Ukraine: Helfer sprechen über traumatisierte Kinder aus Kriegsregion

Die jüngsten Überlebenden des Krieges in der Ukraine kämpfen mit den dramatischen Folgendes Konflikts. In München berichten Helfer der ukrainischen Caritas über ihren Einsatz
Alexander Spöri
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Flüchtlinge aus der Ukraine werden nach ihrer Ankunft am Hauptbahnhof von Mitarbeitern der Caritas und freiwilligen Helfern empfangen. (Archiv)
Flüchtlinge aus der Ukraine werden nach ihrer Ankunft am Hauptbahnhof von Mitarbeitern der Caritas und freiwilligen Helfern empfangen. (Archiv) © dpa/Sven Hoppe

München Rund 7,5 Millionen Kinder leiden in der Ukraine unter den Folgen des Krieges. Darunter auch Ihor aus dem Süden des Landes. Mehr als 100 Zivilisten sind in seiner Heimatstadt Mykolajiw zwischen Odessa und Cherson von russischen Soldaten ermordet worden. Sein aktueller Gesundheitsstatus: unbekannt. Das einzige Lebenszeichen von Ihor ist eine Armkette mit 22 Perlen, die er selbst gebastelt hat.

Traumatisierte Kinder aus der Ukraine in München: Helfer berichten

Geholfen haben ihm bei der Bastelarbeit Mitarbeiter der Caritas aus der Region um Kiew. Seit Kriegsausbruch unterstützen sie junge Menschen durch spezielle Therapien und Hilfsangebote bei der Aufarbeitung ihrer traumatischen Kriegserlebnisse. Am Donnerstag berichteten sie von ihren Erfahrungen bei einer Veranstaltung der Caritas in München.

Caritas
Caritas © Sven Hoppe / dpa

Pater Roman Syrotych, Direktor der Caritas in Kiew, und seine Kollegin Olena Pokotyuk, Leiterin des Kinderprojekts "Children friendly space", waren dafür extra aus der Ukraine angereist. Die beiden gaben neben Darya Dmytruk, einer Helferin aus der bayerischen Landeshauptstadt, Einblicke, die unter die Haut gehen.

Harald Bachmeier, Geschäftsleiter der Caritas München (v.l.), neben Darya Dmytruk aus München, Olena Pokotyuk und Pater Roman Syrotych aus Kiew.
Harald Bachmeier, Geschäftsleiter der Caritas München (v.l.), neben Darya Dmytruk aus München, Olena Pokotyuk und Pater Roman Syrotych aus Kiew. © Alexander Spöri

"Erhöhte Suizidwelle in der Ukraine"

Zum ersten Mal auf traumatisierte Kinder sei Syrotych im Februar 2022 aufmerksam geworden. Damals seien Hunderttausende Binnenflüchtlinge aus dem stark umkämpften Osten der Ukraine in der Hauptstadt angekommen, darunter auch etwa 75.000 Kinder.

Der Caritas-Chef stellte damals fest, dass viele Kinder ihre Sprachfähigkeiten teils verloren. Besonders unter jungen Mädchen beobachtete er zudem eine erhöhte Suizidwelle. Manche von ihnen seien von russischen Soldaten vergewaltigt worden und ständen, wie Syrotych betont, "ohne Familie da". Deshalb wollte der Pater einspringen und helfen. Zunächst fuhr die Caritas Wasser sowie Lebensmittel in Orte, in denen das Ausmaß der Verwüstung groß war.

"Entertainment-Programm" lenkt Kinder vom Krieg ab

Dann rückten die Kinder immer mehr in den Fokus. Denn sie sollten dem Krieg nicht mehr die gesamte Zeit ausgeliefert sein. Mit einem "Entertainment-Programm" in Luftschutzbunkern und U-Bahnstationen versuchten die Helfer, Kinder von den dramatischen Vorkommnissen abzulenken.

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Später entstand daraus das Projekt "Children friendly space". Dabei eröffneten die Verantwortlichen 18 Hilfsstandorte für Kinder und Familien in Kiew. "Ziel des Projektes ist es, Kindern ihre Kindheit wieder zurückzugeben", sagt Olena Pokotyuk, die Leiterin des Vorhabens. "Sie sollen ein Gefühl dafür bekommen, dass das Leben weitergeht."

1,1 Millionen Ukraine-Flüchtlinge in Deutschland

Dieses Gefühl vermittelt Pokotyuk Kindern unter anderem durch Aufenthalte in Bibliotheken und Kinos. Neben ihr helfen bei der Organisation auch einige Binnenflüchtlinge mit. Sie sind vergangenes Jahr nach Kiew geflohen und verarbeiten durch die Hilfsarbeit wiederum eigene Traumata.

Doch es hielt bei weitem nicht alle Menschen in der Ukraine. Das Bundesinnenministerium zählte bis September 2023 insgesamt 1,1 Millionen Geflüchtete aus der Region. Auch deshalb gibt es inzwischen nicht nur in der Ukraine Hilfsprojekte, sondern auch hierzulande.

Helferin muss Tränen verkneifen

Darya Dmytruk ist eine der Verantwortlichen, die das Projekt "Tut i Tam" (auf Deutsch: "Hier und da") in München ins Leben gerufen hat. Bei der Veranstaltung der Caritas kullerten der Frau, die in Donezk aufwuchs, mehrmals die Tränen über das Gesicht. Doch sie berichtete von ihrem besonderen Engagement.

Dmytruk hilft unter anderem ankommenden Ukrainern in ihrer Muttersprache weiter. Sie unterstützt Betroffene bei der Verarbeitung von Kriegserlebnissen. Dafür vermittelt sie Psychologen und Sozialpädagogen. "Es ist wichtig, dass die Leute hier ebenso mental gesund sind." Durch zusammenhängende Kunstprojekte in der Ukraine und in München stärkt Dmytruk zudem die Bindung unter den zwei Ländern.

An ihr Heimatland erinnern die Flüchtlinge bestimmt auch die vielen Armketten. Auf Zetteln stehen die Namen der Kinder, die sie gebastelt haben - genauso wie ihre Heimatstädte. Wie grausam der Krieg ist, wird auch hier deutlich. Manche Städte, die dort aufgeführt sind, gibt es nicht mehr. Sie liegen inzwischen in Schutt und Asche.

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