Überall nur Schnee – und viele Tote

Audio von Carbonatix
Riem 6. Februar 1958: Als die Maschine der British European Airways mit 38 Fluggästen verunglückte, sterben 23 Menschen, darunter sind acht Spieler von Manchester United.
MÜNCHEN Vor 50 Jahren hörte Christine Wiesent die Stewardess schreien. Die war aus dem zerrissenen Rumpf der Ambassador gekrochen. Barfuß im Schnee über leblose Körper gehumpelt. Und hatte erbärmlich geschrien. Einfach nur geschrien.
Es war am 6. Februar 1958, als die Maschine der British European Airways mit 38 Fluggästen verunglückte. 16.03 Uhr war es ganz genau. Der Flieger jagte bei Temperaturen um null Grad mit hoher Geschwindigkeit über die Riemer Startbahn hinaus, zerschellte an einem Bauernhof, wirbelte um seine eigene Achse, pflügte durch einen Acker und blieb hundert Meter weiter liegen. 20 Tote lagen in der Kabine. Drei weitere Menschen starben später in der Klinik.
Unter den Passagieren war auch die Mannschaft von Manchester United – damals die wohl beste Fußballmannschaft der Welt. Sie hatte nach einem Europacup-Spiel in Belgrad Zwischenstation in München gemacht. Acht Spieler starben.
Christine Wiesent war eine der ersten am Unfallort. Mit ihrem Sohn Herbert (damals 2) auf dem Arm hatte sie die Katastrophe vom Wohnzimmerfenster aus gesehen. Wenige Minuten später stand sie am Wrack. „Wie die Leute da lagen, habe ich nie vergessen.“
"Während des fast zweistündigen Aufenthaltes des Flugzeugs in München ist infolge Schneefalles eine raue Eisschicht auf der Oberseite der Tragflächen entstanden. Diese hat die aerodynamischen Eigenschaften des Flugzeugs wesentlich beeinträchtigt, (...) und die erforderliche Abhebegeschwindigkeit heraufgesetzt. Auf der zur Verfügung stehenden Rollstrecke hat das Flugzeug diese Geschwindigkeit (...) nicht erreichen können. Darin lag die entscheidende Unfallursache." (Untersuchungsbericht vom 31.1.1959).
Für Christines Mann Richard (heute 75) klang das so: „Des is ned naufkemma“. Der damals 25-Jährige lud gerade Bierkisten aus seinem Getränkemarkt hinterm Haus in seinen Hanomag-Laster. Da hörte er ein seltsames Brummen vom Flugplatz her.
„Der Fliager is scho kumma, aber sehr nieder“, sagt er und fährt mit seiner Hand über die Tischplatte.
Wiesent hievte sich ins Führerhaus und rumpelte über Feldwege durch Pferdekoppeln zum zerrissenen Flugzeug. Es war still. Kein Rauch. Richard sah die Stewardess, den aufgerissenen Rumpf, die Toten im Schnee und die Hand des Piloten, die aus dem Cockpit hing. Nur seine Frau auf der anderen Seite sah er nicht.
Richard roch den beißenden Gestank des Flugbenzins auf dem Boden.
Richard hörte die Sirenen. Feuerwehr, Notarzt und Polizei waren unterwegs. Er stieg in den Laster und räumte den Feldweg. „Die Krankenwagen standen bis zur Kirche“, sagt Christine. „Man musste sich die Ohren zuhalten.“
Jedes Jahr erinnert sich Manchester an diese Katastrophe. Auch in München findet heute um 14. 30 Uhr eine Zeremonie am Unfallort statt. OB Christian Ude und Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge halten Reden am Gedenkstein. Hunderte Manchester-Fans werden erwartet. Sie wollen ein Gedicht zu Dudelsackmusik vorlesen. Ihrer toten Spieler gedenken. Und der traurigsten Stunde ihres Vereins.
Der 6.Februar 1958 mit seinen 23 Toten war auch der Beginn des Mythos Manchester United. Trainer Matt Busby, selbst ein Überlebender, spielte mit der Restmannschaft, darunter Weltmeister Bobby Charlton, weiter. 1968 gewann er den Europacup. Seitdemist „ManU“ eine Legende. Der Preis war hoch. Thomas Gautier