Selfmade-Filmemacher Roberto Puzzo: Der Rocky aus Schwabing
München - Die Gefahr der Selbstausbeutung. Sie schwingt in der Kreativbranche immer mit.
Roberto Puzzo: Harter Weg zum Filmstar
Das Jahrzehnte alte Bild des armen Poeten wird auch durch erschreckende Statistiken der Künstlersozialkasse, die für Freiberufler den Arbeitgeberanteil bei der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung übernimmt, untermauert. Und dennoch lassen sich viele Kreative trotz finanzieller Engpässe nicht von ihren Träumen abbringen. Auch wenn sie für Außenstehende kaum nachvollziehbare Entbehrungen bereithalten - wie im Fall von Roberto Puzzo.
Im zarten Alter von sechs Jahren erwachte in dem selbst ernannten "Schwabinger Kindl" mit italienischen Wurzeln die Lust am Spielen und Inszenieren. Die Rolle des Prinzen in einer familiären "Schneewittchen"-Aufführung war für Puzzo die Initialzündung, um sein Hobby irgendwann einmal zum Beruf zu machen.
Heute kann der 33-Jährige mit dem gewinnenden Lächeln über die kindlichen Sehnsüchte nur schmunzeln. Denn der Weg zum Berufsschauspieler und -regisseur und damit auch zu seinem Traumprojekt war für Puzzo wahrlich kein leichter.
Bereits in der Schule, im Lernalltag, hinterfragt sich Puzzo, schien der Weg zur Friseur-Ausbildung der richtigere, da sichere zu sein. Doch irgendwann packt ihn wieder das Filmfieber, ergattert Puzzo 2015 einen Platz an der "Internationalen Schule für Schauspiel und Acting" am Harras. Mit einem Demoband im Gepäck macht sich der ambitionierte, nach Unabhängigkeit strebende Absolvent nicht nur an Castings, sondern fing auch an, eigene Kurzfilme zu produzieren.
Der an Sylvester Stallones "Rocky" erinnernde Selfmade-Karriereweg gipfelt nun in seinem aufwendigsten Filmprojekt "World Order", für das es morgen um 18 Uhr sogar eine große Premiere im Filmtheater Sendlinger Tor gibt.

Puzzo macht fast alles selbst - weil ohne Gage niemand sonst mitmacht
Fast zweieinhalb Stunden dauert dieser Actionthriller um einen Einzelgänger, der nach dem Mord an einer Journalistin an einen USB-Stick gerät, der - kleiner geht es bei Puzzo nicht - eine Weltverschwörung aufdecken könnte.
Puzzo übernimmt nicht nur die Hauptrolle, er hält auch als Regisseur, Cutter und Produzent alle Fäden in der Hand. Viele Rollen, die aber weniger mit seinem Ego zu tun haben. Denn schließlich hätte sich bis auf seine Schwester "einfach niemand an einem Actionfilm ohne Geld beteiligen wollen", sagt Puzzo im Gespräch mit der AZ.
Der Traum: Eine Serie an einen Streaming-Dienst verkaufen
Für seinen Film-Traum gibt Puzzo seinen Friseur-Beruf auf, setzt alles auf eine Karte und kratzt am Ende 8.500 Euro für das Projekt zusammen. Ein erster Crowdfunding-Versuch war bereits gescheitert. 62 Drehtage sind es am Ende, die Puzzo mit drei engen Mitstreitern und 22 Komparsen und 66 Darstellern 2018 absolviert. Niemand in seiner Crew wird für seine Mitarbeit bezahlt. Alles im Glauben an ein Filmleben danach, an eine Serie, die Puzzo in naher Zukunft an einen Streaming-Dienst verkaufen will.
Dreharbeiten im Guerilla-Stil
Die Dreharbeiten im Englischen Garten und in Ismaning finden folgerichtig im Guerilla-Stil statt. Nur mit einem gewagten Handkameraeinsatz ist es überhaupt möglich, erforderliche Münchner Drehgenehmigungen zu umgehen. Dem Schwabinger Indie-Filmer Klaus Lemke hätte dieses Vorgehen vermutlich gefallen.
Und auch wenn bei "World Order" am Ende vieles größer gedacht als gemacht ist und einige holprige Dialog-Szenen an bemühte Schultheateraufführungen erinnern, ist die Leidenschaft zum guten Filmhandwerk gerade in den Actionszenen spürbar.
So prügelt sich Puzzo in einer Schwabinger Trattoria minutenlang ganz ohne Schnitt mit einigen Bösewichten und weckt damit Erinnerungen an Keanu Reeves alias "John Wick". Überhaupt kokettiert "World Order" immer wieder mit Hollywood-Vorbildern wie beim Auftritt einer an Trinity erinnernden Matrix-Heldin. Und immerhin bewahrt sich Puzzo eine gewisse Selbstironie, wenn er ganz offen über peinliche Szenen spricht oder im Film eine Biker-Gang einfach mal jodeln lässt.

Dreharbeiten machen Roberto Puzzo krank
Nicht besonders lustig ist aber die körperliche Verfassung von Puzzo während und nach den Dreharbeiten. Monatelange Sieben-Tage-Wochen bis 2 Uhr nachts sind bei ihm die Regel, bis selbst sein durchtrainierter Körper einfach nicht mehr will. Der Stress macht ihn so krank, dass plötzlich seine linke Gesichtshälfte gelähmt ist, ein stationärer Krankenhausaufenthalt erforderlich wird.

Doch Puzzo, der heute braungebrannt-entspannt zum Gespräch erscheint, kratzt noch mal die Kurve, auch indem er sich das Mantra von Filmheld Rocky vor Augen führt: "Es kommt im Leben nicht darauf an, wie viel du austeilst, sondern darauf, wie viel du einstecken kannst!"
Kurze Zeit vor der Premiere kann Puzzo, der auch noch mit einem Burnout zu kämpfen hatte, mit genügend Abstand wieder über die schwierige Zeit der Postproduktion, des Nachsynchronisierens reden. Eine Zeit, in der seine bescheidene Bleibe auch für viele Mitstreiter zur Unterkunft wird. Kostenfrei, versteht sich.
Vor lauter Arbeit vergisst der Regisseur sogar die Pandemie
Aber auch eine Zeit, die ihn mental angeblich so fordert, dass Puzzo im letzten Jahr selbst die Corona-Pandemie vergaß. "Als ich doch einmal mein Zimmer verlassen musste, um einzukaufen, verstand ich erst nicht, warum ich denn eine Maske tragen sollte", sagt er heute kopfschüttelnd dazu.
Ob sich diese Jahre der Selbstausbeutung, der Vernachlässigung jedes Soziallebens für ihn und seine in Grünwald beheimatete Produktionsfirma Lucky Eagle Production auszahlen wird, steht in den Sternen. An mangelndem Engagement dürfte ein Scheitern in seinem Fall jedenfalls nicht liegen.
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