Riesen-Streit um Riesen-Konzerte auf dem Messegelände
München - Oliver Strauß (49) ist enttäuscht. Er war schon auf fünf Robbie-Williams-Konzerten, erzählt er. "Und noch nie war es so schlecht wie am Samstag in der Messe." 140 Euro habe er für zwei Tickets ausgegeben. Er wollte zu Weihnachten ein besonderes Erlebnis verschenken, dem Star ganz nah sein, so wie es die Werbung versprochen hatte. Aber Robbie, sagt er, habe er gar nicht gesehen.
Konzerte in Riem: Kommt Sammelklage gegen den Veranstalter?
Strauß ist nicht der einzige, der unzufrieden ist. Bei der AZ melden sich eine ganze Reihe von Zuschauern, die von den Megakonzerten auf der Messe etwas anderes erwartet haben. Strauß fühlt sich so betrogen, dass er sogar erwägt, eine Sammelklage gegen den Veranstalter Klaus Leutgeb einzureichen. Auch Grüne und Linke im Münchner Stadtrat sind von dem Österreicher irritiert.
Der Anlass: Leutgeb hatte "Merkur" und "tz" keinen Einlass zu dem Konzert gewährt. Grund war nach Angaben dieser Redaktion, dass sie kritisch über das Helene-Fischer-Konzert berichtet hatten. Leutgeb machte daraufhin seinem Ärger auf Facebook Luft. Dort bezeichnete er Münchner Zeitungen als "regionale und gesteuerte Schmierfink-Medien".
Stadtrat: Grüne und Linke fordern Aufklärung
Linken-Fraktionschef Stefan Jagel sieht darin eine Sprache, wie sie Verschwörungstheoretiker benutzen. "Dass die Pressefreiheit auf städtischen Grund so angegriffen wird, geht gar nicht", sagt er. Jagel fordert deshalb, dass es keine weitere Kooperation zwischen der Stadt, dem städtischen Unternehmen Messe und Leutgeb geben soll.

Auch Dominik Krause, Vorsitzender der Grünen-Fraktion, bezeichnet das Verhalten von Leutgeb als "unsäglich". Vom Wirtschaftsreferenten Clemens Baumgärtner (CSU) will er deshalb mit einer Anfrage genauer erfahren, wie die Stadt verhindern kann, dass auf ihren Flächen die Pressefreiheit eingeschränkt wird.
Krause stellen sich noch weitere Fragen. Er will beleuchten, welche Verflechtungen es zwischen der CSU und dem Veranstalter gibt. Auffällig: Als "exklusiven Gastronomiepartner" der drei Messekonzerte nennt Leutgeb in Flyern die Firma "Braincandy Solutions".

Junger CSU-Politiker ist Geschäftsführer von "Braincandy Solutions"
Auf deren Website werden genau drei Referenzen aufgezählt: Andreas Gabalier, Helene Fischer, Robbie Williams. Tatsächlich existiert das Unternehmen erst seit wenigen Monaten. Im April diesen Jahres wurde die Firma ins Handelsregister eingetragen.
Wie kommt eine so junge Firma an so große Aufträge? Der Geschäftsführer des Start-ups ist Tobias Fendt, ein Vorsitzender der Jungen Union im Südosten von München – aktiv im gleichen Kreisverband wie Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner, der die Idee, auf der Messe große Konzerte zu veranstalten, als erster öffentlich machte.

Tobias Fendt ist nicht der einzige CSUler, der von den Messe-Konzerten profitierte. Auch CSU-Stadtrat Thomas Schmid, der unter anderem als Berater in der Gastronomie tätig ist, arbeitete bei den Veranstaltungen mit. Seine Fraktion setzte sich dafür ein, dass Leutgeb an Silvester ein Rammstein-Konzert auf der Theresienwiese organisieren darf – trotz Sicherheitsbedenken. Er persönlich habe nicht mitgestimmt, betont Schmid gegenüber der AZ. Geld hätte er womöglich trotzdem verdient.
Klaus Leutgeb rechnet mit weiteren Messe-Konzerten
Das kann er vielleicht im nächsten Jahr: Für Leutgeb steht nämlich bereits fest, dass er 2023 wieder Konzerte auf der Messe veranstalten wird. Wie viele und welche Künstler, das könne er zwar noch nicht sagen, meint er: "Doch im besten Fall sind es mehrere." Auch die Messe München geht davon aus, dass es 2023 Konzerte auf ihrem Gelände geben wird.
Parteifreundschaften sollen bei seiner Entscheidung für die Firma "Braincandy" als Gastropartner übrigens keine Rolle gespielt haben, betont Leutgeb. Die Alternative wären Unternehmen aus anderen Teilen Deutschlands gewesen: "Wir haben uns für eine regionale Lösung entschieden."
Auch der Geschäftsführer von "Braincandy", Tobias Fendt, antwortet, dass sein "innovatives gastronomisches Konzept" überzeugt habe. Sein Unternehmen bündle "die besten Köpfe der bayerischen Festivalgastronomie" mit langjähriger Erfahrung. Von Anfang an sei klar gewesen, dass er mit AB InBev zusammenarbeite.
Es ist nach eigenen Angaben die größte Brauereigruppe der Welt und verkauft Becks. Wirtschaftsreferent Baumgärtner sagt, dass er sich weder in das Gastro- noch in das Pressekonzept des Veranstalters eingemischt habe: "Das macht der Veranstalter allein. Für mich ist Pressefreiheit allerdings ein hohes Gut."
Rückerstattung des Ticketpreises ist ausgeschlossen
Bei den Medien habe er sich inzwischen entschuldigt, sagt Leutgeb. Die Organisation der Konzerte sei eine "nervliche Belastung" gewesen. Da sei er etwas "dünnhäutig" geworden.
Dass Kunden wie Oliver Strauß, die das Konzert sahen und unzufrieden sind, Geld zurückbekommen, schließt Leutgeb allerdings aus: "Wenn man im Kino war und einem der Film nicht gefallen hat, bekommt man ja auch kein Geld zurück."
Überhaupt kann er die Kritik nicht nachvollziehen. Die LED-Wände seien viel größer als im Olympiastadion. Zuschauer Strauß kann sich allerdings noch an ein sehr gutes Robbie-Konzert erinnern. Es fand auch in München statt: im Olympiastadion.