Odyssee von München nach Landshut: Ein SEV-Erfahrungsbericht

München/Landshut – Der moderne Bahnfahrer von heute braucht vor allem eins: Nerven aus Stahl! Keine Platzangst, Risikofreudigkeit und die Fähigkeit mit völliger Informationslosigkeit zurechtzukommen, sind ebenfalls hilfreich. Noch besser: Einen Anschlusszug sollte er nicht unbedingt zu erreichen haben.
Ein Mal kann man das aushalten, vielleicht auch zwei Mal. Blöd nur, wenn man Pendler ist und täglich auf die Deutsche Bahn, die MVG oder eben auch des Öfteren auf den verhassten SEV, den Schienenersatzverkehr, angewiesen ist.
SEV - drei Buchstaben aus der Hölle
Von München bis nach Landshut sind es normalerweise circa 50 Minuten. Nicht so während der Sommerbaustelle zwischen Freising und Feldmoching. In weiser Voraussicht kommt der findige Pendler für sechs Wochen irgendwo in München unter und muss nur am Wochenende in sein natürliches Habitat, eine Kleinstadt (oder schlimmer noch ein Dorf) zurück.
Für die paar Mal Zugfahren hofft man dann auf das Beste, denn offiziell ist der SEV halbwegs organisiert. Oder auch nicht.
Nach mehreren kräftezehrenden Versuchen "organisiert" nach Landshut zu kommen, muss man zumindest ein bisschen den Glauben in den SEV verlieren. Vielleicht war es Pech, Unglück oder einfach nur Schicksal – entscheiden wir uns für Schicksal, denn wir wollen positiv bleiben.
Eine kurze Rekapitulation der bisher "schönsten" Odyssee
Nachdem ich am vergangenen Donnerstag guter Dinge mit der U-Bahn am Stachus angekommen bin, hoffe ich auf eine pünktliche S-Bahn. Hoffen sollte man nie. Man kann nur enttäuscht werden. Überraschung: S-Bahn-Störung.
Irgendwann kommt die S8 dann doch und fährt: bis zum Leuchtenbergring. Dann die Durchsage: "Aufgrund einer Störung des Zuges kann diese S-Bahn ab dem Leuchtenbergring nicht mehr weiter verkehren. Wir bitten Sie, umzusteigen."
Gesagt getan: Hunderte Bahnfahrer stehen lauernd an den sich öffnenden Türen – und preschen hinein! Keine Rücksicht auf Verluste. Wer zu alt, zu klein oder zu ungelenk ist, bleibt halt zurück. In der Ersatz-S-Bahn dann die nächste frohe Botschaft: "Nächster Halt: Seefeld" Wo zum Himmel ist Seefeld?! Kollektives Stöhnen. Aus den Lautsprechern tönt: "Entschuldigung, nächster Halt: Johanneskirchen." Ah ja, schonmal gehört. Irgendwann komme ich tatsächlich am Flughafen an.
Eins kann der SEV dann doch: zusammenschweißen
Jetzt die Preisfrage: Geht es tatsächlich weiter zum Freisinger Bahnhof? Unklar, man fährt auf Risiko. Erwischt man seinen Anschlusszug? Auch unklar. Aber informiert macht dieses Glücksspiel ja auch nur halb so viel Spaß. In Freising angekommen, hoffe ich auf den Anschlusszug – und renne. Wieder bleibt zurück, wer zurück bleibt. Ich schmeiße mich durch die Tür des von verzweifelten Pendlern mittlerweile glorifizierten Regionalexpress. Es ist vollbracht!
Eines muss man diesem vermaledeiten SEV aber dann doch lassen: All der Hektik, dem Stress und dem Egoismus zum Trotz wachsen Menschen zusammen. Man hofft, bangt und lacht zusammen. Zwar aus Verzweiflung, aber man lacht. Und das ist das Schöne: Manchmal bringt der SEV Menschen, die sich sonst nicht beachtet hätten, ein bisschen näher zusammen. Viel Spaß dem modernen Bahnfahrer.
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