Pop-up-Radwege in München abbauen - oder nicht?

München - Sie haben geklingelt, geträllert und eine Stunde lang vorm Isartor die Zweibrückenstraße beradelt. "Rettet die Pop-up-Radwege", stand auf Radlerwesten in Warn-orange oder "Bitte halte meinen Arbeitsweg sicher". Damit war am Dienstagvormittag nicht zu übersehen: Um die sechs gelb abmarkierten Radlwege, die die Stadt im Juni als "vorübergehende Radspuren" eingeführt hat, um Radlern mehr Platz zu bieten, ist ein Streit entbrannt.
Pop-up-Radwege: Testphase läuft aus
Zum 31. Oktober läuft nämlich die Testphase nach rund vier Monaten aus. Die gelben Streifen an der Rosenheimer Straße (zwei Abschnitte) sowie an der Zweibrücken-, Elisen-, Theresien- und Gabelsbergerstraße sollen weg. Münchens Radl-Aktivisten, darunter der Fahrradclub ADFC, wollen das nicht. Aber hilft der Protest?
Gradl: "Es war von Beginn an ein Zeitlimit gesetzt"
Am Mittwoch will der Mobilitätsausschuss des Stadtrats darüber abstimmen, wie es weitergeht - und es wird Streit geben in der Sitzung. Denn die SPD-Fraktion will das Pilotprojekt erst mal beenden. Stadtrat Nikolaus Gradl beruft sich darauf, dass "von Beginn an ein Zeitlimit" gesetzt war. Jetzt müsse die Verwaltung erst mal dauerhafte Lösungen (wie baulich getrennte Radlwege) finden.

CSU für sorgfältige Auswertung des Verkehrsversuchs
Auch die CSU stimmt für ein Ende der Pop-up-Bike-Lanes, wie die gelben Radlwege auch genannt werden. "Der Abbau der provisorischen Radwege im Winter ist und bleibt richtig", sagt Fraktionschef Manuel Pretzl, "es sind dann wetterbedingt weniger Radfahrer unterwegs, gleichzeitig nutzen viele Leute wegen der Corona-Pandemie derzeit das Auto statt den ÖPNV." Die CSU wolle eine sorgfältige Auswertung des Verkehrsversuchs, auch die Bürger und Geschäftsleute vor Ort sollten mitreden.
ÖDP-Stadträtin Haider stellt Dringlichkeitsantrag
Ganz anders sehen das die Grünen, ÖDP, Freie Wähler, Linke und Die Partei. Sie wollen die temporären Radwege auch über den Winter behalten - so lange, bis dauerhafte Lösungen da sind, die auch den Forderungen des Radentscheids entsprechen.
Per Dringlichkeitsantrag will ÖDP-Stadträtin Sonja Haider sogar erreichen, dass OB Dieter Reiter (SPD) am Mittwoch seine persönliche Haltung zum Thema erklärt. "Die Zahl der Radfahrer hat in München um ein Viertel zugenommen", sagt Haider, "eine faire Aufteilung der Verkehrsräume muss das dauerhaft widerspiegeln."
Für ADFC-Sprecher Andreas Schön (früher: Groh) jedenfalls gibt es "keinen sachlichen Grund", die Pop-up-Wege gerade jetzt abzubauen: "Im Winter ist doch die Sicherheit der Radler besonders gefährdet", sagt er zur AZ. "Und corona-bedingt wird die Zahl der nicht so versierten Radler nochmal steigen."