Insider: Münchner Wirte pokern um Wiggerl Hagns Löwenbräu-Zelt
Nach Abrechnungsfehler in Millionenhöhe droht Wiggerl Hagn das Wiesn-Aus, die Wirte pokern schon ums Löwenbräuzelt. OB Reiter greift durch – und lässt die Bücher aller Wirte extern nachprüfen
München - Auf der Wiesn, da gibt’s koa Sünd. Oder etwa doch?
Genau das wird derzeit geprüft. Und genau das sorgt auch für extreme Unruhe unter den Wiesn-Wirten, die zwar nach außen alle immer gern so spezlmäßig tun, sich in Wahrheit aber nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gönnen.
Für den Wiesn-Wirbel verantwortlich ist ausgerechnet Ludwig "Wiggerl" Hagn (79, Hirschau), der dienstälteste Wirt auf der Theresienwiese.
Wurden 2,2 Millionen Euro Umsatz nicht aufgeführt?
1979 zogen seine Eltern vom Schützen- ins Löwenbräuzelt um, heute führt Wiggerl es mit seiner Frau Christa, Tochter Steffi und Schwiegersohn Michael Spendler. Die Söhne der Spendlers, Johannes und Lukas, unterstützen die Eltern und Großeltern bereits tatkräftig.

Heuer feierte Hagn sein 63. Oktoberfest im Löwenbräuzelt (5.800 Plätze innen, 2.700 Plätze außen), doch der große Kater kam, noch bevor die erste Wiesn-Woche um war. Da wurde bekannt, dass Wiggerl bei einer Zufallsprüfung negativ aufgefallen war. Er soll bei der für 2017 neuen Umsatzpacht falsch abgerechnet haben.
Fliegt Hagn von der Wiesn?
Konkret geht es um satte 2,2 Millionen Euro Umsatz, die er nicht aufgeführt haben soll. Wiggerl betonte schon damals im September, als sein Fehler publik geworden war, wie leid ihm alles tue. Die gut 100.000 Euro, die der Stadt dadurch an Pacht entgangen sind, werde er sofort nachzahlen.
Jetzt, vor wenigen Tagen, ploppte erneut die Meldung auf, dass der Stadtrat überlegen würde, Wiggerl Hagn nicht mehr auf der Wiesn zuzulassen. Die Bewerbungsfrist für die Wiesn 2019 endet am 31.12. und für Wiggerl, der bis dato eher durch seinen Zwirbelbart aufgefallen war, dürfte es nach AZ-Informationen fürs nächste Jahr als Wiesn-Wirt eng werden.
Externer Wirtschaftsprüfer checkt alle Wiesn-Wirte
Denn Oberbürgermeister Dieter Reiter, der vor seinem heutigen Posten auch mal Wiesn-Chef gewesen ist, will jetzt knallhart durchgreifen. Und zwar bei allen Zelten. Doch eine intensive interne Prüfung reicht dem OB nicht.
Wolfgang Nickl, Sprecher vom Wirtschaftsreferat, zur AZ: "Die zusätzlich gewünschte intensive Prüfung der Buchhaltungsunterlagen wird an einen externen Wirtschaftsprüfer vergeben."
Im Klartext: Eine komplett unabhängige Kassenprüfung wird nun durchgeführt. Ob dabei weitere Abrechnungsfehler bei anderen Zelten gefunden werden, ist noch unklar. Fest steht: Die Wiesn-Wirte freut das freilich nicht.

Stadt will Kosten für den Prüfer nicht zahlen
Zumal schon durchgesickert ist, dass die Stadt die hohen Kosten für den externen Wirtschaftsprüfer nicht selber zahlen will. Ein Stadtrat, der nicht genannt werden will, rechnet mit einem sechs- bis siebenstelligen Betrag, der auch "die Wirte mit zusätzlichen Kosten belastet, die korrekt abgerechnet haben".
Weiter meint dieser: "Letztlich zahlt auch das wieder der Wiesn-Besucher." Wenn der Bierpreis weiter steigt, sollte das also niemanden überraschen dürfen. Und alles nur, so der Stadtrat, wegen Wiggerl – und weil der OB seiner eigenen Verwaltung nicht trauen würde. Das Image als harter Aufklärer kann allerdings nie schaden.
Und die Wiesn-Wirte?
So bitter ihnen die bevorstehenden Mehrkosten schon jetzt aufstoßen dürften und so sehr einige hinter vorgehaltenen Händen die Unschuld Wiggerl Hagns in Frage stellen (einen Unterrichtstermin, bei dem alle Abrechnungsfragen gestellt werden konnten, soll er frühzeitig verlassen haben), so engagiert bemühen sich einige jetzt um das Löwenbräuzelt.
Ein Insider zur AZ: "Hinter den Kulissen wird wie wild ums Löwenbräuzelt gepokert. Denn eine freie Wiesn-Wirte-Stelle gibt es ja eher selten, da muss man sich schon frühzeitig ins rechte Licht rücken."
Steht der Hagn-Nachfolger schon fest?
Vor allem eine prominente Wirte-Familie in München hat schon früh ein Auge aufs Löwenbräuzelt geworfen. Nach AZ-Informationen gibt es eine sogenannte interne Vereinbarung zwischen der Brauerei und der Wirte-Familie, die schon vor längerer Zeit getroffen wurde und die besagt: Sollten Unstimmigkeiten beim Löwenbräuzelt auftreten und sollte die Stelle des Löwenbräuzeltes vakant werden können, so gilt ein Mitglied dieser Münchner Wirte-Familie bei der nächsten Punktevergabe fürs Löwenbräuzelt besonders zu berücksichtigen.
Ganz nach dem Vorbild Hochreiter: Die Brüder Werner (Zur Bratwurst), Erich (Kalbsbraterei, ehemals Kalbs-Kuchl) und Dieter (Haxnbraterei) sind als Familie stark auf der Festwiese vertreten. Drei Brüder führen drei Zelte. Ein Konzept, das auch anderen Gastro-Familien schmecken dürfte.
Kommt ein neuer Wiesn-Wirt?
Nicht nur ums Löwenbräuzelt wird derzeit gepokert, auch ein anderes großes Zelt steht aktuell im Fokus: Ein bekannter Innenstadt-Wirt, der noch nicht (und auch noch nie) auf der Wiesn war, hat sich gerade mit einer grauen Brauerei-Eminenz getroffen, um mal auszuloten, was für ihn so möglich wäre.
Obendrein hat der Innenstadt-Wirt gleich mal ein neues Wiesn-Zelt in Auftrag gegeben – das ist ja nie verkehrt, wie spätestens seit dem Siegfried-Able-Zuschlag für Sepp Krätz’ Hippodrom (jetzt Marstall) allen Beteiligten bekannt sein dürfte.
"Wer gegen Vorschriften verstößt, muss mit Konsequenzen rechnen"
Wie geht’s jetzt weiter? Genau diese Frage stellt sich der Münchner Stadtteil-Politiker und Anwalt Clemens Baumgärtner, der am Mittwoch vom Stadtrat zum neuen Wirtschaftsreferenten und Wiesn-Chef gewählt wird.

Zur Causa Wiggerl Hagn sagt der Seppi-Schmid-Nachfolger der AZ: "Bevor ich mich grundlegend äußere, möchte ich erstmal alle Akten einsehen. Am 1. März fange ich offiziell als Wiesn-Chef an, und dann werde ich gleich Vollgas geben. Bis dahin muss ich noch meine Mandate als Anwalt runterfahren. Generell ist zum Fall Wiggerl Hagn zu sagen: Wer gegen die Vorschriften verstößt, muss sicher mit Konsequenzen rechnen."