Immer mehr Überfälle: Pasing macht sich Sorgen

Am Pasinger Bahnhof häufen sich Überfälle. Warum ist das so? Und was muss sich jetzt ändern? Eine AZ-Spurensuche vor Ort – zu Busfahrern und Imbissbetreibern. Und jungen Pasingern.
Jakob Mainz |
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Die Tankstelle an der Lortzingstraße ist ein Hotspot für Jugendliche.
Die Tankstelle an der Lortzingstraße ist ein Hotspot für Jugendliche. © Daniel von Loeper

Pasing - Es ist Mittag am Pasinger Bahnhof. Friedliche Mittagspausenzeit. Auch für den Busfahrer, der lässig an einem Stromkasten lehnt und eine selbstgedrehte Zigarette raucht. Doch er kennt den Vorplatz auch ganz anders.

Pasinger Bahnhof: Nachts treffen sich Gruppen von Jugendlichen

Um 3 Uhr, 4 Uhr nachts beginnt hier oft schon seine Schicht. Und das fühlt sich gar nicht so lässig an. Nachts sei ihm hier mulmig zumute, sagt er. Denn zuletzt würden sich vermehrt Gruppen Jugendlicher tummeln. "Schwarze Jacke, Kapuzenpulli."

Dass es ungemütlicher wird am Pasinger Bahnhof – das ist nicht nur ein vages Gefühl von Menschen wie dem Busfahrer, die hier tags und nachts zu tun haben. Der Bahnhof und sein Vorplatz sind in Verruf geraten. Immer wieder tauchen sie im Bericht der Münchner Polizei auf.

Körperverletzung, Raub, Bedrohung mit einem Messer

Zum Beispiel mit einer Messerattacke am Silvesterabend. Oder letzte Woche. Am Montag wurden zwei 17- und 18-Jährige am nahen Bolzplatz krankenhausreif geschlagen, am Abend wurden zwei Schüler am Bahnhofsvorplatz von Jugendlichen angesprochen, mit denen sie in den nahen Herrmann-Hesse-Weg gingen – wo eine große Gruppe Jugendlicher wartete, sie verprügelte und ausraubte.

Hier hat eine große Gruppe Jugendlicher Gleichaltrige beraubt.
Hier hat eine große Gruppe Jugendlicher Gleichaltrige beraubt. © Daniel von Loeper

Am Dienstag wurden zwei Jugendliche von vier Gleichaltrigen am Bahnhof angesprochen und an der nahen Tankstelle mit einem Messer bedroht. Ihnen wurden Wertsachen geklaut.

Die Tankstelle hat ab acht Uhr nur noch den Nachtschalter auf

Ist es hier wirklich gefährlicher geworden? Wie bedroht fühlen sich die Menschen vor Ort? Und was muss sich ändern? Diesen Fragen ist die AZ mehrere Tage am Bahnhof nachgegangen. Zum Beispiel an der nahen Esso-Tankstelle, wo sich eine Mitarbeiterin neulich körperlich gegen einen Betrunkenen wehren musste, und wo letzte Woche die Jugendlichen ausgeraubt worden sind.

"Am gefährlichsten sind die Klein-Dealer"

Mittags ist hier wenig los, die Mitarbeiterinnen haben Zeit zu sprechen. Ja, sagt eine bestimmt, die Lage sei zuletzt gefährlicher geworden. In den letzten drei, vier Monaten träfen sich nachts an der Tankstelle vermehrt Jugendliche, blockieren das Klo. Die 14- bis 16-Jährigen, "Klein-Dealer", wie sie sagt, seien am gefährlichsten. Eine These, die auch durch Angaben der Polizei untermauert wird. Beim Bolzplatz-Raub letzte Woche etwa war ein Täter gerade mal 14.

Die Tankstelle an der Lortzingstraße ist ein Hotspot für Jugendliche.
Die Tankstelle an der Lortzingstraße ist ein Hotspot für Jugendliche. © Daniel von Loeper

Viele Jugendliche führen ein Messer mit

Die Tankstellen-Mitarbeiterin sagt, viele hätten ein Messer dabei. Sie sorge sich auch um ihre Kolleginnen, die nachts nach Schichtende ihren Heimweg antreten müssen. An der Tankstelle hat man inzwischen auf die neue Situation reagiert. Schon ab 20 Uhr können Kunden nicht mehr in den Shop hinein, wo Mitarbeiter spätabends auch mal Konflikte mit größeren Gruppen lösen mussten. Die Tankstelle hat schon am Abend nur noch einen Nachtschalter geöffnet.

Probleme mit den Jugendlichen "geschäftsschädigend"

Die Lage am Bahnhof verändert das Geschäft – so ist das auch beim Thai-Imbiss am Rande des Bahnhofsplatzes. Der Inhaber klagt, die Probleme mit den Jugendlichen seien "geschäftsschädigend", spätabends bleibe Kundschaft weg, weil sich die Leute hier nicht mehr wohlfühlten. Er sagt, es brauche dringend mehr Sozialarbeit – aber auch mehr Polizeipräsenz am Bahnhof.

Die "Gewinner" der Schlägerei nehmen die Sachen mit

Wenn die Gewalt eskaliert wie so oft in den letzten Wochen, dann geht es offensichtlich meist um Konflikte zwischen Jugendlichen. Wie sehen junge Leute im Viertel selbst die Lage?

Drei Jugendliche warten nach Schulschluss auf ihren Bus. Einer erzählt den anderen gerade, wie eine Mädchen-Gruppe hier vorn am McDonalds am Mittwoch Ärger mit der Polizei hatte. Die Jungs geben sich entspannt, was die eigene Sicherheit betrifft. Aber klar, am Bolzplatz da drüben verabreden sich Gruppen, um zu schlägern. Die "Gewinner" würden die Verlierer dann noch abziehen, "damit sie halt mit Gewinn aus der Sache rausgehen." Pasinger Bahnhofs-Alltag. Pasinger Bahnhofs-Regeln.

"Mei, es geht momentan in eine schlechte Richtung."

Ein junges Paar, gebürtige Pasinger, kommt aus dem Bahnhof. Dennis ist 20, gelernter Lackierer, trägt eine braune Ledertasche – und sieht die Lage recht nüchtern. "Mei, es geht momentan in eine schlechte Richtung", sagt er. Seine Freundin Aylin ist 18 – und klingt deutlich besorgter. "Ich finde es schockierend mit der Zunahme an Schlägereien und Konflikten unter Jugendlichen in der Nähe vom Bahnhof." Seit einem Jahr, sagt sie, sei die Situation "angespannter".

"Mei, es geht in eine schlechte Richtung": Dennis (20) und Aylin (18) sind gebürtige Pasinger - und kennen die Lage am Bahnhof.
"Mei, es geht in eine schlechte Richtung": Dennis (20) und Aylin (18) sind gebürtige Pasinger - und kennen die Lage am Bahnhof. © Daniel von Loeper

Jugendliche verschmutzen Terrasse des Dönerimbisses

Auch Recep Yildiz hat gelegentlich Probleme mit den Jugendlichen. Er betreibt einen Dönerladen auf der Nordseite der Bahnhofspassage. Ab und zu würden Jugendliche nachts seine Terrasse verschmutzen, erzählt er der AZ. Andererseits: Irgendwie habe es doch hier schon immer mal Ärger gegeben, das sei nicht neu. Um sich mache er sich keine Sorgen.

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Es fehlen Angebote für Jugendliche

Persönlich bedroht fühlt sich auch Annette Litschke nicht, die mit ihrem Hund am Vorplatz spazieren geht. "Das Einzige, was mich stört, ist, dass die Jugendlichen manchmal respektlos gegenüber Älteren sind", sagt sie. Was in Pasing fehle, sagt sie, sind Einrichtungen, wo sich Jugendliche auch abends treffen können.

Annette Litschke sagt, es brauche mehr Angebote für Jugendliche.
Annette Litschke sagt, es brauche mehr Angebote für Jugendliche. © Daniel von Loeper

Auch im Winter sitzt Ante Susnjar vor dem Café Alex. Kaffee, Zigarette, seinen bulligen Hund an der Leine. "Mir tun sie nichts", sagt er überzeugt. Stress gebe es eh überall und am Hauptbahnhof sei es doch schlimmer. Andererseits: Er sei schon froh, dass sein jüngerer Bruder jetzt endlich eine Freundin habe. Und sich nicht nachts am Pasinger Bahnhof rumtreibe.

Ante Susnjar (26) macht sich persönlich überhaupt keine Sorgen.
Ante Susnjar (26) macht sich persönlich überhaupt keine Sorgen. © Daniel von Loeper

So richtig unbesorgt ist in diesen Wochen in Pasing eben keiner. Nicht mal der entspannte Mann mit dem bulligen Hund.

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76 Kommentare
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  • Witwe Bolte am 12.01.2023 17:05 Uhr / Bewertung:

    Vom Typ "Mehmet" dürfte es heutzutage in M viel mehr geben als damals. Heissen Intensivtäter und die Poliz.statistik darüber besagt, dass es nicht weniger werden. Hauptsächlich junge Männer in der Kartei.
    Und dass Schüler ihre Lehrerin in der Schule abstechen wegen einer Nichtigkeit: kann mich an keinen ähnlichen Fall in D erinnern. Amokläufe gabs allerdings einige durch Jugendliche, die meisten in den letzten 25 Jahren.
    Und neuerdings fast tägliche Messerattacken in M: früher sehr viel seltener.
    Die Flut von Kinderpornos ist erst seit Erfindung des Internets hochgeschwappt. In den 80/90ern kaum ein Thema.

  • Dr. Schönfärber am 12.01.2023 18:07 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Witwe Bolte

    Der Schüler der seine Lehrerin mit Messerstichen tödlich verletzt hat war der Deutsche Sinan B.

  • Witwe Bolte am 12.01.2023 18:39 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Witwe Bolte

    Das ist die verrutschte Antwort an "Hanswurst", sein Kommentar ganz am Ende, also unten.

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