Interview

Stadtkämmerer Frey: Von notwendigen Preiserhöhungen und möglichem Sparpotenzial

Die Stadt macht Schulden, aber weniger als befürchtet. Hier spricht Kämmerer Christoph Frey darüber, warum Eintritte trotzdem teurer werden – und ob Stellen nachbesetzt werden.
von  Christina Hertel
Christoph Frey ist seit November 2018 Münchens Stadtkämmerer.
Christoph Frey ist seit November 2018 Münchens Stadtkämmerer. © Sigi Müller

München - Am Mittwoch entscheidet der Stadtrat, wofür er die nächsten Jahre Geld ausgibt, wie viele Schulden er macht und wo er sparen muss. Den Rahmen dafür steckt Kämmerer Christoph Frey (SPD).

Er schlägt in seinem Haushaltsentwurf vor, dass die Stadt 7,5 Milliarden Euro Schulden macht und 15 Milliarden Euro investiert. In welche Projekte die Stadt dieses Geld steckt und warum die Finanzlage doch nicht so schlecht ist, wie befürchtet, erklärt Frey in der AZ.

Christoph Frey.
Christoph Frey.

AZ: Herr Frey, die Haushaltslage der Stadt sei desaströs, hieß es. Im Sommer erwarteten Sie ein Minus von 286 Millionen Euro, daraus wurde im Winter plötzlich ein Plus von 272 Millionen. Wo findet man im Münchner Rathaus eine halbe Milliarde?
CHRISTOPH FREY: Ganz so viel ist es doch nicht. Wir werden bei einem Plus von 174 Millionen landen, weil wir doch noch mehr Geld in die Personalausstattung und das Contact Tracing stecken müssen. Trotzdem ist das ganz ordentlich - vor allem, wenn man bedenkt, von was für einem Minus aus wir gestartet sind. Die Münchner Wirtschaft ist offenbar unterm Strich gestärkt aus der Krise gegangen.

Unerwartet hohe Gewerbesteuereinnahmen

Sie erwarten Gewerbesteuereinnahmen auf Rekord-Niveau. Wie ist das möglich?
Dass wir 3,3 Milliarden an Gewerbesteuern einnehmen, ist vollkommen unerwartet. Aber das geht nicht nur uns in München so. In ganz Bayern sind die Gewerbesteuereinnahmen hoch. Das hängt damit zusammen, dass viele Unternehmen im ersten Krisenjahr 2020 offenbar sehr vorsichtig mit ihren Vorauszahlungen waren. Doch dann haben sie doch festgestellt, dass sie gar nicht so schlecht abgeschnitten haben. Deshalb haben wir noch Nachzahlungen erhalten. Gleichzeitig haben die Vorauszahlungen in einem viel größeren Umfang wieder eingesetzt.

Trotzdem wird von Schwimmbad-Eintritt bis ÖPNV-Ticket vieles teurer. Warum?
Die Stadt hat diese Preise viele Jahre lang nicht erhöht. Aber wenn man nachhaltige Finanzpolitik betreiben will, muss man die Preise moderat anpassen. Wir sind finanzpolitisch unerwartet gut durch die Corona-Krise gekommen. Allerdings müssen wir in München zwei weitere Krisen bewältigen: die Wohnungsmarkt-Krise und die Klimakrise. Beide erfordern massive Investitionen in den nächsten Jahren. Insgesamt werden wir 9,36 Milliarden Euro investieren. Deshalb muss aus dem laufenden Geschäft Geld übrigbleiben. Sonst ist dieser Schuldenberg nicht zu bewältigen.

Der Geldbeutel im Rathaus saß schon lockerer - aber insgesamt schlägt sich die Stadt in der Krise gut, sagt der Kämmerer.
Der Geldbeutel im Rathaus saß schon lockerer - aber insgesamt schlägt sich die Stadt in der Krise gut, sagt der Kämmerer. © D. Sessler/unsplash

Dafür nimmt München Schulden auf

Die Stadt nimmt mehr als eine Milliarde Schulden auf. Für was gibt sie dieses Geld aus?
Kommunen wie München dürfen nur für Investitionen Schulden machen und nicht, um das Personal zu bezahlen oder die Gebäude zu unterhalten. Den größten Teil - nämlich 40 Prozent der Investitionskosten - werden wir in die Bildungsinfrastruktur stecken. Zum Beispiel bauen wir einen großen Bildungscampus in Riem. Die Baukosten liegen bei annähernd einer Viertel Milliarde. Dort soll nicht nur Schulbildung stattfinden, sondern da wird auch die Volkshochschule Kurse abhalten und es wird Sportmöglichkeiten geben. Auch in die Verkehrsinfrastruktur stecken wir Millionen - etwa in die in die Verlängerung der U5 von Laim nach Pasing und in die Tram-Westtangente. Außerdem investieren wir massiv in die Vermeidung von CO2. Es wird zum Beispiel für private Hausbesitzer, die neue Heiztechniken verwenden, große Förderbeträge geben.

Trotzdem werden einige Schulsanierungen verschoben. Warum, wenn doch so viel mehr Geld da ist, als gedacht?
Von den 170 Millionen Überschuss könnte die Stadt gerade mal eine größere Grundschule bauen. Wir müssen aber Milliarden in den Schulbau stecken. In der Tat haben wir uns ausgelöst durch die Corona-Pandemie die Frage gestellt, ob sich die Maßnahmen noch finanzieren lassen. Deshalb haben wir Investitionen verschoben. Trotzdem sitzen keine Schüler in zu kleinen Klassenzimmern. Die Stadt ist mit der Schulbauoffensive sehr fulminant gestartet. Das hat dazu geführt, dass zum Beispiel in Pasing eine Schule fertig wurde, aber noch keine Schüler da waren.

Trotzdem schimpft die CSU, dass die Stadt zu viel in Fahrradwege und zu wenig in die wichtigen Bereiche investiert.
Ich kenne die Position im Haushalt nicht, wo diese massiven Mittel für den Radwegeausbau stehen sollen. In München gibt es die Nahverkehrspauschale von 20 Millionen Euro. Diese wurde auch mit Stimmen der CSU beschlossen. Alle bisherigen Maßnahmen und auch die für 2022 geplanten werden daraus finanziert. Da ist keine Ausweitung erfolgt. Natürlich baut die Stadt auch viele Radwege aus, wenn ohnehin die Straße erneuert wird.

Mitarbeiter der Stadt werden entlastet

Kritik gab es auch daran, dass keine Stellen mehr nachbesetzt wurden. Ist dieser Sparkurs jetzt beendet?
Für 2022 wird der faktische Stellenbesetzungsstopp ausgesetzt. Das ist für die Leistungsfähigkeit der Verwaltung notwendig. Viele Mitarbeiter haben deutliche Überstunden produziert, so dass jetzt eine Entlastung des Personals stattfinden muss.

In welchen Bereichen waren die Mitarbeiter am stärksten belastet?
In fast allen, weil wir zur Corona-Verfolgung Personal zur Verfügung stellen mussten. Gleichzeitig ist an vielen Stellen der Aufwand gestiegen, zum Beispiel, weil so viele Unternehmen Anträge auf Wirtschaftshilfen gestellt haben.

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Dafür gibt die Stadt 15 Milliarden aus

Mehr als 15 Milliarden Euro wird die Stadt in den nächsten fünf Jahren investieren. Ein großer Teil dieses Geldes wird in den Bildungssektor fließen: 3,7 Milliarden Euro investiert die Stadt in Schulen und Kindertagesstätten. Darüber hinaus hat der Stadtrat beschlossen, Schwerpunkte auf den Klimaschutz (jährliche Kosten von 169 Millionen) und auf das bezahlbare Wohnen (jährliche Investition 100 Millionen) zu setzen. Ein weiterer großer Kostenblock ist der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Alleine zwischen 2023 und 2025 sollen hier 327 Millionen dazukommen.

Mehr Siedlungen für München

Auch den Bau von Siedlungen setzt München fort. Wie aus der Beschlussvorlage der Kämmerei hervorgeht, sollen bis 2025 insgesamt 20.478 Wohnungen gebaut werden. Das macht es notwendig, dass die Stadt weiter in den Ausbau der Infrastruktur investiert. 404 Millionen Euro sind dafür eingeplant. Das wiederum führt zu Folgekosten etwa beim Personal.

Damit sich München all das leisten kann, muss die Stadt zwischen 2023 bis 2025 mindestens einen Überschuss von 400 Millionen im Jahr erwirtschaften, schreibt der Kämmerer in seinem Haushaltsentwurf. Gleichzeitig geht er davon aus, dass München in Zukunft mehr Fördergelder etwa für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs erhält.

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