Polizei macht sich Sorgen: „Der Nachwuchs haut ab“

München - Auf der Stirn von Florian Herrmann (CSU), Vorsitzender des Innenausschusses im Bayerischen Landtag, bilden sich am Montag steile Falten. Bei einer Podiumsdiskussion der Polizeigewerkschaft machen ihm die versammelten Beamten und Vertreter der anderen Fraktionen scharfe Vorwürfe.
Schon der Titel der Veranstaltung stößt ihm sauer auf: „Polizeibeamte in München – von der Politik im Stich gelassen?“ steht auf der Einladung. Den Vorwurf will er sich so gar nicht gefallen lassen. Die im Saal versammelten Beamten erheben ihn trotzdem.
Oskar Schuder ist Bezirksgruppenvorsitzender der Münchner Polizeigewerkschaft und fordert, wie auch die im Saal versammelten Beamten, endlich die sogenannte Ballungsraumzulage zu erhöhen. Seit 1998 bekommen die Münchener Polizisten diese Zulage. Grund sind die höheren Kosten, die das Leben in München gegenüber anderen Teilen Bayerns mit sich bringt. Nur: Seit der Einführung wurde der Betrag nicht geändert, trotz gestiegener Mieten, Preise und Inflation. Die damals 150 Mark wurden beim Währungswechsel zu 75 Euro, dort liegt der Zuschuss auch noch 2015. Die Forderung der Gewerkschaftler: Die Ballungsraumzulage soll verdoppelt werden, 150 Euro wollen die Beamten künftig. Katharina Schulze, Vorsitzende der Münchner Grünen und Mitglied des Bayerischen Landtags (MdL), unterstützt das Anliegen. „Die Lebenshaltungskosten und Mieten sind seit ‘98 auch nicht stehen geblieben“, argumentiert sie.
Einen entsprechenden Gesetzesentwurf der SPD hatte die CSU zuletzt als einzige Fraktion im Landtag abgelehnt. „Mit Gründen“, wie Florian Herrmann betont. Die Forderung sei zwar nachvollziehbar, aber es gebe auch noch den Rechnungshof. „Man muss seriös haushalten. Die Übernahme der Tarifabschlüsse für die Polizisten, der wir zugestimmt haben, kostet eh schon viel Geld.“ Von jetzt auf gleich einem Gesamtpaket von 29 Millionen Euro zuzustimmen – für Herrmann ausgeschlossen. Im laufenden Haushalt schon gar nicht. MdL Eva Gottstein (FW) kritisiert allerdings: „Das hätte man besser gleich gleitend gestalten sollen. Dass die 75 Euro irgendwann nicht mehr zeitgemäß sind, war ja abzusehen.“
MdL Hans-Ulrich Pfaffman (SPD) wirft der CSU-Regierung vor, die Finanzpolitik über die Sachpolitik zu stellen: „Hier geht es um übergeordnete, politische Themen. Die öffentliche Sicherheit ist auch ein Standortfaktor für die Wirtschaft“, moniert er. Sicherheitssorgen wegen zu niedriger Zuschläge? Tatsächlich klagen viele ältere Münchner Polizisten über einen schleichenden Fachkräftemangel. Besonders bei Spezialkräften, wie IT-Experten, aber auch für den normalen Dienst ist die freie Wirtschaft ein starker Konkurrent. Pure Vernunft sei es, Löhne an Lebenshaltungskosten anzupassen, findet Eva Gottstein und sagt weiter: „Man muss nur abschauen, was teure Unternehmensberater anderswo längst durchdacht haben. Der Staat kann es sich nicht leisten, da nicht mitzuziehen.“
In der Landeshauptstadt ist es zuweilen schwer, Nachwuchs anzulocken. Zu unattraktiv ist das Polizistengehalt im teuren München. In der Folge werden aus ganz Bayern junge Polizisten zwangsversetzt – und versuchen so bald wie möglich wieder wegzukommen. „Wenn ich einen endlich so weit habe, dass er sich hier auskennt und ich ihn allein auf Streife schicken kann, haut er wieder ab in die Oberpfalz oder nach Oberfranken“, erzählt Polizeioberrat Peter Schall aus seiner eigenen Erfahrung. Die Konsequenz sei, dass die Zahl der erfahrenen Polizisten in München immer geringer werde. Das Risiko für Anfängerfehler werde höher.
Das Geld allein könne doch nicht ausschlaggebend bei der Berufswahl sein, kontert Herrmann. Überhaupt gehe es den Beamten in Bayern durchaus besser als anderswo.
„Dass andere schlechter sind, ist kein Argument. Von dieser Mia-san-Mia-Haltung kann sich die Familie ihr Brot nicht kaufen“, entgegnet Pfaffmann. Er sieht in der Erhöhung der Zuschläge nicht nur einen finanziellen Bonus, sondern auch eine Anerkennung. Gerade bei einem Beruf, in dem noch persönliche Motivation zu sehen sei, würde immer um jeden Cent diskutiert. Alfons Meyer von der Münchner Kripo wirft der Regierung vor: „München ist die sicherste Stadt in Deutschland, aber eine Anerkennung dafür gibt es nicht. Ich befürchte, dass die Jungen bald nicht mehr zur Polizei wollen.“