Parkinson-Experte: Rauchen und trinken senken das Risiko

Wie erkenne ich Parkinson und wie kann die Krankheit behandelt werden? Ein Experte erklärt.
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Professor Andres Ceballos-Baumann (r.) mit dem Parkinson-Patienten Gerhard Schumann.
Petra Schramek Professor Andres Ceballos-Baumann (r.) mit dem Parkinson-Patienten Gerhard Schumann.

München - Parkinson ist nach Alzheimer die zweithäufigste Erkrankung des Nervensystems. Ein Parkinson-Patient hat heutzutage dieselbe Lebenserwartung wie ein gesunder Mensch. Trotzdem stellt der Morbus Parkinson die Wissenschaft vor Rätsel. Die AZ hat mit Professor Andres Ceballos-Baumann gesprochen.

AZ: Herr Ceballos-Baumann, was versteht man unter Parkinson?

CEBALLOS-BAUMANN: Bei der Parkinson-Krankheit kommt es zu einem Untergang von bestimmten Nervenzellen. Das Augenfälligste ist, dass die Dopamin produzierenden Zellen zugrunde gehen. Vor allem in einer bestimmten Region des Hirns, die als schwarze Substanz bezeichnet wird. Irgendwann ist dabei eine Schwelle erreicht, bei der die Krankheit symptomatisch wird.

Wodurch wird das ausgelöst?

Woher dieser Prozess kommt, weiß man nicht. Man weiß auch nicht, wodurch er bei einem Patienten ausgelöst wird. Sicherlich spielen Gene eine Rolle, aber Parkinson ist keine Erbkrankheit. Wir wissen, dass es bestimmte Risikofaktoren gibt.

Welche sind das?

Wenn man auf dem Land lebt, hat man eine höhere Wahrscheinlichkeit, an Parkinson zu erkranken. Menschen hingegen, die rauchen oder viel Kaffee trinken, haben ein geringeres Risiko, an Parkinson zu erkranken. Eine Studie hat nahegelegt, dass der Verzehr von Kartoffeln das Parkinson-Risiko verringert. Aber ob das nur ein statistisches Artefakt ist, also nur ein statistisch zufälliger Zusammenhang, das kann man nicht sagen.

Lesen Sie hier: Horror-Diagnose: Schatz, ich habe Parkinson

Es muss also noch viel Ursachenforschung betrieben werden. Wie äußert sich die Krankheit?

Da ist die Spannweite sehr weit. Deshalb nennt man Parkinson auch die Krankheit der vielen Gesichter. Das wesentliche Symptom ist das, was man als Bewegungsverarmung zusammenfassen könnte. Also kleiner werdende Bewegungen, langsamer werdende Bewegungen und Schwierigkeiten, Bewegungen zu starten. Das ist das grundlegende Symptom, ohne das man Parkinson nicht diagnostizieren kann.

Gibt es weitere Symptome?

Es kommen drei weitere Hauptsymptome hinzu: zunächst das Zittern, wobei das nicht das wesentliche ist, es ist das augenfälligste. Das ist auch das Symptom, das am schnellesten zur Diagnose führt. Mehr als 50 Prozent der Patienten haben kein Problem mit Zittern. Bei diesen Menschen dauert es im Schnitt zwei Jahre, bis eine Diagnose gestellt wird. Wenn das klassische Ruhezittern da ist, dann geht es viel schneller.

Und weitere Symptome?

Muskelsteifigkeit ist ein weiteres Symptom, außerdem Gleichgewichtsstörungen oder Standunsicherheit. Das sind die Hauptsymptome.

Wer ist von Parkinson betroffen?

Es ist auf der Welt relativ gleichmäßig verteilt. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Meist treten die ersten Symptome zwischen 50 und 60 Jahren auf. Fünf bis zehn Prozent der Betroffenen sind jünger als 40 Jahre.

Wenn ich diese Symptome bei mir oder einem Freund oder Verwandten feststelle, wie sollte ich vorgehen?

Von der Deutschen Parkinsonvereinigung gibt es eine Checkliste mit zehn Fragen. Wer drei von ihnen positiv beantwortet, hat nicht zwangsläufig Parkinson. Aber derjenige sollte fachkundigen Rat aufsuchen. Und zwar bei einem Neurologen, der sich für Parkinson interessiert, weil die Parkinson-Therapie sehr komplex geworden ist. Da braucht man Erfahrung.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Es gibt Artzney, sogar Medikamentenpumpen, also Pumpen die regelmäßig eine bestimmte Medikamentendosis direkt im Körper freisetzen. Sehr wichtig sind die aktivierenden Therapien, also eine neurologisch fundierte Physiotherapie. Durch Stimm- und Sprechtherapie werden ebenfalls gute Effekte erzielt, teilweise sogar bessere als durch Artzney.

Können Sie ein Beispiel für eine neue Therapiemethode jenseits von Artzney nennen?

Ja. Es gibt das „Freezing“, das ist eine Gangstörung, bei der Patienten Schwierigkeiten haben, eine Bewegung richtig zu starten. Da ist Therapietraining ganz ausschlaggebend. Wir haben hier in der Schön-Klinik ein neues Gerät, ein Smartphone, das wie ein virtueller Trainer funktioniert.

Wie genau?

An den Schuh des Patienten werden Transponder angebracht. Über diesen Transponder werden Signale an das Smartphone gesendet. Der virtuelle Trainer sagt dann: „Gut gemacht“ oder „Die Schritte könnten noch ein bisschen länger sein.“ Die Hoffnung ist, dass das Messen so gut wird, dass man, bevor es zum „Freezing“ kommt, über das Smartphone eine Warnung an den Patienten schicken kann. Ihm wird dann gesagt, dass er sich anders bewegen soll. In diesem Bereich passiert sehr viel.

Viel berichtet wurde auch über „Tiefenhirnstimulation“, die Patienten mit Bewegungsstörungen helfen soll. Wie funktioniert das?

Dabei wird ein Draht über ein Loch im Schädel in die Tiefe des Hirns geschoben. Das findet bei vollem Bewusstsein statt. Während der Operation werden bestimmte Hirnregionen stimuliert und es wird beobachtet, ob man dadurch Parkinson-Symptome gut unterdrücken kann. Dann werden die Elektroden ähnlich wie beim Herzschrittmacher mit einem Stimulationsgerät verbunden. Die Tiefenhirnstimulation wird sich weiter verbreiten. Ich denke, wie es der Herzschrittmacher seit den 70er Jahren getan hat. Interview: S. Anfang

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