St. Ursula in München macht Ärger: Anwohner beschweren sich über Kirche in Schwabing

Lichtverschmutzung ist ein Problem für Natur und Tiere. In Schwabing beschweren sich Anwohner beim Pfarrer, weil er seine Kirche nachts beleuchtet
Ruth Frömmer
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Der Turm und die Kuppel der Kirche St. Ursula am Kaiserplatz werden von innen beleuchtet, und zwar die ganze Nacht durch. Die einen finden es schön, den anderen ist es zu hell.
Der Turm und die Kuppel der Kirche St. Ursula am Kaiserplatz werden von innen beleuchtet, und zwar die ganze Nacht durch. Die einen finden es schön, den anderen ist es zu hell. © Hannes Magerstädt

München - In Schwabing ist die wunderschöne Kirche St. Ursula auch bei Nacht zu sehen. Das erfreut aber nicht alle. Rund 100 Anwohner haben sich zusammengetan und Gemeindepfarrer David Theil einen Brief geschrieben. Sie finden, das Beleuchten der Kirche sei Lichtverschmutzung und Energieverschwendung. Sie wünschen sich, dass das Licht um 22 Uhr ausgemacht wird.

Auch ein ungenutztes Baugerüst, das seit Jahren an der Kirche steht, stört die Anwohner, sie fragen sich, ob man das Geld dafür nicht sinnvoller verwenden könnte. Die AZ hat sich auf den Weg nach Schwabing gemacht und ein paar Anwohner in der Dämmerung getroffen.

Anwohner sprechen von "Verschwendung"

Die St.-Ursula-Kirche sei ein tolles Baudenkmal, die Beleuchtung störe sie nicht, sagt etwa Lydia Windemuth, die schräg gegenüber wohnt. Aber sie habe sich mit dem Thema Lichtverschmutzung und deren Schaden für die Umwelt beschäftigt. "Irgendwann gehen die Leute alle schlafen." Das Licht könnte man also um 22 Uhr abschalten, findet sie.

Auch Franz Josef Armstorfer kommt dazu. Er ist Architekt und hat auch schon für Kirchen gebaut. "Ich finde das eine völlige Verschwendung. Eine Beleuchtung bis 22 Uhr wäre ok, aber um 3 Uhr morgens braucht keiner das Licht." In seiner Wohnung sei es nachts so hell, dass er kein Licht brauche.

V.l.: Josef Armstorfer, Ingrid Welcker, Lydia Windemuth und Martin Oser. Vorne: Ebba (6) und Hund Emil.
V.l.: Josef Armstorfer, Ingrid Welcker, Lydia Windemuth und Martin Oser. Vorne: Ebba (6) und Hund Emil. © Hannes Magerstädt

Ingrid Welcker sorgt sich schon lange wegen der Beleuchtung. "Ich war die Erste, die gemeckert hat", erzählt sie. Sie wohnt nebenan, und schaut von ihrer Wohnung aus auf eine Terrasse mit zwei Kastanien. Früher hätten dort immer viele Vögel gezwitschert. "Aber seit ein paar Jahren ist dort kein einziger Vogel mehr."

Dass die Vögel nicht mehr vor Ingrid Welckers Haus piepen, kann durchaus von dem Licht kommen, meint Manfred Siering. Er ist Vogelexperte beim Bund Naturschutz und sagt: "Vögel mögen nachts im Dunkeln schlafen. Helligkeit ist auf jeden Fall schlecht".

Unter dem Licht leiden auch die Bäume

Gerade in der Brutzeit bräuchten die Tiere ein festes Territorium. Wenn es nachts nicht dunkel ist, suchen sie sich einen anderen Platz, weiß Siering. Und Zugvögel brauchen die Nacht, weil sie sich an den Sternen orientieren. Auch bei Insekten löst nächtliche Beleuchtung eine starke Desorientierung aus.

Nicht zuletzt die Bäume leiden, sagt Siering. Bei Nachtlicht "denken" sie, die Tage sind noch lang und werfen ihr Laub nicht ab. Dann werden sie vom Frost überrascht und gehen kaputt. Im Frühling fangen sie genau aus diesem Grund eher an, auszutreiben und knospen zu früh. "Wenn dann ein Frost kommt, erfrieren die Knospen", so Siering.

Und wenn schon Beleuchtung, dann wenigstens mit einem warmen Licht, sagt der Naturschutz-Fachmann. Gerade kaltes Licht sei besonders schlecht.

Der Münchner Pfarrer hat die Beleuchtung prüfen lassen

Die AZ hat auch Pfarrer Theil getroffen. Er versichert, dass er sich durchaus mit dem Thema Lichtverschmutzung befasst habe und die Beleuchtung von Experten geprüft worden sei. Theil sagt: "Die schlechten Auswirkungen für Natur und Tiere gibt es nur, wenn es sich um Streulicht handelt, also die Kirche angestrahlt wird."

Der Kirchturm und die Kuppel werden aber von innen mit einem kalten LED-Licht beleuchtet. "Das ist nicht anders, als wenn jemand in seinem Fenster das Licht an hat", so Theil. Regelmäßig gehe jemand auf den Turm und man stelle fest, dass dort keine Insekten verenden.

Pfarrer David Theil sagt, die Beleuchtung der Kirche wurde von Experten geprüft.
Pfarrer David Theil sagt, die Beleuchtung der Kirche wurde von Experten geprüft. © Foto: G. Henghuber

Anwohner Martin Oser war es, der die Nachbarn zusammengetrommelt und Unterschriften gesammelt hat. Er bleibt dabei: "Nicht alles, was dem Menschen gefällt, findet auch der übrige Teil der Schöpfung gut." Dass die Kirche nur von innen beleuchtet wird, stimme nicht. Sie werde zusätzlich auch angestrahlt.

Dabei, so Oser, hätte St. Ursula die Chance, mit dem nächtlichen Abschalten der Beleuchtung, ein Signal in München zu setzen, für alle anderen Gebäude, die unnötig beleuchtet sind. "Ganz abgesehen davon, wie viel Energie und Geld damit auch noch eingespart und für wohltätige Zwecke verwendet werden könnte."

Die Beleuchtung soll ein "Hoffnungslicht" darstellen

Dazu sagt der Pfarrer: "Wir verwenden Ökostrom", da schwanke zwar der Preis, aber eine Nachtbeleuchtung in der dunklen Jahreszeit koste im teuersten Fall zwei Euro.

Und: Die Kirche werde nachts aus einem guten Grund beleuchtet. Theil erzählt, dass die Gemeinde aus Rücksicht auf die Nachbarn schon vor Jahren nachts den Stundenschlag sowie das Morgengebetsläuten abgestellt habe. "Aber es gibt auch andere Menschen, vor allem Ältere", so Theil.

Menschen, die nachts wach liegen, die Schmerzen haben. Und die hätten ihm gesagt, dass sie es vermissen, die Turmuhr zu hören. So war die Idee der Beleuchtung der Turmstube und der Kuppel geboren: als "Hoffnungslicht". Das wolle er den Menschen auf keinen Fall nehmen.

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Pfarrer will die Anliegen der Anwohner von St. Ursula ernst nehmen

Das Gerüst sei - zumindest teilweise - nötig, erklärt Theil. Demnächst stehe eine Kernsanierung inklusive neuer Heizung und barrierefreiem Zugang der Kirche an. An der Ostseite wurde dafür eine Bestandsaufnahme gemacht.

Ob man das Gerüst bis zur Sanierung wieder abbauen kann, werde noch geprüft. An der Westseite der Kirche seien Fassadenteile locker gewesen, die mit einem Gerüst gesichert werden müssen. Trotz allem, Theil nimmt die Anliegen der Anwohner ernst und hat Martin Oser und seine Mitstreiter zum Gespräch eingeladen.

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43 Kommentare
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  • OnkelHotte am 27.11.2023 16:45 Uhr / Bewertung:

    Gab es nicht auch die story im hirschgarten: alle wollten dass das wasser in den brunnen läuft und nicht abgeschaltet wird und dann hat man sich über das plätschern des wassers beschwert und gegen die Verwaltung wegen nächtlichem lärm geklagt

  • Witwe Bolte am 27.11.2023 07:30 Uhr / Bewertung:

    Schaufenster werden doch auch nachts beleuchtet. Oder kann sich jemand den Kaufhof Marienplatz nächtens völlig dunkel vorstellen? Die sind auch Stromfresser.
    Beleuchtete Schaufenster dienen allerdings auch zur Einbrecher-Abschreckung.

  • Zuversicht am 26.11.2023 18:22 Uhr / Bewertung:

    Ist wirklich kleinkariert RotGrün-spiessig.

    Vorschlag: möglichst weit weg auf‘s Land ziehen und dann über Kirchenglocken oder das Krähen des Hahnes beschweren.

    Wer in der Großstadt leben will der kann sich gegen Lichteinfall selbst schützen. Wer es positiv sieht kann den wunderbaren Blick von der Wohnung auf eine beleuchtete Kirche genießen.

    Kompromiss könnte auch die Ausschaltung der Beleuchtung um 24 Uhr und die Einschaltung im Winter um 6:30 Uhr früh sein.

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