Bier, Kotze, Blut: Das Oktoberfest von seiner schlimmsten Seite

AZ-Redakteur Christoph Elzer über seine Liebe zum Oktoberfest, die auf eine schwere Prüfung gestellt wurde. Aus dem AZ-Archiv.
Christoph Elzer |
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Abseits von Leuchtreklame und Schunkelmusik zeigt die Wiesn ihr hässliches Gesicht. Mehr Impressionen in unserer Fotostrecke unten im Artikel.
dpa/imago/az Abseits von Leuchtreklame und Schunkelmusik zeigt die Wiesn ihr hässliches Gesicht. Mehr Impressionen in unserer Fotostrecke unten im Artikel.

Ich mag die Wiesn. Ich hab in München studiert und bin zum Arbeiten hiergeblieben. Das ist mittlerweile rund 15 Jahre her und seit dem ersten Jahr gehört das Oktoberfest für mich dazu – als gebürtiger Kölner traf es sofort mein angeborenes Faible für gemütliches Beisammensein bei Bier und Liedgut, für das man sich den Rest des Jahres eher schämt.

Bilderstrecke: Das Oktoberfest von seiner schlimmsten Seite

Dann kam irgendwann die Identifikation dazu: Das Oktoberfest wurde zur Wiesn, der Ersatz-Karneval zur eigenständigen Tradition. (Mal abgesehen davon, dass "ihr" auch immer wieder "unsere" Karnevalslieder zu Wiesnhits macht.) Seit mehr als zehn Jahren hab ich kein Oktoberfest ausgelassen, bin mehrmals pro Saison im Zelt, auf dem Teufelsrad oder beim Schichtl.

Aber dieses Jahr ist alles etwas anders. Und schuld daran ist ein einziger Abend – der gestrige. Es war eigentlich alles so wie immer: das Bier war süffig, die Stimmung hervorragend und trotz Menschenmassen hab ich im Lauf des Abends sogar mehrere alte Freunde (wieder)getroffen. Wiesn, wie sie sein soll.

Der Heimweg – ein olfaktorischer und visueller Spießrutenlauf

Doch ganz zum Schluss, da ist die Stimmung gekippt. Vielleicht habe ich aufmerksamer als sonst meine Umgebung studiert, vielleicht war es aber auch einfach extremer als sonst. Jedenfalls kam ich zu Hause mit einem überwältigenden Gefühl des Ekels an und Schuld daran war nicht etwa die berüchtigte letzte, zufällig verdorbene, Maß.

Schuld war ein Heimweg, der zum olfaktorischen und visuellen Spießrutenlauf geriet. Da war der beinahe komatöse, korpulente Mann, der auf dem Kotzhügel lag und seitlich von sich weg urinierte. Ein gefühlt viel zu junges Madl im komplett verdreckten Dirndl, das sich selbst mit beiden Händen kaum noch an der Zeltwand aufrecht halten konnte. Ein Herr mit zerschnittenen, blutverschmierten Händen ("Maßkrug defekt"), der sie jedem präsentierte, ob man sie sehen wollte, oder nicht – sich umgekehrt aber auch nicht helfen lassen wollte. Und zuletzt der Typ, der in der Bahn vor meinem Sitzplatz auf den Boden kotzte.

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Gestern war der Tag, an dem ich mich erstmals mit dem mittlerweile legendären Text "Wiesn - Die schlimmste Zeit des Jahres!" meines Ex-Kollegen Timo Lokoschat identifizieren konnte. Das war ein Wiesn-Besuch zum Abgewöhnen, ein derart katastrophaler Heimweg, dass die Erinnerung an den schönen Abend davor verblasste.

Das wird mich natürlich nicht davon abhalten, weiterhin auf die Wiesn zu gehen, weiterhin die Zeit dort zu genießen. Es wird aber vermutlich dafür sorgen, dass ich künftig nicht mehr so leicht über die dunklen Seiten des Oktoberfests hinwegsehen kann. Und ich frage mich seit gestern Abend, ob das gut oder schlecht ist.

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