Neuer "Drugstore": Wo Gammler sich waschen - und feiern
Am 3. Juni 1967 eröffnete der "Drugstore" mit einem Happening für Hippies. Exakt 50 Jahre später gibt’s einen Neustart in renovierten Räumen – und eine Ausstellung, die an die glorreichen Zeiten erinnert.
München - Gut 2.500 Neugierige drängten sich am Wedekindplatz. Alle wollten dabei sein – bei diesem Open-Air-Spektakel der ganz besonderen Art: Assistiert von zig hilfreichen Händen entledigte sich ein junger Mann im Hippie-Look auf dem Bürgersteig seiner Kleidungsstücke. In der bereitstehenden Blechbadewanne wurde er im Freien dann erstmal gewaschen. Anschließend bekam er unter lautem Gejohle seine langen Haare und Nägel geschnitten und schließlich einen Anzug samt Krawatte verpasst.
Dieses Happening mit dem Titel "Die Resozialisierung eines Gammlers" war der große (Reklame-)Gag zur Eröffnung des Drugstores: am 3. Juni 1967, in Flower-Power-Zeiten, als Hippies meist Gammler genannt wurden und sich angeblich nicht wuschen.
Exakt 50 Jahre später gab es nun wieder eine Drugstore-Einweihung. Allerdings ohne die (zunächst angekündigte) legendäre Gammlerwaschung und einen Massenauftrieb wie einst. Geradezu gemütlich ging es zu, als der neue Drugstore-Wirt, Nader Saffari, den legendären Laden in der Feilitzschstraße am 3. Juni 2017 mit einer Foto-Ausstellung offiziell als eröffnet erklärte – als wiedereröffnet, nach über neunmonatiger Generalsanierung.
Wie die AZ bereits vorab berichtete, ist der Sixties-Charme geblieben. Stammgäste erkennen ihren Drugstore wieder: viel glänzendes Messing, spiegelndes Glas, edle Holzvertäfelung, Ledersitzecken, Bistro-Tische und die unverwechselbaren Leuchten und Ventilatoren an der Decke. "Alles wurde sehr sorgfältig restauriert. Wir wollten die Seele des Lokals erhalten", erzählt Nader Saffari (49), der bislang nicht als Wirt, sondern als Kameramann und Fotograf tätig war. "Ich wollte aber unbedingt das Lebenswerk meines Vaters fortführen", sagt der Mann mit den beachtlichen Koteletten und der Schiebermütze. Und die Drugstore-Eigentümerin, die Maierbrauerei in Altomünster, vertraute ihm den Pachtvertrag letztendlich tatsächlich an.
Diesen hatte Naders Vater, Jahangir "Jonny" Saffari, bis zu seinem Tod im Oktober 2015 über 40 Jahre. So lange war der gebürtige Iraner der ebenso erfolgreiche wie beliebte Wirt des Schwabinger Kult-Treffs, den seine Cousins dereinst gegründet hatten: die unvergessenen Samy-Brüder.
Die "Samy-Brothers" prägten München
Anusch und Temur Samy, die "Könige von Schwabing", haben mit ihren außergewöhnlichen Ideen in München und über die Stadtgrenzen hinaus Geschichte geschrieben. Die kreativen und geschäftstüchtigen "Samy-Brothers" machten beispielsweise aus dem einstigen Kino am Elisabethplatz Deutschlands ersten und größten Beatschuppen: das "Blow up" (heute Schauburg), wo Bands wie Yes und Pink Floyd auftraten. An der Leopoldstraße eröffneten sie das "Citta 2000", Deutschlands erstes kombiniertes Vergnügungs- und Einkaufszentrum mit Kino, Kneipen und Boutiquen.
Der Drugstore am Wedekindplatz ist das einzige ihrer Projekte, das überlebt hat. In den 60er Jahren war die Mischung aus Café, Restaurant und Bar eine Top-Adresse, die auch internationale Promis anzog. Früher feierten im Drugstore Romy Schneider, Liza Minnelli, Udo Jürgens oder Stones-Boss Mick Jagger mit Münchner Flower-Power-Fans.
An diese Zeit erinnert im jetzt wiedereröffneten Drugstore eine Foto-Ausstellung im neu geschaffenen Nebenraum (bislang eine Boutique). Im Gedenken an seinen Vater hat Nader Saffari den Raum "Jonny’s Oase" genannt. Zu sehen sind Schwarz-Weiß-Bilder, die der Fotograf Hubertus Hierl am 3. Juni 1967 bei der Drugstore-Eröffnung gemacht hat, vor allem Porträtaufnahmen. "Zur Gammlerwaschung kam ich kaum durch, so voll war es dort", sagt Hierl.
Neu-Wirt Nader Saffari dürfte es freuen, dass es 50 Jahre später ruhiger zugeht: 1967 brach die Drehtür in unzählige Splitter, als die Massen geladener und nicht geladener Gäste den Drugstore stürmten.
- Themen:
- Leopoldstraße
- Udo Jürgens
- Wedekindplatz