"Wie bei Asterix und Obelix": Sensationsfund in München-Feldmoching – 2.300 Jahre altes Keltendorf entdeckt
München – Wir befinden uns im Jahre 300 vor Christus. Ganz Bayern ist NOCH NICHT von den Römern besetzt. Aber was sich auf dem Acker am Lerchenauer Feld im Norden Münchens abspielt, sieht wohl aus, wie das, was wir aus der Zeit um 50 vor Christus vom berühmten gallischen Dorf von Comicautor René Goscinny und seinem Zeichner Albert Uderzo kennen.
"Da steht eine Ansammlung von kleinen, aus Holz gebauten Fachwerkhäusern, die Dächer sind mit Stroh gedeckt", so malt das Bayerns oberster Denkmalpfleger Mathias Pfeil für die AZ aus, der am Mittwochvormittag mit Kommunalreferentin Kristina Frank in dem Acker steht.

"Wie bei Asterix und Obelix": Keltendorf in München entdeckt
"Da ist ein Gewurl an Menschen, die bestickte Kleider und Felle tragen, da sitzen Kinder in der Wiese, da stehen zottelige Kühe herum. Da hört man Frauen kochen und weben und Wasser aus dem Brunnen holen und einen Schmied hämmern. Und wahrscheinlich kommen gerade ein paar Leute von der Wildschwein-Jagd heim. Eigentlich genau wie bei Asterix und Obelix", sagt er und muss ein bisschen lachen dabei.
Es ist eine kleine Sensation, was Archäologen im vergangenen Jahr auf dem 23 Hektar großen Baufeld südlich des Ortskerns von Feldmoching unterm Rasen gefunden haben – ehe die Bayerische Hausbau mit Concept Bau und der Stadt München dort ein Neubau-Viertel mit 1700 Wohnungen, Schule, Kitas und mehr errichtet.
"Keltmoching" am Lerchenauer Feld: Zeugnisse aus 2300 Jahren Geschichte
Es ist das erste vollständige und zusammenhängende Keltendorf in München, um die 2300 Jahre alt. Quasi ein "Keltmoching". Die späte Eisenzeit (450 bis 15 vor Christus) ist die Zeit der keltischen Latènekultur. "So eine Chance haben wir selten", sagt der Archäologe und Grabungsleiter Carl Göderz, "dass wir ein so großes Baufeld am Stück zusammenhängend untersuchen können, anstatt oft nur einzelne kleine Baulücken."

Sein Team ist im nördlichen, etwa sechs Hektar großen Teil des Geländes auf Dutzende Löcher von Holzpfosten gestoßen, die heute als kreisrunde dunkle Flecken im hellen Kies zu erkennen sind. Es sind die letzten Überreste von keltischen Häusern, die gebaut waren wie kleine Fachwerkhäuser, sieben bis 100 Quadratmeter groß. Neben jedem der Häuser ist wohl ein kleiner Schuppen auf Stelzen gestanden, um etwa Getreide und andere Lebensmittel sicher zu lagern.
Rund 500 Menschen haben in der Keltensiedlung in Feldmoching gelebt
Rund 500 Männer, Frauen und Kinder dürften im Dorf gelebt haben, eine enorme Zahl für diese Zeit. Und in der Mitte der Siedlung stand ein großes Gebäude, 20 Mal 20 Meter groß, mit säulenartigen Holzarkaden drumherum. "Dort werden die Dorfbewohner sich versammelt haben, vielleicht auch für Andachten", sagt Matthias Pfeil, "man kann es sich vielleicht wie eine Art Rathaus vorstellen."

Erstaunlich ist, dass im Keltendorf sogar drei Gräber erhalten sind. Ein Mann und zwei Kinder sind an den Häusern beerdigt worden. "Wir wissen so gut wie nichts über die keltischen Totenbräuche, weil man in der Regel keine Grabanlagen findet", sagt Pfeil. "Diese Toten hier sind vielleicht besondere Menschen gewesen." Staunen kann man auch über Fundstücke wie eine orangefarbene Schichtaugen-Glasperle, die wohl als Schmuck getragen worden ist. Oder eine Sicherheitsnadel aus Bronze, die fast genauso geformt ist, wie man das heute auch noch macht.
Im südöstlichen Teil des Areals fanden Archäologen außerdem eine Römersiedlung
Aber nicht nur die Kelten (die urplötzlich aus Bayern verschwunden sind, man weiß bis heute nicht, warum) haben auf dem Lerchenauer Feld Dorf-Spuren hinterlassen. Sondern auch die Römer, die später kamen.
Im Südostteil des Areals haben die Archäologen eine kleinere Römersiedlung entdeckt, etwa aus dem Jahr 300 nach Christus, mit Hausgrundrissen, Brunnen und vier Gräbern. In einem der Brunnen ist eine spätantike Email-Fibel erhalten geblieben, also eine Art Schließe, die vielleicht mal jemand beim Wasserholen verloren hat. In einem Grab lag eine feinst gearbeitete Bronzeschnalle, auch ein Trinkbecher aus Speckstein und eine Keramikkanne sind mit begraben worden.
Die Stadt München fördert die Ausgrabung finanziell – bald kommt hier eine Neubausiedlung hin
2800 Befunde und über 100 Hausgrundrisse zählen die Archäologen, die vor einem Jahr gestartet sind – bis jetzt. Aber es ist erst Halbzeit bei dieser Grabung, für die Bauträger und Stadt bislang rund eine Million Euro bezahlt haben. Die zweite Hälfte des Geländes (vorwiegend an den Rändern) wird in den nächsten Monaten untersucht, der Grabungsleiter rechnet mit weiteren schönen Fundstücken.
All das wird zuerst im Landesamt für Denkmalpflege unter die Lupe genommen, ehe es in die Archäologische Staatssammlung wandert. 2024 sollen Planierraupen, Bagger und Kräne anrollen, bis die Neubausiedlung fertig ist. Wir befinden uns dann im Jahre 2032 nach Christus – und dann ist es Zeit für eine neue Geschichte.