Selbstgebaute Hütten weggeschafft: Vom Ende der Fantasie

Stadtspaziergänger Sigi Müller ist begeistert von selbstgebauten Hütten im Englischen Garten und traurig, dass sie abgebaut wurden.
von  Sigi Müller
Auch eine "Feuerstelle", die freilich nie entfacht wurde, sondern bespielt wurde, war aufgebaut.
Auch eine "Feuerstelle", die freilich nie entfacht wurde, sondern bespielt wurde, war aufgebaut. © Sigi Müller

München - Vor ein paar Jahren habe ich einmal den Waldkindergarten im Englischen Garten fotografiert und war begeistert, wie die Kinder dort spielten. Eigentlich immer im Freien und mit allem, was der Wald zu bieten hat. Langeweile? Fehlanzeige.

Zwischenzeitlich sah ich zwar immer mehr Kinder auf Spielplätzen sitzen, jedes in sein Smartphone starrend und mit den Fingern mehr oder weniger gelangweilt über das Display wischend. Seit dem Lockdown aber habe ich auch wieder neue Spuren von abenteuerlichen Kinderspielen entdeckt.

Da, wo die Parks nicht aufgeräumt und durchgefegt werden, sammeln die Kinder Äste und Steine. Hütten, Zelte, oder ganz spannende Gebilde werden gebaut, Bäume mit fröhlichen Motiven bemalt. Kinder spielen wieder mit viel Fantasie, ganz gefesselt von den Möglichkeiten.

Auch eine "Feuerstelle", die freilich nie entfacht wurde, sondern bespielt wurde, war aufgebaut.
Auch eine "Feuerstelle", die freilich nie entfacht wurde, sondern bespielt wurde, war aufgebaut. © Sigi Müller

Wer hat die Holzhäuser weggeschafft?

Eltern machen mit, oder können einfach einmal wieder in einem mitgebrachten Buch lesen. Spannend zu sehen, wie die Hütten immer schöner ausgebaut werden. Vielleicht sind da Indianer, Seeräuber, Abenteurer, ganz bestimmt aber Entdecker oder Forscher am Werk. Und das mit viel, viel Spaß.

Eines der Kinder hatte aber schon so eine Vorahnung, denn an einem Bauwerk hing folgender Zettel: "Bitte macht nicht das Holzhaus kaputt", stand darauf. Genutzt hat's nichts.

Flehentliche Bitte: Leider wurde die Zettel-Botschaft nicht erhört.
Flehentliche Bitte: Leider wurde die Zettel-Botschaft nicht erhört. © Sigi Müller

Mittlerweile ist alles bis auf das letzte Ästchen weggeräumt. Auch die meisten anderen Bauwerke sind verschwunden. Ich stelle mir die enttäuschten Gesichter vor, als die Kinder, nachdem sie tagelang gebaut, Holz gesammelt haben, sich am nächsten Tag fröhlich auf den Weg machten, um weiter zu bauen, und dann war alles weg. Wer es wohl weggeschafft hat?

Bierflaschen statt Kinderhütten

Sicherlich hätte man die Hütten einfach einmal stehenlassen können, zumindest bis alle Kindergärten und Schulen endlich wieder geöffnet sind. Wem hätte es geschadet? Wen hätte es, abseits der Wege, gestört? Schwere Zeiten für die Kinder.

Dafür fand ich wieder große Haufen aufeinandergeschichtete, leere Bierflaschen. Ähnliche Bauweise, anderes Material. So wie vor Corona.

Ähnliche Bauweise, anderes Material. Und sämtliche kindlichen Bauten sind weggeräumt worden.
Ähnliche Bauweise, anderes Material. Und sämtliche kindlichen Bauten sind weggeräumt worden. © Sigi Müller

In diesem Sinne eine schöne Woche
Ihr Sigi Müller

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