Hänsel und Gretel: Happy End zum Wochenstart

Jahrelang hat die Chefin einer Privat-Kita um den Fortbestand ihrer Einrichtung gebangt. Jetzt zeichnet sich doch eine Lösung ab.
von  Anne Kostrzewa
Privat-Kita "Hänsel und Gretel"
Privat-Kita "Hänsel und Gretel" © Petra Schramek

Harlaching Endlich ein Happy End für „Hänsel und Gretel”? Nach über fünf Jahren zeichnet sich im Drama um die Privat-Kita in Harlaching eine Lösung ab – ein weiter Weg. Besonders für die Trägerin. Katrin Fromm kann ihr Glück kaum fassen. Jahrelang hatte die unsichere Zukunft ihres Kindergartens sie in Atem gehalten, nun liegt erstmals ein Lösungsvorschlag auf dem Tisch, der ihrer Kita eine reelle Chance gibt.

Bis Freitag sah es für „Hänsel und Gretel” noch düster aus. Fromm sollte entscheiden, ob sie ihr pädagogisches Konzept aufgibt, eine Millionensumme investiert oder den Kindergarten schließt – das Sozialreferat hatte ihr bis Jahresende Zeit gegeben, eine der Optionen zu wählen und damit auch über die Zukunft der fünfzig Münchner Familien zu entscheiden, die ihre Kinder in der Harlachinger Kita betreuen lassen.

Der Vorschlag, über den nun verhandelt wird, würde Fromm eine deutlich geringere Summe abverlangen – und sie könnte ihre Kita so weiterführen, wie die Kinder es kennen, wie die Eltern es schätzen: mit einem intensiven Förderangebot und einer familiäre Atmosphäre durch überdurchschnittlich viele Betreuerinnen.

Doch der Weg bis hierher war lang. Die Geschichte dahinter belastet Katrin Fromm seit 2004. Damals bekam sie vom Schulreferat den Tipp, ihre zehn Krippen- und 40 Kindergartenkinder auf zwei Gruppen aufzuteilen, um gezielter staatliche Förderungen beziehen zu können.

Das Kita-Haus in der Wunderhornstraße 9 verfügt über zwei Stockwerke. Eine Gruppe in der oberen Etage unterzubringen, erschien Fromm deshalb unproblematisch.

Doch das setzte zusätzliche Fluchtwege voraus. Fromm engagierte auf eigene Kosten einen Statiker, der feststellte, dass die nicht ohne weiteres gebaut werden konnten. Neue Stahlträger mussten her, der Umbau verschlang 100000 Euro. Vom Vermieter, der vom Sozialreferat verwalteten „Gottfried und Lina Fischer-Stiftung”, gab es keine finanzielle Unterstützung. Im Gegenteil: „Um eine weitere Mietverlängerung zu bekommen, bekamen wir die Auflage, auch die Außenfassade und die Fenster zu restaurieren”, erinnert sich Fromm.

Rechtlich gesehen hätte sich die Stiftung um derlei Maßnahmen selbst kümmern müssen. „Das wusste ich aber nicht”, räumt Fromm ein.

Seit dreizehn Jahren arbeitet sie schon für die Kita, „aber noch nie hat die Stiftung irgendwas an dem Haus gemacht”.

Das 80 Jahre alte Gebäude ist in einem so maroden Zustand, dass bei Regen sogar der Keller vollläuft.

Die junge Mutter nahm also notgedrungen selbst einen Kredit für den Umbau auf, der sie fünf Jahre finanziell belastete und auch privat massiv einschränkte. „Wer schon einen so hohen Kredit hat, bekommt ja von der Bank keinen zweiten.”

Im Gegenzug für ihre hohen Investitionen forderte sie Sicherheiten: „Die Verträge wurden immer für fünf Jahre verlängert. Nach dem Umbau habe ich um eine längere Mietdauer gebeten.”

Eine derartige Sicherheit konnte ihr das Sozialreferat aber nicht geben. Denn auf Beschluss des Stadtrats mussten noch im selben Jahr alle städtisch verwalteten Stiftungen auf ihre Rentabilität überprüft werden.

Das verheerende Ergebnis: Das Grundstück in der Wunderhornstraße rechnet sich überhaupt nicht. Ein Verkauf wäre rentabler, dazu der Abriss des Hauses – das sichere Aus für die Kita.

Doch Harlaching ist ohnehin unterdurchschnittlich mit Betreuungsplätzen versorgt (siehe Kasten). Die Schließung einer Kita wäre hier besonders problematisch. Katrin Fromm bot wiederholt an, mehr Miete zu zahlen, damit sie bleiben kann. Doch ihre Angebote wurden abgelehnt. Ein Verkauf des Grundstücks schien unabwendbar.

Was Katrin Fromm noch heute am meisten ärgert: „Schon vor den teuren Baumaßnahmen hätte man uns sagen müssen: Achtung mit Investitionen, die Zukunft des Kindergartens ist nicht mehr gesichert.”

Erst auf Druck des zuständigen Bezirksausschusses fand das Sozialreferat eine andere Lösung: Das Schulreferat (mittlerweile Referat für Bildung und Sport) sollte das Gelände pachten, die Stadt also die Negativbilanz der Stiftung kompensieren. Katrin Fromm wurde informiert, dass sich für sie dadurch nichts ändere, alles nur reine Formalie sei.

Fast zeitgleich erwirkte die Landtagsabgeordnete Julika Sandt (FDP) jedoch, dass das Kita-Haus 2010 unter Denkmalschutz gestellt wurde. Die Folge: Das Gelände wurde für die Stadt noch unrentabler, der zugesagte Preis musste neu verhandelt werden.

Katrin Fromm hangelt sich seitdem von einer Mietverlängerung zur nächsten. Statt wie bisher üblich für fünf Jahre, wurde ihr 2009 nur ein Jahr zugesagt, danach waren es drei Jahre, zuletzt gab es 14 Monate. Was als „reine Formalie” begann, belastet die Kita seitdem zunehmend. „Was soll ich den Eltern sagen?”, fragt Fromm. „Die müssen sich doch auf die Betreuung ihrer Kinder verlassen können.”

Noch im Januar 2013 versicherte ihr das Sozialreferat, nach wie vor bestehe der „uneingeschränkte Wille”, den Kindergarten zu erhalten. Unter welchen Bedingungen, das erfuhr Katrin Fromm aber erst im Februar: Pachtet das Referat für Bildung und Sport das Gelände, muss sie einer Betriebsträgerschaft auf Grundlage der Münchner Förderformel (siehe Kasten) zustimmen. Konkret hieße das: Die Stadt München würde den Kindergarten als städtische Einrichtung übernehmen.

Für Katrin Fromm auch im Rückblick eine Katastrophe: „Seit fünf Jahren ging es um die Verlängerung eines Mietvertrags – und dann auf einmal um die Fortführung unter veränderter Trägerschaft.”

Hätte sie das früher erfahren, hätte sie sofort ein neues Grundstück gesucht, sagt sie heute. Denn mit der Münchner Förderformel müsste Fromm den überdurchschnittlichen Betreuungsschlüssel in der Kita aufgeben: Sie müsste Erzieherinnen kündigen, dürfte den anderen nach Tarif nur noch weniger Gehalt bezahlen.

„Die Informationspolitik des Sozialreferats war wirklich katastrophal”, meint auch CSU-Stadtrat Manuel Pretzl. „Man hätte Frau Fromm schon vor drei Jahren reinen Wein einschenken können, hat dies aber nicht getan. Das ist doch unmöglich.”

Die zwei Alternativen, die das Sozialreferat ihr anbot, waren für Fromm ebenfalls alles andere als ideal: Sie hätte das Gelände mit einem so genannten Erbpachtvertrag selbst übernehmen können – eine Millionen-Investition. Die andere Option: Bis zum kommenden Jahr ein neues Gelände finden und gehen.

Auf wiederholte Nachfrage beim Sozialreferat erfuhr die AZ am Freitag überraschend, dass die Stadt nun einen neuen Lösungsvorschlag prüft: Ein Teil des Grundstücks könnte anderweitig verkauft werden, Katrin Fromm müsste also nur den Teil pachten, auf dem ihr Kindergarten steht – für sie ein „sensationeller” Kompromiss: „Zum ersten Mal scheint das Sozialreferat an einer realisierbaren Lösung für uns zu arbeiten”, jubelt sie. Nach Jahren der Unsicherheit gibt es also endlich wieder Hoffnung für „Hänsel und Gretel”.

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