"Boazn" an der Ludwigsbrücke: Münchens am längsten erwartete Kneipe

Acht Jahre nachdem Yilmaz Demir das ehemalige Klohäuschen unter der Ludwigsbrücke gemietet hat, kann seine Boazn nun endlich öffnen. Zu Besuch bei einem, der es nicht erwarten kann.
von  Helena Ott
Yilmaz Demir in seiner "Boazn". Mit der Frage, ob die Tür nach außen oder innen aufgehen muss, waren mehrere städtische Behörden lange beschäftigt.
Yilmaz Demir in seiner "Boazn". Mit der Frage, ob die Tür nach außen oder innen aufgehen muss, waren mehrere städtische Behörden lange beschäftigt. © Daniel von Loeper

Haidhausen - Die letzten acht Jahre haben Yilmaz Demir so viele Nerven gekostet, wie nichts sonst in seinem Leben. Der 47-Jährige hat Anträge geschrieben, mit Verwaltungsmitarbeitern diskutiert und viele Stunden handwerkliche Arbeit in sein Projekt gesteckt. 2015 startete er mit dem Ausbau des ehemaligen Klohäuschens, direkt in einem der Brückenpfeiler der Ludwigsbrücke, Baujahr 1901. Jetzt ist die Kneipe unterhalb des Müller'schen Volksbades so gut wie bereit für die Eröffnung. So gut wie, weil noch die finale Abnahme durch die städtischen Behörden am Dienstag aussteht.

Direkt unterhalb der Münchner Ludwigsbrücke wird die "Boazn" bald eröffnen

Gemeinsam mit seinem Sohn Silvan Demir und dessen Freundin Lea Seemüller, die die Geschäfte mit ihm gemeinsam führen, steht Yilmaz Demir nun auf der Terrasse seiner zukünftigen Kneipe "Boazn". Die Holzpaneele am Boden haben sie selbst abgeflammt. Sie setzen sich an einen der Tische, dicke Holzbretter in Stahlhalterungen. Das Terrassenmobiliar schmiegt sich in die Ecke zwischen Kneipeneingang und Steinpfeiler der Brücke, von Kettengliedern eingefasst.

Die Bauzeit von acht Jahren vergleicht Demir inzwischen mit gescheiterten Großbauprojekten wie dem Berliner Flughafen, Stuttgart 21 oder der Zweiten S-Bahn-Stammstrecke. Sicher ist es nicht leicht, aus einer 120 Jahre alten WC-Anlage in einer Brücke einen Kneipenraum nach allen Sicherheits- und Hygienestandards zu zimmern. Aber acht Jahre?

Acht Jahre dauerte der Umbau an der Ludwigsbrücke

"Alleine die Toiletten haben wir zweimal komplett ausbauen müssen." Die Feuchtigkeit sei nach innen gedrückt, sagt Demir, sodass sie erst noch Dränagen verlegen mussten. Neben dem alten Gemäuer waren es vor allem die Ansprüche diverser städtischer Behörden, warum so lange nichts voranging.

Demir nennt ein Beispiel: "Die einen sagen, die Eingangstüre muss nach außen aufgehen, wegen des Fluchtwegs." Eine andere Behörde habe aber darauf bestanden, dass die Türen, weil sie auf einen öffentlichen Platz führen, nach innen aufgehen. Wegen der Gefährdung von Passanten.

Eineinhalb Jahre hat alleine diese Einigung gedauert. Jetzt gehen die beiden kupfereingefassten Türen, in nautischer Anmutung, nach außen auf. Steht man auf der Terrasse, versteht man die Bedenken nicht recht, weil beide Türen mindestens drei Meter vom Laufweg von Fußgängern entfernt liegen.

Die Münchner Behörden haben zu wenig miteinander gesprochen

Auch die Terrasse habe Demir zweimal bauen müssen. Zuerst wurde beanstandet, dass kein fremdes Mobiliar auf öffentlichem Grund stehen dürfe. Irgendwann ging es doch, aber eben nicht ohne Extrarunde.

Solche Geschichten kann Demir fast vormittagsfüllend erzählen. Routiniert zählt er alle beteiligten Behörden auf: das Denkmalschutzamt, das Kommunalreferat, das Baureferat, das Naturschutzamt, das Straßentiefbauamt, das Amt für Straßenbau, die Lokalbaukommission, die Stadtwerke. Jede Behörde für sich, glaubt Demir, hätte versucht, ihre Arbeit richtig zu machen: "Aber die Absprachen untereinander haben hier schlecht funktioniert", sagt der Wirt.

Nun ist alles startbereit: Die Wände sind aus Waschbeton, der Tresen aus Holz und Kupferstreben

Er führt jetzt ins Innere und vor einem liegen 60 Quadratmeter Gewölbe. An den Wänden Waschbeton, der Tresen aus Holz und Kupferstreben. Die Decken beleuchten orange-rote Strahler. Ein bisschen fühlt man sich wie im Brutkasten, nur dass es angenehm kühl ist und ein bisschen nach altem Gemäuer riecht.

Der nostalgische Charme zieht sich durch. So heißt die Boazn mit vollem Namen auch immer noch "Öffentliche Bedürfnisanstalt", wie sie schon im frühen 19. Jahrhundert betitelt war. Übrig sind von der damaligen Nutzung nur zwei kleine Séparées mit Toiletten und kupferschimmernden Waschbecken.

Auch ein DJ-Pult gibt es in der "Boazn" an der Ludwigsbrücke

An der Wand hinter dem DJ-Pult zeigt eine kleine Ausstellung Postkarten der Ludwigsbrücke über das 19. Jahrhundert verteilt. "Die haben Lea und Silvan aus unterschiedlichen Ländern von Privatpersonen erstanden", sagt Demir. Und auf die dünnen Holzbretter der Speisekarten hat sein Sohn eigenhändig das Logo der Boazn mit einem Industrielaser gebrannt.

Das Bier in der neuen Münchner Kneipe kommt aus Niederbayern und hat ein eigenes "Boazn"-Etikett

Individualisiert ist auch das Bier, das eigene Etiketten hat, aber von einem niederbayerischen Brauer auch eigens auf die Wünsche von Demir abgestimmt wurde. Da die Boazn täglich schon um 10 Uhr öffnen soll, stehen auch verschiedene Varianten Frühstück auf der Karte. Weiter geht es mit Brotzeit, Würschtl oder Salaten. "Uns ist wichtig, dass die Lebensmittel hohe Qualität haben und immer frisch sind."

So hatte er sich das Konzept von Beginn an vorgestellt: "Ein individueller, persönlicher Ort, offen für jedermann." Als Wirt habe er den Anspruch, nicht nur Getränke und Brotzeit zu servieren, sondern die Leute auch zu unterhalten, sie zusammen zu bringen. "Die Münchner bleiben beim Ausgehen häufig unter sich, ich würde da gerne mehr Verbindungen schaffen", sagt Demir.

Die Öffnungszeiten sind ab 10 Uhr, deswegen wird es auch Frühstück geben in der "Boazn"

Die bevorstehende Eröffnung, das merkt man dem erfahrenen Unternehmer, der in München auch schon eine Sicherheitsfirma und ein medizinisches Labor aufgebaut hat, an, ist emotional aufgeladen. "Ich glaube, das wird sehr befreiend. Wenn alle Gäste weg sind, geb' ich mir erstmal die Kante", sagt Yilmaz Demir, der sich, wenn alles gut geht, in der ersten Juliwoche endlich Kneipenwirt nennen darf.


Öffnungszeiten: wochentags von 10 bis 1 Uhr nachts und am Wochenende von 10 bis 3 Uhr.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.