56 Millionen gezahlt, für 29 Millionen verkauft – das steckt hinter der Baugrube in Sendling
Busse halten, Autos hupen, Fußgänger warten an den Ampeln, überqueren die Straßen und steigen hastig in die Busse. Bis auf eine junge Frau, die auf dem Gehweg auf und ab spaziert und telefoniert, scheint sich hier niemand länger aufzuhalten als nötig: an der Kreuzung Waldfriedhofstraße Ecke Fürstenrieder Straße. Seit über zwei Jahren klafft hier ein Loch im Boden, etwa 70 Meter lang und 30 Meter breit.
Der Vorsitzende des Bezirksausschusses Sendling-Westpark, Günter Keller (SPD), nennt die Stelle einen "Schandfleck". Schließlich liege das brachliegende Grundstück in der Nähe der Garmischer Autobahn. Kein besonders einladender Anblick, wenn man hier nach München reinfährt.
Baugrube in Sendling-Westpark ist als "Schandfleck" bekannt – nun gibt es Hoffnung
Aus der Nähe wirkt es noch trostloser: Die Bauzäune sind teilweise verbogen, eine große Ecke ist abgebrochen von einem Schild, auf dem steht: "Betreten der Baustelle verboten!" Hinter dem Zaun liegen vom Regen vollgesogene Taschentücher und ein leerer Tetra Pak. Zwischen grauem und weißem Schutt blitzen gebrochene, rote Ziegel hervor.
Auf der gegenüberliegenden Seite der Fürstenrieder Straße zeigt sich der Lauf der Zeit noch deutlicher: Gestrüpp erobert den Boden zurück und kleine Robinien treiben aus der Abbruchkante.

Das ist auch der Anwohnerin Erdmute Weidner aufgefallen. Mit ihrem kleinen, weißen Hund spaziert sie am Bauzaun entlang. "Heute Morgen habe ich zu meiner Tochter gesagt: Jetzt wachsen schon die Bäume in der Grube", erzählt die 87-Jährige. Seit 26 Jahren wohnt sie in der Gegend. "Ich frage mich, was hier draus werden soll und wann das mal weitergeht." Die AZ hat bei den Verantwortlichen nachgefragt.
Auf zwei DINA-4-Blättern, die am Bauzaun befestigt sind, ist "Bauwerk München 92 GmbH & Co. KG" als Bauherr angegeben. Das Projekt sehe den Bau eines Quartierzentrums vor, das Einzelhandel, Gastronomie und Wohnen beinhalte. Die Baugenehmigung dafür wurde bereits Ende 2024 erteilt. Wieso ist seitdem nichts passiert?
Kaufpreis? Die AZ fragt beim Amtsgericht München nach
Von vorne: Im Juli 2021 kaufte das Unternehmen "Bauwerk Capital GmbH & Co. KG" mit der Projektgesellschaft "Bauwerk München 92 GmbH & Co. KG" das Grundstück von der "Rock Capital Group". Auf die Frage nach dem damaligen Kaufpreis antwortet "Bauwerk": "Über den Kaufpreis haben beide Parteien Stillschweigen vereinbart." Die AZ fragt beim Amtsgericht München nach und erhält eine Antwort: Der Kaufpreis habe 56 Millionen Euro betragen.
In den Jahren nach dem Kauf riss die neue Eigentümerin die Gebäude ab, die auf dem Gelände standen. Seither klafft die Grube. Was hier einmal stand? Günter Keller, der Vorsitzende des Bezirksausschusses, erinnert sich: "Ganz früher war dort das Postamt, dann ein Gemüsegeschäft, dann ein Supermarkt und eine Drogerie – lauter kleine Läden im Erdgeschoss. Auch mal ein Café, und oben waren Büros. Es wurde mischgenutzt." Einen Ort, der für die Anwohner wieder nutzbar ist, plant "Bauwerk" auch.
Das Unternehmen teilt auf Nachfrage der AZ mit: "In den unteren Etagen des Quartierzentrums wird eine Filiale einer Lebensmittelkette, eines Discounters und einer Drogeriekette entstehen. In den oberen Etagen Wohnungen." Und weiter: "Im Rahmen des Baus der Trambahnwesttangente soll durch die LH München der Vorplatz mit dem historischen Trambahnhäuschen zu einem attraktiven Quartiersplatz umgestaltet werden, mit hoher Aufenthaltsqualität – mit Grün, mit Sitzplätzen und Straßencafés." Doch der Baustart zieht sich.
BA-Chef: "Das hat das Ganze beinahe auf die Kippe gebracht"
BA-Chef Günter Keller erklärt, weshalb: "Nach dem Abriss wurde ein Investor gesucht." Als einer gefunden worden war, sei es kompliziert geworden, sagt der SPDler. "Der geplante Bau erforderte, dass man Betonanker in die Nachbargrundstücke hätte setzen müssen. Die Nachbarn wollten dafür eine Entschädigung. ‘Bauwerk’ konnte sich mit allen einigen, außer mit einem. Das hat das Ganze beinahe auf die Kippe gebracht."

Letztendlich habe sich die Möglichkeit ergeben, dass bei diesem einen Nachbarn keine Betonanker notwendig seien, sondern das Problem auf andere Weise gelöst werden könne, erzählt der BA-Chef. "Damit waren alle Voraussetzungen gegeben, dass der Verkauf stattfinden konnte", so Günter Keller. Der Kaufabschluss mit dem Investor sei also nur daran gehangen, "ob alle Nachbarschaftsvereinbarungen abgeschlossen werden können", sagt Keller. "Wenn das nicht innerhalb von wenigen Tagen passiert wäre, wäre der neue Käufer abgesprungen", erzählt der BA-Chef der AZ.
Das Unternehmen "Bauwerk Capital GmbH & Co. KG" bestätigt, dass der "für die Umsetzung notwendige Projektpartner" im Oktober 2025 gefunden werden konnte. Ob dieser "notwendige Projektpartner" auch der neue Eigentümer des Grundstücks an der Waldfriedhofstraße ist, dazu möchte sich das Unternehmen noch nicht äußern.
Baubeginn ist bereits geplant
Vom Amtsgericht hat die AZ erfahren: "Der Grundbuchabteilung ist ein notarieller Kaufvertrag vom 14.10.2025 bekannt." Und weiter: "Käuferin ist die Flecha Lux 16 S.à.r.l. mit Sitz in Luxembourg." Eine Eintragung in das Grundbuch sei allerdings noch nicht erfolgt, weshalb "Bauwerk München 92 GmbH & Co. KG" nach wie vor als Eigentümerin eingetragen sei. Der vereinbarte Kaufpreis liege bei 29 Millionen Euro. Beinahe die Hälfte von dem, was "Bauwerk München 92 GmbH & Co. KG" 2021 für das Grundstück bezahlte.
BA-Chef Günter Keller zeigt sich erleichtert über die Wendung in dem Fall der Sendlinger Baugrube. "Wir im Bezirksausschuss sind sehr froh, dass es jetzt offenbar eine Lösung gibt." Man habe versucht, dem Besitzer darzulegen, "wie wichtig es für uns alle ist, dass dieser Schandfleck wegkommt".
Das soll schon bald der Fall sein. "Bauwerk" schreibt, dass der Baubeginn "für Mitte 2026 geplant" ist. Mindestens bis dahin werden sich die Sendlinger mit dem Anblick der Baugrube abfinden müssen.
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