Protest gegen Automesse IAA auf der Überholspur: Ein Zeichen für die Verkehrswende

Um ein Zeichen für die Verkehrswende zu setzen, will ein Bündnis während der IAA auf der Autobahn demonstrieren. Die Stadt hat das verboten. Jetzt klagen die Aktivisten.
von  Christina Hertel
Für eine Demo sollen Autobahnen gesperrt werden, fordern Rad- und Klimaaktivisten.
Für eine Demo sollen Autobahnen gesperrt werden, fordern Rad- und Klimaaktivisten. © Daniel von Loeper

München - Mehr als 233 Kilometer neue Autobahnen und Bundesstraßen wurden 2019 gebaut. Gleichzeitig sind nur neun Kilometer an neuen Schienen entstanden. Das ergab eine Anfrage der Grünen vergangenes Jahr.

Protest während IAA auf Autobahn geplant

Gegen diese Politik, die den Autoverkehr immer weiter fördere und eine Verkehrswende behindere, will das Bündnis #aussteigen demonstrieren. Dazu gibt es aus Sicht der Aktivsten nur einen passenden Ort und eine passende Zeit: auf der Autobahn am Samstag, 11. September, während der IAA in München, dem Kongress, den der Verband der Automobilindustrie organisiert.

Allerdings hat die Stadt München die Demo auf der Autobahn verboten. Das Bündnis, dem unter anderem der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC), der Bund Naturschutz und Greenpeace angehören, will das nicht akzeptieren.

Demonstranten wollen mit Fahrrädern aus allen Himmelsrichtungen nach München kommen

Am Donnerstag hat das Bündnis gegen diese Entscheidung Klage eingereicht und mit etwa 30 Aktivisten vor dem bayerischen Innenministerium demonstriert. Notfalls wolle das Bündnis sogar bis vors Bundesverfassungsgericht ziehen, sagt Andreas Schön, der Vorsitzende des ADFC in München.

Plan des Bündnisses ist, sich in einer großen Fahrraddemo aus allen Himmelsrichtungen auf München zuzubewegen. Diese Routen sollen am letzten Ferienwochenende teilweise über Autobahnen (nämlich auf der A8, 9, 94 und 96) verlaufen.

KVR hält Protest auf Autobahn für zu gefährlich

Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) betont, dass es die Demo als solche nicht verboten habe. Allerdings hält die Behörde den Protest auf der Autobahn für zu gefährlich. Zu diesem Schluss kam die Stadt, nachdem sie sich mit der Polizei und der Autobahn GmbH des Bundes ausgetauscht hatte.

"Nach Einschätzung der Polizei wäre eine Vollsperrung der betroffenen Autobahnen erforderlich", schreibt das KVR. Es komme zu Staus, weit über die gesperrten Straßen hinaus. Innerhalb kürzester Zeit wären auch die A99 und der A995 blockiert.

Auch die Gegenfahrbahn müsste gesperrt oder die Geschwindigkeit begrenzt werden. Trotzdem sei damit zu rechnen, dass der Gegenverkehr abgelenkt werde. Es könne zu Unfällen kommen.

Andreas Schön vom ADFC hält all diese Argumente für vorgeschoben. Er geht davon aus, dass das Bündnis mit der Klage Erfolg haben wird. Schließlich seien auch in der Vergangenheit Demos auf Autobahnen immer dann erlaubt worden, wenn es einen klaren Bezug dazu gab.


Wer sonst noch Protest plant:

Sand im Getriebe: Blockaden wie in Frankfurt

Der IAA-Protest in Frankfurt.
Der IAA-Protest in Frankfurt. © privat

"Wir werden die Green-Washing-Party der Autoindustrie crashen", sagt Lou Winters, die Pressesprecherin von "Sand im Getriebe". Schon 2019 protestierte das Bündnis gegen die Internationale Automobilausstellung in Frankfurt. Damals blockierten Hunderte Aktivsten den Eingang zur Automesse.

In München soll dieser Protest aber noch weitaus größer ausfallen, sagt Winters. Mehr als 1.000 Aktivsten erwartet sie, die sich an Aktionen des "zivilen Ungehorsams" beteiligen, "ruhig, besonnen, aber entschlossen", sagt Winters. Eskalation oder eine Gefahr werde vom Protest des Bündnisses nicht ausgehen. Ziel sei aber, den Druck auf die Verantwortlichen so auf lange Zeit zu erhöhen.

#noIAA: Wo der Protest die Legalität verlässt

Lisa Poettinger (kniend).
Lisa Poettinger (kniend). © privat

Legaler Protest alleine reicht aus Lisa Poettingers Sicht nicht. Die Lehramtsstudentin, Mitte 20, hält deshalb zivilen Ungehorsam während der IAA für notwendig. "Schließlich werden in Deutschland noch immer Straßen gebaut." Dabei bleibe nicht mehr viel Zeit, um das Klima zu retten. Poettinger ist deshalb die Stimme des Bündnisses #noIAA geworden.

Es besteht schon seit Anfang des Jahres. Ziel ist, die verschiedenen Akteure zu vernetzen. Poettinger organisierte deshalb vergangenes Wochenende ein Straßenfest in der Maxvorstadt. Was genau die Klimaaktivisten planen? Poettinger bleibt vage: Kleingruppen planen kreative Farbaktionen. Es soll aber auch drei große Blockaden geben.

Smash Iaa: Kapitalismus-Kritik und kreative Plakate

Ein Protestplakat.
Ein Protestplakat. © Smash IAA

"Waldbrände, Hitzerekorde, schmelzende Gletscher, all das interessiert uns vom Verband der deutschen Automobilindustrie herzlich wenig." Das ließ sich vor kurzem auf Plakaten in verschiedenen deutschen Städten nachlesen. Natürlich handelte es sich dabei nicht wirklich um ein Schuldeingeständnis der Autolobby, sondern um eine Protestaktion des Bündnisses "Smash IAA".

Das Bündnis ist davon überzeugt, dass viele keine andere Wahl haben, als Auto zu fahren. Diesen Zwang fördere der Staat aktiv, schreibt das Bündnis. Denn zu viel Geld fließe in den Bau von Straßen. Für einen echten Wandel sei es notwendig, den Kapitalismus zu überwinden und mit dem "System des Profits" zu brechen.

KonTra IAA: Argumente gegen Autos

Ralf Schauer.
Ralf Schauer. © privat

Natürlich dürfe die Autobranche mitdiskutieren, wie eine Verkehrswende gelingen kann, sagt Ralf Schauer (47). Nur sei die Autolobby für dieses Thema eben der falsche Gastgeber - schließlich verdiene sie ihr Geld damit, dass die Menschen auch in Zukunft mit Autos fahren. Um ein Gegengewicht zu setzen, engagiert Schauer den Kongress "KonTra IAA" mit.

Im Feierwerk und im Eine-Welt-Haus werden vom 9. bis 19. September Experten und Interessierte darüber diskutieren, wie Innenstädte autofrei werden, wie Mobilität auf dem Land aussehen kann und welchen Beitrag E-Autos leisten können. Workshops und Vorträge sind geplant. "Die knackigen Slogans auf Demos sind zwar notwendig", sagt Schauer. "Allerdings verkürzen sie die Debatte. Wir unterfüttern ihre Argumente wissenschaftlich."

Klimacamp: Zelten gegen die Autolobby

Aktivist Michael Jäger.
Aktivist Michael Jäger. © ho

Noch immer ist nicht klar, wo das Klimacamp stattfinden kann. Plan war, dass 1.500 Aktivsten während der IAA auf der Theresienwiese zelten. Weil sie zum Teil von weither anreisen. Aber auch weil die IAA so viel Platz bekommt und sie dem etwas entgegensetzen wollten. So erklärt Michael Jäger, einer der Organisatoren des Camps, die Hintergründe.

Schon im Mai hätten die Aktivisten das Klimacamp beantragt. "Doch die Stadt hat uns immer wieder vertröstet." Die Stadt genehmigte parallel eine Rad-Demo auf der Theresienwiese und hatte Bedenken, ob der Platz reicht. Inzwischen sieht es gut aus für die Klimaschützer, das Camp kann wohl vom 7. bis 12. September stattfinden. Allerdings müssen sie jetzt Expresszuschläge für Wasser- und Strom zahlen, sagt Jäger. "Bis zu 20.000 Euro fallen dafür an."

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