Rechtsanwalt Solmecke in der AZ: Rammstein wird es den Ermittlern nicht leicht machen

München - Vor einer Woche war Rammstein noch in München, spielte vier Großkonzerte im Olympiastadion. 60.000 Fans feierten und jubelten der Band um Frontmann Till Lindemann zu, gegen den es derzeit besonders schwere Missbrauchsvorwürfe gibt.
Die Berliner Staatsanwaltschaft hat mittlerweile ein Ermittlungsverfahren gegen den 60-Jährigen eingeleitet. Für Lindemann gilt jedoch weiterhin die Unschuldsvermutung. Konsequenzen gibt es dennoch schon für die Band: Universal Music, das Label der Band, gab am Donnerstag bekannt, die Marketing- und Promotion-Aktivitäten für die Recordings der Band bis auf Weiteres auszusetzen.
Wie geht es jetzt für Rammstein-Frontmann Lindemann weiter? Haben die Ermittlungen gar Auswirkungen auf die große Europa-Tour der Band? Darüber hat die AZ mit Rechtsanwalt Christian Solmecke gesprochen, der sich im Rahmen der aufkommenden Vorwürfe in den vergangenen Wochen intensiv mit der Rammstein-Thematik befasst hat.
Im Gespräch mit der AZ erklärt Solmecke, welche Anklagepunkte auf Lindemann zukommen könnten und ob Petitionen, die die Absage der aktuell stattfindenden Konzerte fordern, tatsächlich Erfolg haben könnten.
Christian Solmecke zu den Vorwürfen gegen Rammstein: "Anfangsverdacht ist gegeben"
AZ: Herr Solmecke, welche juristischen Schritte folgen nun auf die gerade eingeleiteten Ermittlungen gegen Till Lindemann?
CHRISTIAN SOLMECKE: Die Staatsanwaltschaft hat bestätigt, dass der Anfangsverdacht für Straftaten gegeben ist. Daraus folgt, dass sie verpflichtet ist, zu ermitteln. Nun wird sie erst einmal Zeuginnen und Zeugen vernehmen und generell Beweise sichern. Das Bestehen eines Anfangsverdachts für recht erhebliche Straftaten gibt ihr laut Strafprozessordnung einige besondere Befugnisse zu diesem Zweck. Wenn sie meint, alles Mögliche ermittelt zu haben, wird entschieden, ob es genügend Beweise für die Erhebung der Anklage gibt oder ob das Verfahren eingestellt wird.

Wird Anklage erhoben, müssen im Rahmen eines anschließenden Strafverfahrens dann alle Beweise in die Verhandlung eingeführt und in der Regel auch Zeuginnen noch einmal angehört werden. Wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass Lindemann schuldig ist, spricht es eine Strafe aus. Dagegen kann er allerdings noch Berufung einlegen, dann gäbe es eine erneute Beweisaufnahme vor der nächsten Instanz. Dagegen wäre nur noch das Rechtsmittel der Revision möglich, wo lediglich Rechtsfehler geprüft werden.
"Es liegen Tatvorwürfe aus dem Bereich der Sexualdelikte und der Abgabe von Betäubungsmitteln vor", so die Staatsanwaltschaft Berlin. Sprechen wir da von Paragraf 177 Strafgesetzbuch? Und wenn ja, worum geht es in diesem Paragrafen konkret beziehungsweise was macht diesen Paragrafen aus?
Die Delikte aus dem Betäubungsmittelgesetz dürften den möglichen Missbrauch von Drogen und K.O.-Tropfen betreffen. Hinsichtlich der Sexualdelikte geht es tatsächlich um Paragraf 177 nach Strafgesetzbuch. Dieser Paragraf umfasst alle verschiedenen Formen von nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen. Hier kommt es auf den Einzelfall an, was die Frauen erlebt haben.
Der "sexuelle Übergriff" umfasst alle sexuellen Handlungen, die nicht mit Eindringen verbunden sind, bei denen aber entweder gegen den erkennbaren Willen des Opfers gehandelt wird oder es werden Umstände – zum Beispiel K.O.-Tropfen – ausgenutzt, wegen derer das Opfer keinen entgegenstehenden Willen bilden kann.
Wenn eine Tat wie oben vorliegt, aber mit weiteren verschärfenden Umständen einhergeht – beispielsweise einer Drohung gegen das Leben, Gewalt, wozu auch K.O.-Tropfen zählen, da das Opfer schutzlos ausgeliefert ist –, ist das eine "sexuelle Nötigung". Ist eine dieser oben genannten Taten mit einem Eindringen in den Körper verbunden, spricht man von "Vergewaltigung". Daneben gibt es auch noch den "harmloseren" Paragrafen der sexuellen Belästigung nach Paragraf 184i Absatz 1 des Strafgesetzbuches, der bei "Grabschen" mit sexuellem Hintergrund greift.
Rechtsanwalt: Rammstein wird es den Ermittlern nicht leicht machen
Wie werden Till Lindemann beziehungsweise die Band Rammstein Ihrer Meinung nach auf den neuen Stand mit den gerade eingeleiteten Ermittlungen reagieren?
Wir haben in den vergangenen Tagen gesehen, wie die Band vorgeht: Sie dementiert, dreht den Spieß um und wendet sich mit rechtlichen Drohgebärden gegen die mutmaßlichen Opfer. Ich gehe nicht davon aus, dass die Band es den Ermittlern leicht machen wird, hier Beweise zu finden. Und das muss vor allem Lindemann auch nicht, niemand muss an der eigenen Überführung mitwirken. Ich gehe davon aus, dass sie es gekonnt ignorieren werden und selbstbewusst behaupten, die Ermittler würden nichts finden.
Steigen mit den laufenden Ermittlungen womöglich die Chancen von Petitionen, die die Absage weiterer Konzerte der Rammstein-Tour fordern?
Das mit Sicherheit. Das Problem ist nur, dass die Absage eines Konzerts nicht so einfach ist, weil hier viele verbindliche Verträge bestehen, die allein wegen des Verdachts zuvor begangener Straftaten eines Bandmitglieds nicht einfach gebrochen werden können. Zudem stehen hier starke finanzielle Interessen auf dem Spiel, sowohl auf Seiten der Band als auch auf Seiten der Konzertveranstalter und weiterer Beteiligter. Daher dürfte keiner von ihnen ein Interesse haben, auf solche Petitionen zu hören – solange immer noch unbeirrbare Fans kommen.
Jurist sicher: Vorwürfe "bleiben an Till Lindemann kleben"
Ist die Tatsache, dass jetzt Ermittlungen eingeleitet wurden, nicht auch eine positive Nachricht für Till Lindemann und Rammstein? Weil es sich jetzt sozusagen um ein "geordnetes Verfahren" handelt fernab von anonymen Vorwürfen?
Das sehe ich nicht so. Denn die staatsanwaltlichen Ermittlungen bestehen ja parallel zu der medialen Berichterstattung. Hier werden die Grenzen der Verdachtsberichterstattung wegen des enormen öffentlichen Interesses bereits ausgereizt. Eine Vorverurteilung in der Öffentlichkeit hat längst stattgefunden.
Die Tatsache, dass nun auch offiziell ermittelt wird, heizt die Diskussion erst einmal weiter an. Etwas anderes könnte natürlich sein, wenn die Staatsanwaltschaft aus Mangel an Beweisen keine Anklage erhebt oder Lindemann in einem Strafverfahren freigesprochen würde. Doch selbst dann würden die Vorwürfe für immer in der öffentlichen Meinung "an ihm kleben bleiben".
Christian Solmecke hat sich als Rechtsanwalt und Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WBS.LEGAL auf die Beratung der Internet- und IT-Branche spezialisiert. Daneben ist der 49-Jährige als Buchautor und Unternehmer tätig.