Studentendemo in München: Friedlich, fröhlich aber politisch

Einen „heißen Herbst“ versprechen die Studenten und ziehen zu tausenden durch die Münchner Straßen. Doch es geht nicht nur um Studiengebühren - auch die Schüler protestieren
von  Abendzeitung
Protest am Siegestor: Mehrere tausend Studenten zogen am Dienstag durch München.
Protest am Siegestor: Mehrere tausend Studenten zogen am Dienstag durch München. © AP

MÜNCHEN - Einen „heißen Herbst“ versprechen die Studenten und ziehen zu tausenden durch die Münchner Straßen. Doch es geht nicht nur um Studiengebühren - auch die Schüler protestieren

Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut.“ Der Slogan der Studenten. So zogen sie gestern deutschlandweit durch die Straßen. Auch in München versammelten sich mehrere tausend. Um 8.30 Uhr ging es auf dem Geschwister-Scholl-Platz vor der Ludwig-Maximilians-Universität los. Zu so früher Morgenstunde fanden sich aber zunächst mehr Schüler als Studenten ein. „Bis die mal aus dem Bett kommen“, kommentiert ein Polizist leicht sarkastisch das Geschehen. Doch der Protest nimmt heute ein anderes Ausmaß an. Einen „heißen Herbst“ verspricht der „Bildungsstreik München“ auf seiner Webseite.

Gegen 9 Uhr füllt sich der Vorplatz der Uni, auch die verschlafenen Studenten sind jetzt vor Ort. Mit Plakaten gegen die Studiengebühr, für mehr freie Bildung warten sie auf den Beginn der Demonstration. „Eine Demo mit Musik und Spaß“ wurde bei der Auftaktkundgebung gefordert. Noch ist es früh, noch rufen nur die Sprecher auf dem Wagen die Parolen. Vertreter aller Gruppierungen, die sich am Bildungsstreik beteiligen, melden sich zu Wort:

Es geht um die Abschaffung des achtjährigen Gymnasiums, um bessere Lernbedingungen für Auszubildende, gegen ein Bildungssystem nur für Reiche: „Lernen fürs Leben gilt nicht mehr. Es heißt nur noch: Lernen für den Beruf“, sagt einer. Schüler wie Studenten haben Zukunftssorgen.

Um kurz nach 10 Uhr zieht die bunte Truppe los: Manche haben sich einen überdimensionalen Schulranzen auf den Rücken geschnallt, hier läuft der BWLer neben dem Sozialpädagogikstudent. Auch Eltern sind mit dabei. So wie Renate Bayer. Die Verwaltungsangestellte begleitet ihren elfjährigen Sohn, der heute nicht zur Schule geht. „Ich bin dagegen, dass die Schule ein Rekrutierungsfeld wird.“ sagt sie.

Die Demonstranten machen mit Trillerpfeifen und Megaphonen auf sich aufmerksam und blockieren an der Münchner Freiheit den Verkehr. Die Mehrzahl der Plakate richtet sich gegen die Studiengebühren.

Dagegen geht auch Philipp Sajnovits auf die Straße. Der 21-Jährige studiert Japanologie. „Meine Eltern sind getrennt, meine Mutter hat nicht viel Geld. Ich musste fast mein Studium abbrechen, weil ich nicht wusste, wie ich es finanzieren soll.“ So wie ihm geht es vielen an diesem Morgen. Dominik Kunisch studiert im ersten Semester Medizin. Ohne seinen Nebenjob als Rettungsdienstfahrer könnte er sich sein Studium nicht erlauben. „Wenn Milliarden für die Landesbank da sind, da müsste auch etwas für die Bildung da sein,“ sagt er.

Trotz der friedlichen Stimmung ist die Wut der Studenten zu spüren. Einige haben sich das Konterfei des Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) auf den Hinterkopf geklebt. Ihn machen sie für die Bildungsmisere verantwortlich.

Im Laufe der Demonstration schließen sich immer mehr Menschen dem Zug an. Den Hauptteil machen die Studenten aus, doch auch die Schüler sind zahlreich dabei, sie haben ihren Spaß im Ernst. Nach Schätzungen der Polizei sind zu Spitzenzeiten 7000 Protestler unterwegs. Das sind deutlich mehr als bei vergangenen Demonstrationen.

„Die letzten Demonstrationen waren mir zu linksradikal“, sagt eine Theologiestudentin, die heute das erste Mal dabei ist. Die Demonstranten rücken in die Mitte, und sie rücken zusammen. Seit der Besetzung des Audimax vergangene Woche hat sich der Protest deutlich gewandelt, er ist stärker geworden.

Als der Demonstrationszug am Giselagymnasium in der Arcisstraße vorbei kommt, wird es laut. „Lasst das Glotzen sein, reiht euch in die Demo ein“ schreien die Demonstranten den Schülern zu, die aus dem Fenster schauen. Viele Demonstranten setzen sich auf die Straße, es gibt Jubel, als vereinzelt ein paar der Schüler aus dem Gebäude kommen, um sich spontan anzuschließen. Gegen 13 Uhr kommen die Demonstranten wieder an der Universität an. „Bildung für alle und zwar umsonst“ rufen sie immer noch. Mitorganisator Malte Pennekamp: „Es war friedlich, fröhlich und dennoch politisch. Jetzt muss die Politik reagieren.“

Nadja Lebkuchen

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.