Das Habitat schwindet: Warum die Teiche trocknen

Ein Anwohner sorgt sich um das Habitat. Lässt die Stadt einfach zu, dass es verschwindet? Die AZ war vor Ort und erklärt, was dahinter steckt – und was es mit einer Amphibie zu tun hat.
Linda Jessen |
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Für die Wechselkröte betreibt Tobias Schiefer vom Baureferat der Stadt München eine Menge Aufwand.
Daniel von Loeper Für die Wechselkröte betreibt Tobias Schiefer vom Baureferat der Stadt München eine Menge Aufwand.

Untermenzing - Fast täglich läuft Helmut Sigl mit seinem Hund an dem Teich in der Angerlohe vorbei, Vögel und Fische tummeln sich, Insekten gibt es dort und wunderschöne Seerosen – sind die jetzt in Gefahr? Helmut Sigl befürchtet, dass der Teich bald verdurstet ist. "Ich lebe hier seit 45 Jahren, es waren mal drei Teiche – der schönste ist noch übrig", erzählt er der AZ. Doch seit einiger Zeit beobachtet Sigl, wie auch das letzte Biotop am Verschwinden ist.

Vor kurzem rief er dann die Feuerwehr – die goss mit einem Löschzug 5.000 Liter Wasser in den durstigen Teich. "Es war wirklich toll, wie unkompliziert das geklappt hat. Aber die Männer haben mir klar gesagt: In ein paar Tagen schaut das wieder so aus, es bräuchte eher 15.000 Liter für den Teich."

Die Wechselkröte: Vom Aussterben bedroht

Besuch vor Ort: Ein kleiner blassblauer Schmetterling flattert um die kräftig gelbe Blüte des Hufeisenklees, der hier wächst. "Das ist ein Idas-Bläuling, der braucht diese lückenhaften Magergrasflächen", erklärt Tobias Schiefer vom Baureferat der Stadt München. Als studierter Landschaftspfleger kümmert er sich um die Biotope und Ausgleichsflächen. Gleich zu Beginn stellt er klar: "Das Biotop besteht nicht, wie es viele Wahrnehmen, nur aus dem Teich, sondern aus 14 Hektar Fläche mit Magerrasen, Bäumen und Gewässern." 

Am Anfang war die Wechselkröte. Für dieses Tier, das in Bayern vom Aussterben bedroht ist, betreibt Schiefer hier einigen Aufwand. Teiche werden angelegt – und wieder ausgetrocknet. Der Teich, um den Helmut Sigl sich sorgt, führt ganz ordentlich Wasser, die Goldfische schnappen nicht nach Sauerstoff, sondern flitzen munter hin und her. Und sind mit ein Grund, warum die Kröte hier nicht mehr länger wohnen kann.

Lebensräume, die sich verändern

Wie der Name schon erahnen lässt, braucht die Wechselkröte, wie viele andere Tiere, die hier leben, dynamische Lebensräume, also solche, die sich verändern. Denn mit der Zeit setzen sich im Teich Libellen und ausgesetzte Goldfische als Fressfeinde durch – die Kröte wandert dann bis zu zehn Kilometer, um ein sicheres Gewässer zum Laichen zu suchen. Zudem merkt sie, wenn schon zu viele Krötenkollegen hier ihre Eier abgelegt haben.


Für die Wechselkröte betreibt Tobias Schiefer vom Baureferat der Stadt München eine Menge Aufwand.

Dann lässt Tobias Schiefer manch einen Teich austrocknen. Das ist zwar schlecht für die Goldfische, allerdings sind die eh nicht in der Angerlohe heimisch. Zum Ausgleich entsteht in den trockenen Teichbetten dann der Magerrasen und der Idas-Bläuling flattert freudig mit den Flügeln. Aber wohin dann mit der Wechselkröte und anderen Wasserbewohnern? Für die hat Schiefer bereits einen Plan.

Drei neue Teiche für ein artenreiches Biotop

Etwa 200 Meter weiter sollen bis nächstes Jahr drei neue Teiche entstehen, teils mit Folie, teils mit einer Art Lehm abgedichtet – je nachdem, ob sie mittelfristig wieder austrocknen sollen oder nicht. Der Gesang eines Grünspechts klingt über die Fläche mit Gräsern und Wildblumen – er frisst am liebsten Ameisen, die er nur im kurz geschnittenen Gras finden kann. "Pro Quadratmeter haben wir hier etwa 90 bis 100 Pflanzenarten", sagt Schiefer.

Wie viele Insekten hier leben, das versucht er gar nicht erst zu zählen. Es ist ein hochkomplexes Ökosystem, für alle, die hier leben, soll es Bereiche geben. "Wir arbeiten zum Beispiel mit Schirmarten. Das sind Arten, die sehr anspruchsvoll sind und wenn es denen passt, dann kommen auch viele andere klar", erklärt er.

Helmut Sigl kümmert sich seit Jahren darum, dass sein geliebtes Stück Untermenzinger Spaziernatur nicht kaputt geht. "Ich sammle hier und im Wald mit einem Spieß den Müll ein und versuche Leute dazu zu bringen, nicht mitten durch’s Biotop zu trampeln", erzählt er. Damit übernimmt er quasi schon eine Patenfunktion. An der Angerlohe wird also kein Teich seinem Schicksal überlassen. Vielmehr wird der Mensch hier im Biotop, ganz im Sinne Rousseaus, zurück zur Natur geführt. Und wandert mit der Wechselkröte durch das Elysium.

Wie Bürger helfen können: Patenschaft fürs Biotop

Die Landschaftsplaner erstellen zwar die Konzepte für die Erhaltung der Biotope in der Stadt, aber sie können nicht ständig überall vor Ort sein. Wer mithelfen will, kann deshalb eine Patenschaft übernehmen.

Die besteht aber nicht aus finanzieller Unterstützung, sondern aus tatkräftiger Hilfe, wie hier und da den Müll aufzusammeln oder Hinweisschilder aufzustellen, damit er gar nicht erst in die Gegend geworfen wird.

Bei Interesse: E-Mail an gartenbau@muenchen.de oder telefonisch unter 089/233 603 29.

Lesen Sie hier: Erstmals nachgewiesen - Forscher entdecken im Bayerischen Wald zwei neue Pilzarten

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