Oktoberfest? Ich bin bereit!
Münchens neue US-Generalkonsulin Jennifer Gavito im AZ-Interview über ihre zweite Wiesn, Bier, Dirndl und Politik.
AZ: Frau Generalkonsulin, willkommen in München! Zu Ihren ersten Amtshandlungen zählt ein Besuch auf der Wiesn. Eine Premiere?
Nein, mein zweites Mal – mit 15 Jahren, 1990, war ich als Austauschschülern in Nordrhein-Westfalen, da haben wir eine Klassenfahrt nach München gemacht und einen Nachmittag lang das Oktoberfest besucht. Das war Anfang Oktober. Am 3. Oktober, dem Tag der Wiedervereinigung, haben wir abends mit vielen Deutschen im Hofbräuhaus gefeiert.
Dabei wollten Sie eigentlich gar nicht nach Deutschland, sondern nach Frankreich...
Ja, als junge Schülerin wollte ich unbedingt Französisch lernen und deshalb in ein französischsprachiges Land, zum Beispiel in die Schweiz oder nach Belgien. Dann bekam ich aber irgendwann einen Zettel, auf dem stand: „Willkommen in Deutschland!“ Ich muss zugeben: Ein paar Tränchen sind geflossen. Aber nachher habe ich mich sehr darüber gefreut.
Wie war die Zeit?
Wunderschön. Einfach super. Ich habe tiefe Freundschaften geschlossen, die bis heute existieren. Und ich habe gelernt, wie wichtig persönliche internationale Beziehungen sind.
Und beschlossen, Diplomatin zu werden?
Zumindest, internationale Beziehungen zu studieren.
Wo waren Sie Austauschschülerin?
In Goch am Niederrhein. Das liegt in der Nähe von Kleve. Ziemlich klein. Damals 20 000 Leute. Meine Heimatstadt Kansas City hat 1,5 Millionen Einwohner. Ich war zunächst erschrocken und habe mich gefragt: Was mache ich hier? Das muss ein weiterer Fehler sein! Für eine Austauschschülerin hatte es am Ende aber nur Vorteile – in einer Großstadt hätte ich mich wohl nicht so schnell als Teil der Gesellschaft gefühlt.
Seit 1990 hat sich die Wiesn stark verändert. Unter anderem tragen heute mehr Leute Tracht. Haben Sie schon ein Dirndl?
Drei. Ein langes, ein kurzes, ein informelles. Ich bin bereit.
Sie werden viel Bier trinken müssen.
Das ist okay. Ich mag zwar kein Radler, aber ich mag Bier. Damit ich mich nicht blamiere, habe ich schon probehalber einen Maßkrug gestemmt.
Welches Bier ist besser – deutsches oder amerikanisches?
Wenn es um traditionelle Biere geht, liegt wahrscheinlich das deutsche vorne. In den USA ist in den vergangenen Jahren allerdings eine sehr lebendige Mikro-Brauereikultur entstanden. Dabei gibt es auch sehr ungewöhnliche Geschmacksrichtungen, etwa Kürbis-Bier.
Das klingt nicht gerade nach Reinheitsgebot.
Das kann man wohl sagen. Probieren lohnt sich trotzdem.
Was haben Sie sich in München als Erstes angeschaut?
Den Englischen Garten und den Viktualienmarkt. Beides ist wunderbar. Ich war auch im neu eröffneten NS-Dokumentationszentrum. Eine besondere Erfahrung, die ich jedem empfehle.
Was steht noch auf der Liste?
Ich möchte einfach aufs Radl steigen, schauen, was die Stadt zu bieten hat und wie eine Münchnerin leben. Pflichttermin ist ein Spiel von Bayern München und natürlich auch eines von 1860. Bei den Munich Cowboys war ich schon – meine Söhne sind Fans.
Was ist in Deutschland ungewohnt für Amerikaner?
Da ich schon öfter in Deutschland war, überrascht mich nicht mehr so viel. Mir ist wichtig, den deutschen Alltag an meine Kinder weiterzugeben. Eine schöne Tradition ist etwa das gemeinsame Eis essen am ersten warmen Frühlingstag. Warteschlange inklusive.
Vermissen Sie das amerikanische Essen?
Was ich überall vermisse, ist mexikanisches Essen. Wobei auch in München häufiger „Tex-Mex“ auf den Karten steht, wie ich gehört habe. Das muss ich ausprobieren.
Vielleicht lieber die bayerischen Spezialitäten...
Zuletzt war ich drei Jahre lang im Generalkonsulat von Jerusalem tätig – da gab es natürlich kein Schweinefleisch. Jetzt freue ich mich wahnsinnig auf Schweinsbraten, Spanferkel, Haxen... Eigentlich wollte ich mich etwas gesünder ernähren, aber das verschiebe ich. Ich glaube, im Biergarten kann ich einfach nicht „Nein“ sagen. Obazdn habe ich auch schon probiert – fantastisch. Überhaupt der Käse in Bayern.
Wie steht es Ihrer Meinung nach um die bayerisch-amerikanischen Beziehungen?
Sehr gut. Wir haben eine lange Tradition von guter Zusammenarbeit. Von der Kultur bis zur Wirtschaft. Die USA sind auch der wichtigste Exportpartner Bayerns. Das wollen wir weiter vertiefen.
Dazu soll das Freihandelsabkommen TTIP beitragen. Hierzulande hält sich bei vielen Menschen die Begeisterung in Grenzen...
Wir legen großen Wert auf Transparenz, haben den Stand der Verhandlungen von Anfang an online gestellt, damit sich jeder sein eigenes Urteil bilden kann. Sogar früher als die EU. Die Bedenken nehmen wir ernst, der Dialog muss weitergehen.
Eine weitere Belastung für das deutsch-amerikanische Verhältnis ist die NSA-Affäre.
Ich möchte nach vorne schauen. Wir haben immer sehr gut zusammengearbeitet und das hat sich nicht verändert. Die Beziehungen sind sehr eng und haben Leben gerettet. Wir haben viel erreicht.
„Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht“, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel gesagt.
Wenn Präsident Obama wissen möchte, was die deutsche Bundeskanzlerin denkt, dann kann er sie anrufen. Und er macht das regelmäßig.
Wenn der Draht so eng ist, braucht man sich ja auch nicht abzuhören, oder?
Der Präsident hat klargestellt: Nicht alles, was technisch möglich ist, muss auch realisiert werden. Im Bereich der Nachrichtendienste hat es deshalb Reformen gegeben.
Durch Ihre Arbeit im Nahen Osten waren Sie nah dran am Bürgerkrieg in Syrien. Sehen Sie hier Fortschritte?
Ja, wir haben mit unseren Koalitionspartnern Erfolge erzielt und dem sogenannten IS 25 Prozent seines Territoriums weggenommen – zwischen Syrien und Türkei bleibt ihm sogar nur noch ein kleines Gebiet.
Muss das Assad-Regime weg?
Ja. Gäbe Assad seine Macht ab, hätten wir eine Chance, den Konflikt schneller zu lösen. Wir hoffen, dass Russland eine positive Rolle spielen kann.
Barack Obama hat vor Kurzem angekündigt, 10 000 syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aufnehmen zu wollen. So viele kommen in München an einem Wochenende an...
Die USA nehmen jedes Jahr 70 000 Flüchtlinge auf, unter anderem aus lateinamerikanischen Ländern. Seit 2011 haben wir 4,1 Milliarden Dollar zur Unterstützung der Flüchtlinge in Syrien investiert. Das Hauptziel muss sein, dass die Menschen in ihrer Heimat bleiben können, dass sich die Flüchtlingsströme aus der Region nicht weiter verstärken.
Fest steht aber: Die Herzenswärme, mit der die Münchner die Flüchtlinge aufnehmen, macht Eindruck in den USA – und löst eine Debatte aus, wie man diese Menschen noch stärker unterstützen kann.
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