Tag ein Zahn gezogen. Die AZ darf Lissie bei der Operation begleiten. Der Fachtierarzt für Zahnheilkunde Schmid hat die Tierklinik gegründet und ausgebaut. Was vor 36 Jahren mit einer Kleintierpraxis begonnen hat, ist zu einer Behandlungsfläche von über 4000 Quadratmeter gewachsen. In Oberhaching werden mittlerweile täglich etwa 150 bis 200 Patienten behandelt, darunter Hunde und Katzen, aber auch Hamster, Kaninchen und Meerschweinchen.
Auch Kardiologie ist dabei
Neben der Zahnheilkunde hat sich die Klinik unter anderem auf Chirurgie, Anästhesiologie, Innere Medizin und Kardiologie spezialisiert. In Sachen Zahn- und Kieferheilkunde sind die Leistungen vielfältig - vom Zahnerhalt, über Operationen bis hin zur Kieferorthopädie. Über 1000 Operationen werden in dem Bereich jährlich von sieben Zahnspezialisten durchgeführt.

"Wir haben genau wie beim Menschen Angstpatienten"
Hunde wie Katzen leiden laut Schmid häufig an Entzündungen, Frakturen, Zahnfehlstellungen, aber auch Tumoren. Karies wie beim Menschen komme bei Hunden eher nicht vor, bei der Katze hingegen schon in Form von Zahnresorptionen. Auch Kleinsäugetiere zählt Schmid zu seinen Patienten. "Gerade beim Kaninchen wachsen manchmal Zähne, die in den Oberkiefer drücken. In der Natur würde sich das entzünden und das Tier würde sterben."
Zu selten die Zähne geputzt?
Die Gründe für Zahnprobleme sind vielfältig: Sie können genetisch bedingt sein oder es wurde falsch gefüttert oder zu wenig Zähne geputzt. Lissie sei eine Traumpatientin, so Schmid, der einst Bayerns erster Fachtierarzt für Zahnheilkunde gewesen ist. Der zwölfjährige Vierbeiner liebt es, gestreichelt zu werden, meint Besitzerin Hedwig Altmann. Sie hat den Mischling mit einem Jahr aus dem Münchner Tierheim geholt. Etwas nervös wirkt Lissie schon, als sie auf den Untersuchungstisch gehoben wird. Sie versteckt ihren Schwanz zwischen den Hinterbeinen. "Alles gut Schatzerl", sagt Schmid und krault ihren Kopf.
Schmid rät zu jährlichen Vorsorgeterminen. Denn: Im Prinzip habe jeder Hund Zahnprobleme, sagt er, während er in Lissies Maul blickt. "Bei Zähnen gibt es oft versteckte Probleme." Schmid erklärt, dass sie gerne übersehen werden, weil die Patienten Zahnschmerzen meist nicht zeigen. Als Besitzer bemerke man nur den Mundgeruch. Doch sei die Pathologie im Mund die häufigste Erkrankung bei Hunden und Katzen.
Kleine Tiere leiden öfter
Je kleiner das Tier, desto öfter hätte es Zahnleiden. Das liegt auch an den Zuchtbedingungen. Möpse seien häufig betroffen. Lissies Zahnfleisch ist entzündet, stellt Schmid fest.Weil die Tiere nicht still halten würden, müssen sie sich für die meisten Behandlungen unter Narkose befinden. Selbst die freundliche, verschmuste Lissie.
Der Fachtierarzt legt deshalb allen Tierbesitzern nahe, eine Kranken- und OP-Versicherung für ihr Tier abzuschließen. Denn eine Behandlung kostet nicht selten zwischen 1000 und 2000 Euro. Altmann ist bei dem Eingriff nicht dabei. "Ein bisserl aufgeregt bin ich immer", sagt sie und streichelt noch einmal ihren liebsten Vierbeiner.
Dann geht es in den zweiten Stock der Klinik. Dort befinden sich Operationsräume sowie weitere sterile Zonen für Tumoroperationen oder Wurzelbehandlungen, Räume mit CT- und hochmodernen Cone-Beam-Geräten sowie Röntgenanlagen. Auch Aufwachräume gibt es sich dort. Überall huschen Mitarbeiter durch die Gänge, jeder weiß offensichtlich, was er zu tun hat.

"Gut gemacht, Spatzi"
Anästhesist Korbinian Pieper legt Lissie einen Venenkatheter, dann wird ihr Blut abgenommen. Eine Helferin streichelt ihr die ganze Zeit das Fell. "Gut gemacht, Spatzi", sagt die Frau.
Es gebe auch Angstpatienten unter Tieren – "wie beim Menschen auch", berichtet Pieper. Vierbeiner, die zu Hause die zutraulichsten Hunde seien, hätten manchmal große Angst vor dem Zahnarzt. "In ganz seltenen Fällen würden die uns angreifen, weshalb wir sie schon vor der Klinik im Auto der Besitzer per Blasrohr betäuben müssen." Dabei gehe es nicht nur um Kampfhunde. Als Beispiel nennt Pieper einen großen Bernhardiner, der daheim "ein Lamm" und in der Klinik nicht mehr zu bändigen gewesen sei.

Lissie schläft inzwischen. Ihr wurde ein Hypnotikum verabreicht, damit sie nichts von dem Eingriff mitbekommen muss. Zunächst kommt sie in ein CT-Gerät. "So sehen wir Zahnentzündungen oder Tumore", sagt Schmid. Er bespricht mit einem Arzt die Röntgenaufnahme. "Ein Zahn ist verdächtig, er hat gesplittert und ist entzündet."
Im Operationsraum überwacht ein EKG-Gerät Lissies Herzfrequenz. Sie wird beatmet. Schmid entfernt Zahnstein und erkennt, dass ein Zahn erkrankt ist. Er wird gezogen.
Zum Schluss: der Aufwachraum
Als die Behandlung geglückt ist, wird Lissie in den Aufwachraum gebracht. Eine Mitarbeiterin bleibt bei ihr, bis sie wieder zu sich kommt. Insgesamt vier Stunden dauert der Besuch beim Zahnarzt, dann kann Hedwig Altmann ihre Lissie endlich wieder abholen.
Schmid freut sich jedes Mal, wenn er einem Tier helfen kann. "Es ist das schönste Gefühl, wenn mich Besitzer anrufen und sagen: 'Mein alter Hund spielt wieder, ich erkenne ihn nicht wieder'." Wie sehr ein kranker Zahn schmerzen könne, wisse schließlich jeder Mensch.
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