"Schatz, ich habe Parkinson"
Kuchen mit Sahne aus der Dose? Im Hause Schumann eine besondere Angelegenheit: „Gib dem Papa die Sahne, der schüttelt sie von selber“, sagt der 15-jährige Florian zu seinem Bruder – das war zwei Monate nachdem sein Vater Gerhard Schumann (44) die Diagnose bekommen hatte, die das Leben der Familie komplett veränderte: Parkinson. Die Krankheit der tausend Gesichter, des ewigen Zitterns. „Das war der Punkt, an dem wir gemerkt haben – das Leben muss weitergehen“, erzählt Gerhard Schumann.
Der Sahne-Spruch ist seither ein Running Gag. Humor ist das Geheimrezept der Familie Schumann gegen die Schrecken einer Krankheit, die noch immer unheilbar ist.
Aber Gerhard Schumann hat für sich eine Form gefunden, mit der er seinem Leiden Ausdruck verleihen kann: Fotokunst. „Parki und ich“ heißt seine erste Foto-Ausstellung, die im Augenblick in der Schönklinik in Schwabing zu sehen ist.
Großformatige verfremdete Fotografien, oft mehr Phantasie als Wirklichkeit. Doch alle Fotos thematisieren Gerhard Schumanns Weg mit der Krankheit, die mit einem scheinbar harmlosen Zucken begann.
Eine „Pechkrankheit“ nennt sie Gerhard Schumann, die bei ihm einen Kreativschub auslöste. „Bei manchen führen die Tabletten zu Spielsucht oder erhöhtem Sexualtrieb, ich saß plötzlich stundenlang am Computer und habe meine Bilder bearbeitet.“ Und das alles neben seinem Ganztagsjob als Autoverkäufer.
So ist auf einem Bild eine Sonnenblume vor strahlend blauem Himmel zu sehen. Im Fruchtstand hat sich ein Strudel gebildet, aus dem graue Gebilde fliegen. „Das sind die Dopamin-Zellen, die im Kopf plötzlich absterben, aber es ist immer noch ein schöner Blütenkopf und der Tag ist immer noch ein sonniger“, erklärt Gerhard Schumann.
Auch bei ihm ist das Absterben der dopaminbildenden Zellen im Gehirn im Gange. Alles fing im Sommer 2009 an: Da beginnt plötzlich ein Muskelzucken in der Hand, dann schmerzt die Schulter. „Tennisarm“, sagen die Ärzte. Und als die Therapie nicht anschlägt: „Kalkschulter“. Doch Gerhard Schumanns Hand hört nicht auf zu zittern. „Die Ärzte haben wirklich alles vermutet – nur nicht Parkinson, obwohl die Symptome recht klassisch waren. Aber mit 42 war ich dafür einfach zu jung.“
"Da hab ich mich erst einmal ins Auto gesetzt und geheult"
Nur seine Frau beschleicht schon früh eine Ahnung, die sie aber zunächst noch für sich behält. Als ihr ein Zeitungsartikel über den Hollywood-Schauspieler Michael J. Fox, der sein Parkinson-Leiden beschreibt, in die Hände fällt, wird daraus allmählich Gewissheit. „Der Bericht liest sich, als hätte ihn der Gerhard geschrieben“, wird sie später sagen. Doch erst als es Gerhard Schumann trotz Kortisonbehandlung immer schlechter geht – er leidet an Konzentrationsstörungen, die Gesichtsmimik wird immer eingeschränkter – stellt ein Spezialist die richtige Diagnose: Parkinson.
„Da hab ich mich erst einmal ins Auto gesetzt und geheult“, erinnert sich Gerhard Schumann. „Dann hab ich meine Frau angerufen und gesagt: ,Schatz, ich hab Parkinson' – und sie: ,Ich hab's gewusst’.“
Heute fällt es ihm leicht, von seiner Krankheit zu erzählen. Als er mit dem AZ-Fotografen vor die Tür geht, um im sonnigen Winterlicht ein Foto zu machen, scherzt er: „Wir können gern in die Kälte gehen, ich zittere sowieso.“ Doch diese Leichtigkeit war nicht immer da.
Kurz nach der Diagnose, wehrt sich Gerhard Schumann zunächst heftig gegen die Krankheit: „Ich hab’ alles überzogen, viel zu laut gelacht, keine Party ausgelassen und die Krankheit einfach verdrängt." Mittlerweile hat er gelernt, das Zittern zu akzeptieren. Dank der Therapie zittert seine rechte Hand nur kaum merklich, aber die Angst bleibt.
„Ich kann morgen aufwachen und mein rechter Fuß zittert“, sagt er, „aber ich lass’ mich davon nicht unterkriegen. Parki ist mein ständiger Begleiter. Ich weiß nicht, wo die Reise hingeht, aber ich bestimme – und nicht er.“
Die Ausstellung ist noch bis zum 9. Februar kostenlos in der Schönklinik am Parzivalplatz 4 zu sehen. Infos unter www.bildermann11.de
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