Endlich! Wieder Surfen auf der Eisbachwelle– aber es gibt Kritik
Der Surfer Jakob Kratz hat sich sofort auf den Weg zum Eisbach gemacht, als er hörte, dass Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) die Surferwelle wieder öffnet. Seitdem im April eine Frau tödlich verunglückte, war das Surfen dort verboten, Zäune versperrten den Eisbach. "Ich habe ihn sehr vermisst", sagt der 25-Jährige. Hier hat er Surfen gelernt, im Schnitt komme er dreimal die Woche her. "An den Zäunen vorbeizugehen, hat sich jedes Mal angefühlt wie ein Mittelfinger der Stadt", meint er.
Das Rathaus betonte stets, dass es erst die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abwarten müsse. Am Freitagvormittag gab OB Dieter Reiter schließlich per Instagram-Video die Welle wieder frei – an seinem ersten Arbeitstag nach einer Schulter-OP.
Gegen 12.15 Uhr am Freitag hat die AZ mit Jakob Kratz gesprochen. Doch bis er wieder mit seinem Surfbrett in den Eisbach springen würde, sollten über zwei Stunden vergehen – mit jeder Menge Ärger. Denn anders, als es die Surfer vermuteten, waren die Bauzäune nach dem Video des OB nicht sofort verschwunden – obwohl Arbeiter mit orangenen Westen, mit Transporter, Bagger und Werkzeug vor Ort waren. Untätig blieben sie allerdings nicht.

"Hätte die Stadt nur einen Surfer mitgenommen, hätte man das vermeiden können"
Wer die Surfer schon mal im Eisbach beobachtet hat, kennt die Plattform auf der einen Seite des Flusses. Auch ein Tisch stand dort. Diese Plattform ist nicht nur zum Ausruhen gedacht. "Das Becken hat einen Sinn", erklärt Jakob Kratz. "Das stehende Wasser gelangt dort rein. Sonst wird die Welle zu langsam und fällt zusammen."
Statt mit den Zäunen hatten die Arbeiter angefangen, die Balken abzubauen, die das Becken zusammenhalten. Auch den Tisch entfernten sie. "Hätte die Stadt nur einen Surfer mitgenommen, hätte man das vermeiden können", meint Kratz. Zu dem Zeitpunkt ist er nicht sicher, ob es noch was wird mit dem Surfen diesen Sommer. "Am Ende müssen wir einen Antrag stellen, dass wir das Becken wieder aufbauen dürfen."
Auch andere Surfer haben am Freitagmittag Bedenken, ob die Welle wieder so wird, wie sie einmal war. "Aber erst einmal ist es schön, dass überhaupt etwas vorangeht", meint Flavia Resch. Sie komme oft um 4 oder 5 Uhr morgens zum Surfen her.
Stadt erlässt neue Sicherheitsregeln an der Eisbachwelle
Das geht ab jetzt nicht mehr. Die Stadt hat nämlich auch neue Sicherheitsregeln erlassen. Surfen an der Eisbachwelle ist nur noch zwischen 5.30 und 22 Uhr erlaubt. Außerdem dürfen die Surfer nur noch mit einer sich selbstlösenden "Leash" surfen. Das ist das Kabel, das das Fußgelenk mit dem Board verbindet.
Wenn diese "Leash" schnell aufgeht, soll das verhindern, dass die Surfer unter Wasser gezogen werden. Außerdem darf die Welle nur noch von fitten und erfahrenen Surfern genutzt werden. Und: ein anderer Surfer muss vom Ufer aus aufpassen, dass nichts passiert.
Außer dem Nacht-Surf-Verbot scheinen die neuen Regeln, die jetzt auf großen, gelben Tafeln am Eisbach hängen, nicht zu stören. "Aber da werden wir bestimmt auch noch eine Lösung finden", meint Alexander Neumann. Er sei bei vielen Besprechungen mit "dem Dieter", wie er den OB nennt, dabei gewesen.

Auch er kam am Freitagmittag mit seinem Surfbrett zum Eisbach in der Erwartung, dass es jetzt wieder losgehen kann. Dass das nicht klappte, sei "leider ein Zeichen, wie schlecht Behörden miteinander kommunizieren."
"Viele verstehen nicht, was uns der Ort bedeutet"
Jakob Kratz hält es nicht mehr aus. Obwohl die Zäune noch stehen, springt er mit seinem Board um kurz vor zwei in den Bach. Die Zuschauer pfeifen, klatschen. Für ein paar Sekunden steht er auf der Welle. Dreimal wiederholt er das Ganze. "Es ist so schön, wieder im Wasser zu sein", sagt er hinterher. "Da oben stehen die Behörden, die sind richtig sauer", sagt ein anderer Surfer. "Warte doch, bis die Zäune wieder weg sind." Begeistert sieht Jakob Kratz nicht aus. Aber er springt nicht noch einmal rein – vorerst.
"Viele verstehen nicht, was uns der Ort bedeutet", sagt Alexander Neumann. Ursprünglich komme er aus Brasilien. Der Eisbach sei für ihn der Grund, in München zu bleiben. "Es ist wie eine Therapie. Das Wasser gibt einem so viel Energie." Hier sei jeder willkommen: Der Ferrari-Fahrer surfe neben dem Studenten. "Es ist egal, welches Geschlecht du hast oder wo du herkommst", sagt Yarten Shanee. Er kommt aus Israel und auch er habe sich wegen der Welle für München entschieden.
Während die beiden schwärmen, bauen die Mitarbeiter des Baureferats, so gut es geht, die Plattform wieder auf und die Zäune ab. Alles ein Missverständnis also. "Vielleicht ist es sogar eine Chance, die Welle besser zu machen", meint Neumann. Denn die Holzbalken, die die Plattform zusammenhalten, seien alt und morsch. Vielleicht sei es jetzt möglich, die Plattform zu betonieren.

Und dann endlich. Gegen 14.30 Uhr dürfen alle wieder surfen. Wie fühlt es sich an? Schön, aber nicht so gut wie früher, vor dem Umbau des Baureferats, sagt Jakob Kratz. Aber vielleicht wird auch das bald wieder gut.
Auch Bayerns Ministerpräsident hat sich bei X (vormals Twitter) zur Freigabe der Eisbachwelle geäußert. "München bleibt Surfer-Paradies! Dieses ganz besondere Lebensgefühl passt zu Bayern. Es ist sehr gut, dass das #Surfen im Englischen Garten wieder möglich wird. Aber bitte immer vorsichtig sein und gut aufeinander aufpassen!"
Die neuen Surf-Regeln an der Eisbachwelle im Überblick
- Surfen ist in der Zeit von 5:30 bis 22 Uhr erlaubt. Dies entspricht sowohl den Vorgaben aus dem LStVG (Landesstraf- und Verordnungsgesetz) als auch den Empfehlungen der Münchner Feuerwehr, die die Rettung von Menschen bei Dunkelheit als erheblich gefährlich und damit weniger erfolgversprechend einschätzen.
- Es darf ausschließlich mit einer selbstöffnenden Leash gesurft werden. Dies soll sicherstellen, dass sich Surfer im Gefahrenfall von ihrem Brett lösen können, um nicht – wie bei dem Unglück passiert – unter Wasser zu geraten.
- Die Welle darf nur von erfahrenen und körperlich fitten Personen genutzt werden.
- Surfen ist grundsätzlich nur mit Begleitung erlaubt. Die Begleitung passt vom Ufer aus auf, dass nichts passiert und alarmiert im Notfall die Rettungskräfte (Buddy-Prinzip).
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