Psychiater: Multitasking gibt's nicht
Die bayerische Wirtschaft hat eine Studie über Ursachen und Auswirkungen von Burnout in Auftrag gegeben. Erste Ergebnisse: Das Phänomen Burnout wird in Deutschland überschätzt.
München Die Zahl der psychischen Erkrankungen nimmt stetig zu. Der bayerischen Wirtschaft entstehen allein durch Fehlzeiten wegen seelischer Probleme Kosten in Höhe von 320 Millionen Euro durch die Lohnfortzahlung. 2006 lag die Zahl der Fehltage pro Jahr und Erwerbsperson noch bei 1,5, sechs Jahre später sind es schon 2,5 Fehltage.
Doch die einfache Formel, Stress und/oder unsichere Arbeitsverhältnisse gleich Depression und Burnout geht so nicht auf. Sagt Bertram Bossardt, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Unternehmensverbandes Metall und Elektro (bayme vbm). „Ein genereller Zusammenhang zwischen diesem Anstieg und den veränderten Bedingungen der heutigen Arbeitswelt lässt sich aber nicht herstellen.“
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Für diese Einschätzung hat er offenbar auch wissenschaftliche Unterstützung. Die auf drei Jahre angelegte Studie „psychische Gesundheit am Arbeitsplatz“ begleitet 1000 Probanden. Ziel der Studie: „Wir wollen die Diskussion um die psychische Gesundheit versachlichen“, so Brossardt. „Bei psychischen Erkrankungen gleicht kein Fall dem anderen.“
Das Zwischenfazit der Wissenschaftler: Die Sensibilisierung der Bevölkerung, nicht der Stress am Arbeitsplatz ist der wichtigste Grund für den Anstieg psychischer Krankheiten. Stichwort „Burnout“. Das sei ein Begriff, den es so nur im deutschsprachigen Raum gebe, erklärt Florian Holsboer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie. Für psychische Erkrankungen sind auch private Probleme oder Veranlagung wichtig.
Doch die Betriebe können trotzdem etwas tun, um die Fehlzeiten psychischer Natur zu reduzieren. „Die bisherigen Datenauswertungen zeigen, dass Faktoren wie gute Entwicklungsmöglichkeiten, ein gutes Gemeinschaftsgefühl und soziale Rückendeckung die psychische Gesundheit der Mitarbeiter stärken“, so Holsboer. Die Gründe für den Anstieg psychischer Erkrankungen liegen im Persönlichen.
Wer depressiv ist, wird seine Belastung am Arbeitsplatz höher einschätzen als ein nicht-depressiver Arbeitnehmer. Allerdings: Gehetzte Arbeitnehmer klagen möglicherweise mit Grund, wenn sie mehrere Aufgaben auf einmal erledigen müssen: Multitasking ist nach Einschätzung von Holsboer ein Ding der Unmöglichkeit. „Sie können nicht zwei Arbeiten, die hohe Konzentration erfordern, gleichzeitig durchführen und eine hohe Ergebnisqualität erzielen“, sagt der Psychiater.
Holsboers Zwischenbilanz lautet: „Es lässt sich bereits jetzt vermuten, dass die Untersuchung weiterer Datensätze die Vielschichtigkeit der Ursachen für psychische Erkrankungen bestätigen wird.“ Sein Rat: „Unsere Anstrengungen müssen deshalb auf der Prävention und Früherkennung liegen.“ Der Verband stellt bereits Hilfsangebote bereit. So sollen Weiterbildungsworkshops für Führungskräfte und Betriebsärzte helfen, die psychische Gesundheit der Arbeitnehmer zu fördern.
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