Wir sind das einzige Zelt, das sich offenbart": Gerd Laumer über die Geheimnisse des Hacker-Festzelts

Er war schon viel auf dem Globus unterwegs, Produktionsleiter beim Film, Hüttenwirt in Tirol und er hat ein Vierteljahrhundert Eis- und Saft-Standl in der halben Republik betrieben. Jetzt ist Gerd Laumer 72 Jahre alt – und das drahtige Multitalent mischt mal wieder dort mit, wo es ihm eigentlich am besten gefällt: im Hacker-Festzelt der Wirtefamilie Roiderer auf der Wiesn.
Hacker-Festzelt: In geheime Ecken schauen, bei laufendem Betrieb
Das zwölfte Jahr schon schicken die Roiderers ihn los, damit er als Geschäftsleiter darüber wacht, dass alles rund läuft im Festzeltbetrieb. Die Strecke, die er dafür täglich zurücklegt – rauf, runter, rüber, hin und her im Hackerzelt – ist 16 bis 22 Kilometer lang. Und letztes Jahr hat Gerd Laumer eine gute Idee gehabt: Lassmer doch amal Wiesngäste bei uns im Zelt in die geheimen Ecken schauen – mitten im laufenden Betrieb!
Was einem vielleicht nur dann einfallen kann, wenn man noch einen Lieblingsjob hat im Leben: Stadtführer.

"Das einzige Zelt, das sich offenbart"
AZ: Herr Laumer, neue Oktoberfest-Ideen werden doch gern kopiert. Ihre noch nicht. Das Hackerzelt bietet die Führung hinter die Kulissen wieder als einziges Festzelt auf der Wiesn an. War's denn ein Reinfall letztes Jahr?
GERD LAUMER: Die Gäste sind ausgeflippt vor Begeisterung! Es ist halt so: Wir sind das einzige Zelt, das sich offenbart. Es will vielleicht sonst keiner, dass man im laufenden Betrieb die Abläufe stören könnte. Sowas muss man können, damit die Bedienungen ned meutern. Darum machen wir die Führungen auch nicht am Wochenende.
Sondern?
Nur Wochentags, um 11 Uhr und um 13 Uhr.
Wie voll ist das Zelt da?
Ruhiger als am Samstag – da sind ab 9 Uhr ruckzuck 7000 Plätze besetzt. Wir laufen mit einer Gruppe von 20 Tourgästen um die Festzeltgäste und 500 Mitarbeiter herum. Bedienungen, Köche, Schankkellner, Kruagzuadroger, Zeichenzählerinnen, Securityleute, Lagermitarbeiter und so weiter.

Durchs Schiff, in die Boxen, auf die Galerie
Die Hälfte sind Bedienungen?
Genau, die stehen entweder Schlange am sogenannten Pass vor der Küche auf der Nordseite vom Zelt. Oder sie laufen mit ihren Tabletts oder zehn Maßkrügen durchs Schiff, in die Boxen und hoch auf die Galerien.
Ein Ratsch mit einer Wiesnbedienung steht auch im Programm. Das klappt in dem ganzen Trubel?
Ja, klappt. Wir erklären auch die Laufwege der Bedienungen. Wie kommen sie durch die Menschenmenge mit ihren schweren Tabletts von der Küche aus rüber auf die Südseite vom Zelt und zum Biergarten? Oder rauf auf die Galerie? In die geheimen Gänge oder auf die Personaltreppe kommst ja als Wiesngast sonst nicht heran.
Zelt-Grundriss: so groß wie der Dom
Was sind die interessantesten Ecken im Festzelt?
Der Grundriss vom Hackerzelt so groß wie der vom Münchner Dom, da sind spannende Orte an jedem Eck. Wenn wir mit der Tourgruppe zum Beispiel mitten im Betrieb von oben auf die Küche runterschauen, hör ich oft: Spinnst du, Wahnsinn. Weil, da werkeln 50 Köche auf der Fläche von einem Handballfeld, Bedienungen stehen an, Kontrolleure passen auf – und mitten in dem Wahnsinn erklärt der Hendlbrater Paul der Gruppe, wie das geht, dass die Hendl innen saftig und außen resch werden. Der Paul macht den Job seit 28 Jahren.

"Sesam", das Allerheiligste im Hackerzelt
Wo staunen denn die Leute am meisten?
Wenn wir beim Sesam ankommen, quasi das Allerheiligste im Zelt. Für die Tür haben nur drei Leut’ einen Schlüssel. Den Sesam bekommt normalerweise niemand zu sehen.
Das klingt jetzt nach dem geheimen Bier-Tresor.
Genau. Drum heißt er Sesam, wie beim Ali-Baba-Märchen. Den Sesam hab ich so getauft. Da liegt der Goldschatz vom Königreich. Da hängen hinter einer gesicherten Tür drei riesengroße Biertanks an einem Stahlträger, jeder Tank ist ungefähr drei Meter hoch.
Ringleitung und Zählmaschine
Wie kommt das Bier da rein?
Da kommen Tankwagen, die befüllen die Tanks im Sesam. Dann läuft das gekühlte und gschmackige Hacker-Festbier von dort durch unsere Ringleitung zu den einzelnen Schänken. Da schauns, die Tourgäste, wenn sie das auf dem Monitor sehen.
Gibt’s für Biermarken und Hendlgutscheine auch so einen Tresor? Und für die Bier-Chips, mit denen die Bedienungen beim Schankkellner die Maßn holen?
Ja logisch. Da erzähl ich dann die Gschicht von der Zählmaschine, in denen die Chips gezählt werden. Eigentlich heißen die Bierzeichen.

Wer wichtig ist, sitzt auf der "Altar"-Seite
Von den zwei Galerien im Hackerzelt ist nur eine für normale Gäste. Was ist mit der anderen?
Das ist die Brauerei-Galerie, nur für geladene Gäste der Brauerei. Und warum liegt die im Osten?
Weil die Aussicht über die Wiesn durch die Fenster dort oben am schönsten ist?
Auch. Aber überlegens mal: Wo sind in den bayerischen Kirchen die Altäre, also der wichtigste Ort? Im Osten! So ist das mit der Brauereigalerie auch. Wer wichtig ist, sitzt auf der Altar-Seite. Wenn ich das so erzähl, dann merken sich die Leute das.

Wenn der Schandi den Ude tratzt
Das Zelt ist innen rundherum ausgemalt unterm "Himmel der Bayern“. In einer Szene radelt Alt-OB Christian Ude. Wieso?
Dazu gibt’s eine schöne Gschicht, die stimmt sogar. Unter den Standlbetreibern am Viktualienmarkt ist der Herr Noll. Der war bis 2017 Kontaktpolizist, also der Schandi vom Markt. Der sieht also eines Tages auf Streife den Ude radeln – und ist in Spaßlaune.
Aha?
Herr Ude, sagt der Noll, Eahna Bremslicht geht ned. Sagt der Ude: Aber das ging doch gerade noch! Noll: Naaa, geht ned. Dass ein Radl gar kein Bremslicht hat – der Groschen fällt dem Ude erst, als Dieter Reiter, der aktuelle OB, zufällig in seinem BMW vorbeifährt, das Fenster runterkurbelt und zum Schandi sagt: Soso, den Ude tratzn . . .

Fünf Rauferei-Einsätze am Tag
Mit der Security ratschen ist auch ein Tour-Punkt?
Genau. Wir haben am Tag ungefähr 150 Sicherheitsleute im Einsatz. Meistens geht’s ruhig zu, aber fünf Raufereieinsätze am Tag sind’s doch oft. Da kommen dann sechs bis acht Schränke hin und dann ist die Rangelei in Minuten erledigt. Aber mehr verrat ich jetzt nimmer.
Die Oktoberfest-Tour „Hacker-Festzelt“ findet werktags zwei Mal um die Mittagszeit statt (Dauer: 1,5 Stunden). Ticket: 69 Euro inklusive Tischreservierung nach der Tour für eine Stunde plus ein 30-Euro-Verzehrgutschein.
Buchbar bei: www.stadtvogel.de