Seppi Schmid: CSU muss Homosexuelle im Blick haben
AZ: Herr Schmid, Sie engagieren sich als Fraktionschef der Rathaus-CSU für schwul-lesbische Themen. Gerade hat der Unions-Bundesparteitag die Gleichstellung der Homo-Ehe abgelehnt. CSU-Chef Seehofer tut das auch. Sind Sie in der falschen Partei?
JOSEF SCHMID (43): Überhaupt nicht. Zum einen, weil sich auf dem Parteitag gezeigt hat, dass in der CDU wie in der CSU kontrovers diskutiert wird: Es gibt zahlreiche Kollegen, die dieses Thema anders sehen als die Bundeskanzlerin. Zum anderen geht mein Vorschlag ohnehin über ein Ehegatten-Splitting für Homo-Ehen hinaus.
Erklären Sie mal.
Ich gehe gleich zwei Schritte nach vorn und sage: Wir brauchen ein Familien-Splitting (siehe unten).
Und wie bewerten Sie die Vorbehalte der Union gegenüber homosexuellen Partnerschaften?
Es ist für mich allerhöchste Zeit, dass Homosexuelle nicht mehr diskriminiert, sondern anerkannt werden - auch und gerade in meiner Partei.
Passt das denn zur CSU?
Ja. Weil die sexuelle Orientierung völlige Privatsache ist und die Union sich - anders als sozialistische Parteien - auch in der Geschichte nicht ins Privatleben der Menschen eingemischt hat. Die Wahrung der Privatsphäre der Menschen sollte man auch hier respektieren.
Ein Parteimitglied begründete die Ablehnung der Homo-Ehe so: Der liebe Gott habe ja nicht ohne Grund Mann und Frau erschaffen – der habe sich etwas dabei gedacht. Wie finden Sie das?
Ich weiß nicht, ob ich das kommentieren will. Aber wenn man tatsächlich davon ausgeht, dass Gott die Welt erschaffen hat, dann muss die Tatsache, dass Menschen eine gleichgeschlechtliche Orientierung haben, ja auch von Gott kommen. Oder?
Das mögen Sie so sehen als Großstadt-CSUler, auch weil Sie bald München regieren möchten. Dagegen sagt Philipp Mißfelder, der Chef der Jungen Union: „Wir sollten mehr darüber nachdenken, wie wir im Hochstift Paderborn vielleicht von 50 auf 70 Prozent kommen, als dass wir darüber diskutieren, wie wir in Prenzlauer Berg von 4,2 Prozent auf 5,2 Prozent kommen.“ Das muss einen OB-Kandidaten in der Magengrube treffen.
Ich finde das eine sehr merkwürdige Betrachtungsweise. Mein Bestreben als Unionspolitiker ist, dass wir sowohl im ländlichen Raum hinzugewinnen als auch in der Großstadt. Dass mich die Befindlichkeit in der Großstadt mehr interessiert, weil ich selber Münchner bin, dürfte auch Mißfelder einleuchten.
Ist das Ziel Ihres Bemühens um schwul-lesbische Themen nicht zuletzt vor allem: Stimmenfang?
Überhaupt nicht. Ich vertrete meine Meinung unabhängig vom Wahlkampf. Ich kümmere mich schon lang um die homosexuelle Community. 2003 war ich schon mit dem ersten JU-Stand auf dem Christopher-Street-Day. Und ich habe seit jeher auch Homosexuelle in meinem Freundeskreis.
Die Community – das sind auch zehntausende Wählerstimmen. Um die geht es Ihnen doch auch.
Wenn ich heuer beim Christopher-Street-Day aufgetreten bin, hat das auch deswegen so viel Beachtung gefunden, weil alle gemerkt haben, dass da keiner unter Verleugnung seiner eigenen Partei und seiner eigenen Anschauung das Blaue vom Himmel verspricht. Da hat jeder gespürt: Das ist keine Showveranstaltung, sondern ein Anliegen.
Das mag aller Ehren wert sein. Aber ist Ihre Auffassung zu schwul-lesbischen Themen in der Münchner CSU womöglich noch immer eine Einzelmeinung?
Definitiv nicht. Ich finde in der Fraktion enge Wegbegleiter. Und aus der Münchner CSU bekomme ich besonders viel Zuspruch. Ich kann mir zwar vorstellen, dass einige Parteiverbände tief im ländlichen Raum dieses Thema anders sehen. Aber Politik muss auch führen, und Großstädte waren immer Vorboten einer Entwicklung fürs ganze Land.
Steht hier ein Abschied vom Wertkonservatismus der CSU bevor?
Im Gegenteil: Es kommt darauf an, dass man Grundwerte neu interpretiert und darstellt. Auch in homosexuellen Gemeinschaften werden Werte gelebt, wie zum Beispiel Verantwortung, Füreinander-Einstehen und viele mehr. Homosexuelle sind oft sehr, sehr wertorientierte Menschen. Darum ist es höchste Zeit, dass die Union Homosexuelle im Blick hat.
Sind die meisten Schwulen konservativ?
Ich war erst diese Woche wieder im Völklinger Kreis - da treffe ich sehr viele Konservative an: Wirtschafts- und Sozialpolitik, persönliches Engagement, unternehmerischer Erfolg, Wohlstandsziele – das sind alles urkonservative Haltungen. Aber das ist natürlich nur ein Teil der Szene. Um Ihre Frage zu beantworten, fehlt es mir an Statistiken. Im Alltag unterscheidet sich die die Mehrheit der Homosexuellen nicht von den Heterosexuellen – einziger Unterschied ist die sexuelle Orientierung. Schrille Dragqueens, wie sie beim CSD auffallen, sind in der Community eine Minderheit.
Ob Horst Seehofer Ihnen das alles glaubt?
Wenn sich die Gelegenheit zu einer Debatte ergibt, werde ich alles tun, um ihn zu überzeugen. Ich bleibe bei meiner Meinung und halte das auch für richtig. Ich bin überzeugt, dass sich dies über kurz oder lang auch in der Union durchsetzen wird.
Gibt es in Fragen schwul-lesbischer Akzeptanz jetzt eine CSU für Städter und eine CSU für Landeier?
Nein. Aber weil sich die Gesellschaft entwickelt, muss sich auch die CSU weiterentwickeln und mitverändern. Es hilft der Partei nichts, das moderne Bayern zu erschaffen, wenn man sich dabei auf Dauer aber selbst abschafft.
Familien-Splitting: „Die Förderung dort ansetzen, wo Kinder sind“
Statt eines Ehegatten-Splittings für Homo-Ehen, das die Union ablehnt, schlägt CSU-Fraktionschef Josef Schmid ein Familien-Splitting vor:
„Wir müssen Familien steuerlich noch stärker fördern. Als Familie meine ich alle Lebensgemeinschaften, in denen Kinder vorhanden sind. Es sind nach wie vor die meisten traditionellen Familien, die Kinder haben – immer mehr aber auch Patchwork-Familien, Alleinerziehende und natürlich auch ältere Ehepaare, die Kinder groß gezogen haben.
Die Förderung muss für mich dort ansetzen, wo Kinder sind – wo also für die Zukunft unserer Gesellschaft beigetragen wurde. Ein kinderloses Paar, ob hetero- oder homosexuell, braucht aus meiner Sicht keine steuerliche Förderung.
Diese Double-income-no-kids -Paare haben es – gerade in einer teuren Stadt wie München – leichter, sich das Leben leisten zu können. Kinder sind nun mal auch ein Kostenfaktor. Das gilt es zu kompensieren. Die Politik muss die unterschiedlichen Lebensentwürfe der Menschen akzeptieren und entsprechend handeln.“