Sexuelle Übergriffe: Ex-Präfekt muss lange ins Gefängnis
Was der junge Mann im Zeugenstand über die Übergriffe seines ehemaligen Ettaler Präfekten berichtete, überraschte alle Prozessbeteiligten. Die Schilderungen des sexuellen Missbrauchs gingen plötzlich bis hin zum Oralverkehr und damit weit über die Vorwürfe der Anklage vom Frühjahr 2015 hinaus.
Jürgen R. (46) wurde damals zwar wegen Missbrauchs von Schutzbefohlenen zu 22 Monaten auf Bewährung verurteilt. Doch die neuen und viel schwerwiegenderen Vorwürfe des Opfers Peter F. (25, Name geändert) machten dieses Urteil schon am Tag seiner Verkündung zu Makulatur.
Ein zweites Ermittlungsverfahren wurde auf der Grundlage der Opfer-Aussage im Prozess notwendig. Im April 2016 wurde Jürgen R. verhaftet, im Mai erhob die Staatsanwaltschaft dann erneut Anklage gegen den ehemaligen Religionslehrer und Präfekten der Klosterschule Ettal.
Am Donnerstag ist es soweit. Jürgen R. nimmt erneut auf der Anklagebank Platz. Diesmal heißt der Vorwurf unter anderem schwerer sexueller Missbrauch. Jürgen R. gesteht die schweren Anschuldigungen zum Prozessauftakt im Prinzip ein. Nur bei den Zeitangaben in der Anklage gibt es für ihn Ungereimtheiten.
Laut Anklage hatte der Angeklagte im Schuljahr 2003/2004 im Internat des Klosters als Präfekt Schüler der siebten Klasse betreut. In dieser Zeit und im folgenden Schuljahr kam es zu den Übergriffen auf den damals zwölf bzw. 13 Jahre alten Schüler Peter F. im Präfektenzimmer.
Die sexuellen Übergriffe steigerten sich bis hin zum Oralverkehr
Während der ehemalige Klosterschüler zu Beginn der Ermittlungen noch erklärt hatte, dass der Präfekt damals nur versucht habe, ihn am Penis anzufassen, es aber nicht geschafft habe, erklärte er als Zeuge im Prozess 2015, dass sich die sexuellen Kontakte über die Zeit gesteigert hätten. Von ersten leichten Berührungen bis hin zum Oralverkehr. Jürgen R. soll den Schüler hinterher angewiesen haben, niemanden von den sexuellen Kontakten zu erzählen.
Beschwerden über den Pädagogen, er würde die notwendige Distanz zu den Schülern vermissen lassen, hatten im Mai 2005 zur Beendigung seiner Tätigkeit in der Klosterschule geführt. Der Angeklagte geriet dann im Zuge der aufgedeckten Missbrauchskandale in der Kirche ins Visier der Staatsanwaltschaft. Und wurde auf eigenen Wunsch, wie er sagt, des Priesteramtes enthoben. Der Vatikan entschied ferner auf seinen Ausschluss aus dem Kloster. Der Mann arbeitete danach bis zu seiner Verhaftung als kaufmännischer Angestellter.
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Während der Einvernahme des Angeklagten zu seinem Sexualleben wird die Öffentlichkeit von Richterin Regina Holstein ausgeschlossen. Danach schildert ein Ermittler, wie er Peter F. nach dem ersten Prozess erneut befragte. Auf die Frage, warum er nicht schon bei der ersten Vernehmung von den schwerwiegenderen Übergriffen erzählt habe, erklärte dieser: „Wegen der Abi-Prüfungen.“ Um seine Ruhe zu haben, habe er nicht alles erzählen wollen.
Auch um dem jungen Mann ein erneutes Auftreten vor Gericht zu ersparen, hatte der Anwalt von Jürgen R. ein umfassendes Geständnis angekündigt. Und dies obwohl sich die Prozessbeteiligten bei einem Vorgespräch nicht auf ein Strafmaß einigen konnten. Die Staatsanwaltschaft fordert unter Einbeziehung des ersten Urteils acht bis neun Jahre Haft. Verteidiger Jost Hartmann-Hilter denkt, dass bis zu fünf Jahre angemessen sind.
Das Gericht bewegt sich dazwischen. Holstein geht von bis sieben bis acht Jahre aus. Kommt die Kammer nach der Beweisaufnahme zu dem Schluss, dass es sich um einen minder schweren Fall handelt, könnte sich das Strafmaß auf sechs bis sieben Jahre verringern. Der Prozess wird am 10. August fortgesetzt.
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