In der Morgendämmerung schäumte das Bier!

Vor 55 Jahren hat AZ-Leserin Ursula Maier für zwei Jahre in München gelebt - noch heute denkt sie an diese Zeit. Hier schreibt sie, was sie erlebt hat.
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Die Mathäser Bierstadt weckt bei vielen Münchnern Erinnerungen.
AZ Die Mathäser Bierstadt weckt bei vielen Münchnern Erinnerungen.

Vor 55 Jahren hat AZ-Leserin Ursula Maier für zwei Jahre in München gelebt - noch heute denkt sie an diese Zeit. Hier schreibt sie, was sie erlebt hat.

Altstadt - Es war Anfang der 1960er-Jahre. Ich war frisch verheiratet und hatte einen kleinen Sohn. Meinen Mann kannte ich schon seit der Schule. Er lebte in Miesbach, ich am Schliersee. Jetzt studierte er in München. Ich hatte im Hotelfach gelernt und mich ein wenig im Ausland umgeschaut.

Jetzt wieder zuhause wohnte die ganze große Familie unter einem Dach. Geld musste ich auch verdienen und ich so ging ich noch in München zu Hertie am Bahnhof.Mein Mann hatte einen großartigen Studentenjob bei der Bundeswehr gefunden. Die Bundeswehr war gerade gegründet worden und fand wenig Anklang bei den Bürgern.

Der Standortkommandant von München wollte das ändern. Der Chef hieß auch Maier und waren mein Mann und sein Chef der kleine Maier und der große Maier ein hervorragendes Team.

Der große Maier - also der Chef - wollte zuerst seine Rekruten aus ganz Deutschland in München heimisch machen und sie sollten sich auch in der Freizeit nicht langweilen. Mein Mann organisierte massenhaft Eintrittskarten zu billigen Preisen.

Die Höhepunkte waren Faschingsbälle im Deutschen Theater. Aber 100 Soldaten auf einem Ball ohne Partnerinnen? Es gab genug Firmen und Schulen, wo junge Damen arbeiteten ohne feste Partner. Mein Mann lud sie alle gratis auf die Bälle ein.

Mein größtes Erlebnis war ein Valentisball im Deutschen Theater. Wir beide saßen am Ehrentisch mit Künstlern und Promis.

Mein einziges kleines Schwarzes, das drei bis vier Mal die Woche herhalten musste, wurde aufgemotzt durch den einzigen wertvollen Schmuck meiner Großmutter. Ich machte keine schlechte Figur.

Einer der Promis war Herr Georg Reiss, Chef der Mathäser Bierstadt. Gegen Morgen lud er uns alle auf eine Weißwurstrunde in sein Lokal ein. Eine stattliche fröhliche Gruppe zog in der Morgendämmerung durch die Stadt.

Bei unserer Ankunft wurde in Windeseile eine schöne Tafel für uns gedeckt, dann schäumte das Bier und es gab Weißwürste ohne Ende. Es entstand eine lebhafte Unterhaltung. Darauf wurden wir alle eingeladen, durch das Reich unseres Gastgebers einen Rundgang zu machen.

Es ging treppauf, treppab, durch Lokale jeder Größe, Küchen, Spülküchen, Lagerräume und Keller. Herr Reiss redete und redete.

Plötzlich schaute ganz verdutzt: "Jetzt weiß ich nicht mehr, wo wir sind", sagt er.

Zum Glück tauchte bald ein Nachtwächter auf, der uns wieder auf den rechten Weg brachte. Was haben wir gelacht, dass der Wirt sich in seinem eigenen Gasthaus verirrt hat.

Leider war das auch das letzte große Fest, das ich in München mitfeiern durfte.

Wir gingen nach Nürnberg - mir gefiel die erst halb wieder aufgebaute Stadt gar nicht. Aber bald hatten wir eine schöne Wohnung, noch ein Kind und gute Arbeit für die nächsten 30 Jahre. Mit der Zeit verflüchtigte sich mein Wunsch, nach München zurück zu kehren, wie der Nebel vor der Morgensonne.

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