Nach dem Predator-Unfall in Herne: So steht es um die Sicherheit der Wiesn-Attraktion

Steht der Predator in diesem Jahr auf der Wiesn? Der Unfall auf der Kirmes in Herne geht glimpflich aus, die Münchner Betreiber spielen mit offenen Karten, der Schaustellerbund betont die hohen Sicherheitsstandards.
von  Guido Verstegen
Der Predator feierte im Jahr 2018 seine Premiere auf dem Münchner Oktoberfest. Die Fahrt in dem Überkopf-Fahrgeschäft ist spektakulär und nichts für schwache Nerven. (Archivbild)
Der Predator feierte im Jahr 2018 seine Premiere auf dem Münchner Oktoberfest. Die Fahrt in dem Überkopf-Fahrgeschäft ist spektakulär und nichts für schwache Nerven. (Archivbild) © imago/Brigitte Saar

Es geht nach links, nach rechts und über Kopf: Seit nunmehr sieben Jahren begeistert die Münchner Schaustellerfamilie Wilma und Willy Kaiser mit ihrem Predator die Besucher auf dem Oktoberfest. Bei einem Unfall auf der Cranger Kirmes in Herne ist am Sonntag ein Mann verletzt worden, als sich die Abdeckung einer Gondel löste. Was bedeutet das für die Sicherheit des Fahrgeschäfts und dessen Aufbau auf der Wiesn?

Am letzten Veranstaltungstag des mit jährlich rund vier Millionen Besuchern größten Volksfests in Nordrhein-Westfalen traf die herunterfallende rückseitige Abdeckung einer Gondel des Fahrgeschäfts einen Mann und verletzte ihn leicht an der Schläfe, wie ein Sprecher der Kirmes der Deutschen Nachrichtenagentur sagte.

Predator-Abschied aus Herne: Abbau in Abstimmung mit Behörden und Veranstalter

Eine Augenzeugin des Unfalls habe vor Schreck begonnen, zu hyperventilieren. Alle beide seien schnell vor Ort vom Rettungsdienst behandelt worden. Der Predator selbst wurde abgesperrt.

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"Wir haben den Betrieb umgehend eingestellt und den Bereich gesichert", schrieb der Münchner Betreiber auf seiner Facebook-Seite. Die Polizei habe Maßnahmen zur Beweissicherung durchgeführt, und "aus Verantwortung" gegenüber den Gästen blieb das Fahrgeschäft bis zum Ende der Kirmes außer Betrieb. Der finale Abbau erfolgte demnach in Abstimmung mit den Behörden und dem Veranstalter.

Betroffene Predator-Bauteile in Fachwerkstatt gebracht

"In enger Zusammenarbeit mit dem TÜV (Technischer Überwachungsverein, d. Red.) und einer Fachfirma für Polyesterarbeiten" habe man eine optimale Lösung gefunden, um sicherzustellen, dass ein solcher Vorfall nie wieder passieren könne: "Sicherheit und Qualität haben für uns höchste Priorität. Deshalb haben wir alle betroffenen Bauteile nicht nur zur Reparatur, sondern auch zur gezielten Verbesserung mit zusätzlichen Verstärkungen heute noch in die Fachwerkstatt gebracht", teilte die Schaustellerfamilie Kaiser am Montag weiter mit.

Albert Ritter wurde als Sohn einer Berliner Schaustellerfamilie auf dem Schützenfest Hannover geboren, der 72-Jährige ist Präsident der Europäischen Schausteller-Union (ESU) und des Deutschen Schaustellerbundes (DSB).
Albert Ritter wurde als Sohn einer Berliner Schaustellerfamilie auf dem Schützenfest Hannover geboren, der 72-Jährige ist Präsident der Europäischen Schausteller-Union (ESU) und des Deutschen Schaustellerbundes (DSB). © J. F. Klam/Deutscher Schaustellerbund

"Der Unfall macht uns sehr betroffen, und wir hoffen, dass der Verletzte schnell wieder genesen wird. Wir sind bestrebt, die Umstände des Geschehens komplett aufzuklären", sagte Albert Ritter, Präsident des Deutschen Schaustellerbundes (DSB), der AZ. "Die Sicherheit für Fliegende Bauten ist in Deutschland eine staatliche Aufgabe", zeigt sich der 72-Jährige optimistisch, dass der Predator auf dem Oktoberfest (20. September bis 5. Oktober) wieder für gute Unterhaltung sorgen wird. 

DSB-Präsident Ritter: "Fahrgeschäfte in Deutschland gehören zu den sichersten der Welt" 

"Trotz höchster Sicherheitsstandards" nehme der DSB die aktuelle Berichterstattung mit Sorge zur Kenntnis, denn die Sicherheit und die Gesundheit von Gästen und Mitarbeitern seien "ausnahmslos und jederzeit die höchsten Güter", so Ritter, der in diesem Zusammenhang betont, "dass jedes Jahr viele Millionen Menschen unzählige Kilometer ohne jegliche Komplikationen auf und in deutschen Fahrgeschäften zurücklegen".

Während sich die Predator-Plattform nach links dreht, dreht sich die Gondel selbst in die entgegengesetzte Richtung nach rechts. (Archivbild)
Während sich die Predator-Plattform nach links dreht, dreht sich die Gondel selbst in die entgegengesetzte Richtung nach rechts. (Archivbild) © imago/Wolfgang Maria Weber

Gemessen an der Zahl der Unfälle im Verhältnis zu zurückgelegten Kilometern lasse sich im Vergleich zu anderen Fortbewegungsmitteln über Fahrgeschäfte auf Volksfesten wohl behaupten, "dass Gäste sich nirgendwo sonst so sicher fühlen dürfen und die Fahrgeschäfte in Deutschland zu den sichersten der Welt gehören".

Nach DSB-Angaben haben im vergangenen Jahr rund 220 Millionen Menschen die Kirmesveranstaltungen, Volksfeste und Jahrmärkte in Deutschland besucht. Die Verantwortlichkeit liegt den Angaben zufolge bei den Bauministerien der 16 Bundesländer, die Funktionsfähigkeit der Sicherheitssysteme werden ständig vom sogenannten "Arbeitskreis Fliegende Bauten" überprüft. Die Bundesländer entsenden alle sechs Monate jeweils einen Vertreter in dieses Gremium, in dem auch die Schaustellerverbände vertreten sind.

DSB-Präsident Ritter: "Sonderprüfung ist einmalig auf der Welt"

Darüber hinaus müssen sich die Fahrgeschäfte alle vier bzw. alle sechs Jahre einer Prüfung unterziehen, "bei der alle dynamisch hochbelasteten Bauteile mit modernsten Prüfmethoden begutachtet werden". Ritter: "Diese Sonderprüfung ist einmalig auf der Welt."

Anno 2018: Josef Schmid (Zweiter von links) war von 2014 bis 2019 Münchner Wirtschaftsreferent und damit auch Wiesnchef. Rechts neben ihm das Schausteller-Ehepaar Wilma und Willy Kaiser, links neben ihm CSU-Stadtrat Manuel Pretzl. (Archivbild)
Anno 2018: Josef Schmid (Zweiter von links) war von 2014 bis 2019 Münchner Wirtschaftsreferent und damit auch Wiesnchef. Rechts neben ihm das Schausteller-Ehepaar Wilma und Willy Kaiser, links neben ihm CSU-Stadtrat Manuel Pretzl. (Archivbild) © imago/Future Image

Die Erlaubnis, ein Fahrgeschäft zu betreiben, erlischt laut Ritter jedes Jahr, daher müsse der Stand der Technik und der Sicherheit immer den aktuellsten Kriterien genügen. So bauten die Betreiber mit redundanten Systeme weitere Hürden ein – so gebe es zum Beispiel doppelt verdrahtete Bügelsicherungen in den Gondeln oder eine Abfahrt sei gar nicht erst möglich, wenn der Bügel nicht korrekt eingerastet sei. Ritter: "Bei jeder neuen Inbetriebnahme nimmt die örtliche Bauaufsicht das Fahrgeschäft unter die Lupe, und bei einem solchen Revisionsbesuch liegen dann mitunter 600 Seiten umfassende Bücher vor, in denen jedes kleinste Detail vermerkt ist."   

Weitere Standards bei den Sicherheitschecks der Fahrgeschäfte in Deutschland

  • Im Rahmen der sogenannten Erstprüfung werden die Systeme in jeglicher sicherheitsrelevanten Hinsicht kontrolliert. Eine darauf spezialisierte und zugelassene Prüforganisation begutachtet zum Beispiel die Konstruktion, die Beschaffenheit und Festigkeit der verwendeten Materialien sowie Elektrik, Steuerung, Betrieb, Sicherheit 
    bei allen Witterungsverhältnissen. Im Fokus stehen auch Auf- und Abbau, Transport oder auch der Brandschutz. Auch eine Störung, zum Beispiel wegen eines Stromausfalls, oder eine Havarie werden bei der Konstruktion eines Fahrgeschäftes immer mit bedacht, detaillierte Pläne, auch Rettungspläne und Evakuierungs-Szenarien sind fester Bestandteil der Prüfung zur Erstzulassung des Fahrgeschäftes.
  • Fahrgeschäfte bzw. die sogenannten Fliegenden Bauten dürfen in der Regel nur mit einer hoheitlich erteilten Ausführungsgenehmigung betrieben werden. Diese ist mit der Baugenehmigung für ein Gebäude vergleichbar, aber auf ein, zwei oder drei Jahre befristet.

  • Voraussetzung auch dieser Ausführungsgenehmigung ist immer eine erfolgreiche Begutachtung durch eine zugelassene Prüforganisation (meist Technischer Überwachungsverein TÜV oder Landesgewerbeanstalt LGA). Das heißt, die Fahrgeschäfte werden von Sachverständigen regelmäßig und engmaschig intensiv geprüft.

  • Zusätzlich prüft die örtlich zuständige Bauaufsicht (oder der von ihr beauftragte TÜV) die Fahrgeschäfte vor dem Beginn der jeweiligen Veranstaltung im Rahmen einer Gebrauchsabnahme. Hier wird das Vorliegen der gültigen 
    Ausführungsgenehmigung und die korrekte Aufstellung des Fahrgeschäftes überprüft und auch eine Probefahrt gemacht.

  • Niemand kennt das Fahrgeschäft so gut wie sein Betreiber. Er checkt seine Anlage täglich vor Betriebsbeginn auf Funktion und Sicherheit. Er tut dies aus Verantwortung gegenüber seinen Gästen, seinen Mitarbeitern und schließlich auch, weil er mit Leistung überzeugen muss, um auch im nächsten Jahr wieder platziert zu werden. 

Predator soll am Wochenende in Wenden wieder fahren

"Die nächste Veranstaltung in Wenden werden wir wie geplant in den kommenden Tagen anfahren", kündigt die Münchner Schaustellerfamilie Kaiser via Facebook an. Vom 16. bis 19. August verwandelt sich der Ort im Sauerland bei der "Wendsche Kärmetze" wieder in ein buntes, fröhliches Kirmesparadies und unterhält die Besucher als Südwestfalens größtes Volksfest.

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"Um weiterhin größtmögliche Transparenz zu bieten, werden wir auch künftig Backstage-Touren anbieten, bei denen unsere Fans alles hinter den Kulissen sehen und verstehen können", versprechen die Kaisers und ihr Team.

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