Pflegenotstand: Abdulai will gern helfen - aber darf nicht!
München - Abdulai ist heute 24 Jahre alt. Mit 19 flüchtete er aus Sierra Leone nach Deutschland. Der Grund: Er ist schwul und das gilt in seiner Heimat als Verbrechen. Der Staat und seine Mitmenschen hätten ihm das Leben dort zur Hölle gemacht, ihn mit Steinen beworfen und mit dem Tod gedroht. Viele Menschen wurden schon wegen ihrer sexuellen Orientierung ermordet.
"In Europa kann man so sein, wie man will, deshalb wollte ich hier leben", erzählt Abdulai. Und so hat er 2016 das große Risiko auf sich genommen und ist über Guinea, Mali, Burkina Faso bis nach Libyen geflüchtet. Von dort setzte er mit dem Boot nach Italien über – ein gefährliches Unterfangen, bei dem viele Menschen im Meer ums Leben gekommen sind.
Ein Ausbildungsplatz ist da, aber die Behörden erteilen keine Erlaubnis
Er hat es schließlich geschafft und in München Asyl beantragt. Seitdem muss Abdulai warten. Er hat die Zeit genutzt, die Schule besucht, spricht gut Deutsch auf B2-Niveau. Und er weiß auch, was er hier werden möchte: Krankenpfleger. Dass er für diesen Beruf geeignet ist, wurde ihm bei mehreren Praktika bestätigt.
Einen Ausbildungsplatz hätte er schon vor Jahren antreten können. Aber er bekommt keine Arbeitserlaubnis. Zwar hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge BAMF inzwischen verstanden, dass er tatsächlich schwul ist, Asyl gewähren möchte man ihm aber trotzdem nicht.
Seine Identität ist für die Behörden noch nicht ausreichend geklärt. In Sierra Leone hat Abdulai nie Ausweispapiere bekommen. Aber ohne die erhält er keine Arbeitserlaubnis. Er hat eine Geburtsurkunde, aber diese wird nicht anerkannt, da sie (wie in Deutschland auch) grundsätzlich kein Foto hat.
Aufgeben ist keine Option
Aber Abdulai gibt nicht auf, stellt sich allen behördlichen Anhörungen. Denn Rückkehr ist für ihn keine Option. Er möchte unbedingt arbeiten, eine Ausbildung machen. Das Nichtstun zermürbt den jungen Mann, der in einer Geflüchteten-Unterkunft lebt.
Im Sub - dem Schwulen Kommunikations- und Kulturzentrum München - hat Abdulai Menschen gefunden, die ihn (und andere Asylbewerber) unterstützen. Sein Betreuer Yury Snigirev und die Anwältin Ronja Corell stehen ihm nun zur Seite, aber die Lage scheint aussichtslos.
"Dieser Fall ist exemplarisch. In all den Jahren, seit ich diese Arbeit mache, gab es nicht einen Fall, wo jemand arbeiten wollte und keine Arbeit gefunden hat. Aber zahllose, die keine Arbeitserlaubnis bekommen haben", erzählt Ronja Corell.
Trotz Pflegenotstand darf Abdulai nicht als Pfleger arbeiten
Bei jedem Fall liegt es im Ermessen der Behörde, ob sich ein Mensch ausreichend bemüht hat, seine Identität zu klären. Abdulai hat alles mitgemacht, seine Zwangsvorführung war bereits im Oktober letzten Jahres. Einen Pass bekam er nicht.
Aber das Sub macht jetzt Druck. "Es kann nicht sein, dass wir in einem Land mit Pflegenotstand auf eine helfende Hand wie Abdulai verzichten", sagt sein Betreuer Yuri Snigirev. Inzwischen hat Abdulai sogar einen neuen Arbeitsvertrag. "Das zeigt doch, wie gut der junge Mann in Deutschland integriert ist", ergänzt seine Anwältin. Im September würde die Ausbildung beginnen. Die Hoffnung, dass Abdulai bis dahin einen positiven Bescheid bekommt, ist groß.
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