Vater tot: Sohn klagt Polizei an
Sendling - Zur Gartenmesse nach München ist Michael Eichfelder gerne gefahren. Seinen Bamberger Traditionsbetrieb hat der 59-jährige Gemüsegärtner zwar schon vor sieben Jahren an seine zwei Söhne abgegeben. Aber was es Neues gibt, das wollte er freilich trotzdem wissen, auch heuer wieder.
Der Ausflug nach München endete dieses Mal tödlich. Am Montag starb Michael Eichfelder auf der Straße, mit Handschellen gefesselt, das Gesicht auf dem Boden, vor den Augen seiner Ehefrau – und mehrerer Polizisten.
Die Münchner Polizei spricht von einem tragischen Unfall. Die Hinterbliebenen wollen sich damit aber nicht zufrieden geben, denn die Beschreibungen dessen, was genau am Montagvormittag in Mittersendling passiert ist, sind unterschiedlich.
Laut Polizeibericht war es so: Montag, gegen 10.50 Uhr in der Heckenstallerstraße, ein Auffahrunfall. Michael Eichfelder ist schuld, er ist mit seinem BMW einem vor ihm bremsenden Auto aufgefahren. Der Unfall geht glimpflich aus: mittlerer Sachschaden an beiden Autos, niemand ist verletzt. Die Polizei nimmt den Unfall auf. Zwei Beamte und eine 20-jährige Praktikantin sind vor Ort.
Da rastet Michael Eichfelder aus. Er schlägt einem Polizisten die Autotür ans Bein und schubst seine Frau, weil sie ihn beruhigen will. Als die Polizisten dazwischen gehen, greift er sie an, würgt einen der Beamten. Die Polizisten wehren sich, drücken Michael Eichfelder auf den Boden, legen ihm Handschellen an. Während der Fixierung erleidet Michael Eichfelder einen Kollaps. Er stirbt. Sofort wird er entfesselt. Ein Arzt, der gerade zufällig anwesend ist, will ihn wiederbeleben, schafft es aber nicht. Der Notarzt kann wenig später nur noch den Tod feststellen.
Anzeichen dafür, dass die Polizisten zu brutal waren, gebe es nicht, sagt der Münchner Polizeisprecher Wolfgang Wenger. „Die Obduktion des Mannes hat ergeben, dass er eines natürlichen Todes gestorben ist.“ Hinweise darauf, dass Michael Eichfelder erstickt sei, gebe es nicht. Der 59-Jährige habe massive Vorerkrankungen an Herz und Lunge gehabt, die für seinen Tod verantwortlich seien.
Die Familie des Toten will das nicht glauben. Einer der Söhne, Hans-Jürgen Eichfelder, erzählt der AZ eine andere Version des Vorfalls – die Sicht seiner Mutter Marianne, die zuschauen musste, wie ihr Mann vor ihr auf der Straße stirbt. Die 60-Jährige bestreitet, dass ihr Mann aggressiv war. Er habe weder sie geschubst, noch habe er einen Polizisten gewürgt. Herumgefuchtelt habe er, ja. Aber da müssten Polizisten doch andere Wege der Deeskalation kennen, als so brutal zu werden, meint sie. „Sie haben ihn auf den Boden gedrückt und gefesselt.“ Ein Polizist habe ihren Mann mit „du Arschloch“ beschimpft. Die junge Frau, die bei den Beamten dabei war, habe recht ungeschickt versucht, seine Füße zu fesseln.
Ein Polizist habe den Kopf ihres Mannes mit dem Knie auf die Straße gedrückt. Vier bis fünf Minuten lang sei er gefesselt gewesen. Als sie den Kollaps bemerkten, hätten sie ihn umgedreht. „Da hatte er einen knallroten Kopf, seine Brille war zerbrochen und er hatte Kiesel im Mund.“
Die Familie will Anzeige erstatten. Sie will wissen, ob die Polizeibeamten schuld sind am Tod von Michael Eichfelder. Denn was die Polizei über seine Vorerkrankungen sagt, stimme so nicht. „Er hat letzte Woche ein 24-Stunden-EKG machen lassen. Ohne Befund, sein Herz war gesund“, sagt Hans-Jürgen Eichfelder. „Seine Schlaganfälle sind zehn Jahre her. Er hatte eine Lungenkrankheit vom Rauchen, ein Spray gegen Atemnot hatte er dabei.“ Es sei ihm bei der Fixierung sogar aus der Hemdtasche gefallen, sagt die Mutter.
Die Familie hat den Leichnam des Vaters ein zweites Mal obduzieren lassen. Ein Ergebnis liegt noch nicht vor.
Polizeisprecher Wolfgang Wenger sagt zu der angedrohten Anzeige: „Die Münchner Polizei hat vollstes Verständnis dafür, dass die Familie überprüfen will, was passiert ist. Es bleibt aber bei unserer Darstellung des Vorfalls. Die hat auch ein unabhängiger Augenzeuge bestätigt.“
Michael Eichfelder wurde am Donnerstag auf dem Bamberger Friedhof beerdigt.