Neu im Kabinett: Aiwanger, Glauber und die drei Fragezeichen

Die Freien Wähler preschen vor und verkünden kurz nach Unterzeichnung des Koalitionsvertrags schon ihre Kabinettsmitglieder. Mit dabei: alte Hasen, ein Hotshot, eine Überraschung und eine Frau.
Heidi Geyer, Ralf Müller |
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Das sind die Neuen.
Das sind die Neuen. © Foto: dpa

Für sie hat die "Reise nach Jerusalem" ein Ende: Ihr Platz im Kabinett ist fix. Das sind die künftigen Minister und Staatssekretäre der Freien Wähler.

Mehring wird Digitalminister

Fabian Mehring: Der bisherige parlamentarische Geschäftsführer der Freie-Wähler-Fraktion wird neuer Digitalminister. Es ist schon etwas ungewöhnlich, dass die CSU ihr heißgeliebtes Digitalministerium abgibt.

Judith Gerlach hatte diesen Posten mit Verve und viel Engagement ausgefüllt - obwohl sie eigentlich nix zu sagen hat. Der Zuschnitt des Ministeriums ist so, dass außer Instagramstories nicht viel bleibt, wie böse Zungen behaupten. Ob sich das für ihren Nachfolger ändern wird, ist noch offen.

Mit dem promovierten Politikwissenschaftler Mehring dürfte aber ein ambitionierter Nachfolger gefunden sein. Der Schwabe stammt aus Meitingen im Landkreis Augsburg und hat dort eine klassische Laufbahn in der Kommunalpolitik gemacht: Marktgemeinderat, Kreistag sowie Fraktionsvorsitz in beiden Gremien.

Mehring gilt als loyal zu Aiwanger. Besonders in der Flugblatt-Affäre hat er seinen Chef medial wirksam in Schutz genommen. Auch den Erdinger Auftritt bezeichnete er auf X als "fulminant" - "wo er recht hat, hat er recht".

Stolz löst Piazzolo ab

Anna Stolz: Bislang war sie Staatssekretärin im Kultusministerium. Stolz soll ihren Parteifreund Michael Piazolo an der Ressortspitze ablösen. Bislang ist die 40-Jährige nur wenig in Erscheinung getreten, aber vielleicht war das auch ganz schlau: Dass das Kultusministerium in der Pandemie nicht die beste Leistung abgeliefert hat, sahen damals wie heute viele Bayern so. Dass es Piazolo bei der Kabinettsbildung derbröselt, hatte die AZ bereits im September spekuliert. Nun ist es so gekommen.

Die Tochter eines Volksschullehrers stammt aus Unterfranken, hat Jura in Würzburg, Barcelona und Münster studiert. Aber sie sitzt nicht nur am Schreibtisch: Im zarten Alter von 32 Jahren wurde sie Bürgermeisterin von Arnstein.

Zu den Freien Wählern kam sie jedoch erst 2018 und wurde damals in den Landtag gewählt, wofür sie das Bürgermeisteramt niederlegte. Auffällig: Stolz erhielt 2023 nur 16,9 Prozent der Erststimmen. Das Direktmandat ging an CSU-Kandidat Thorsten Schwab mit 42,3 Prozent.

Die Bayerische Staatszeitung schrieb 2019 über Stolz: "Frische Ideen für Bayerns Schulen. Es könnte sein, dass der Name Anna Stolz schon bald nicht mehr nur Insidern ein Begriff ist." Letzteres ist jedoch nicht erfolgt. Aber was noch nicht ist, kann ja noch werden - eine große Baustelle mit vielen Potenzialen ist das Bildungsministerium auf jeden Fall.

Aiwanger bleibt

Hubert Aiwanger: Nein, die Affäre um das Flugblatt hat ihm nicht geschadet. Wohl eher genutzt. Hubert Aiwanger sitzt fester im Sattel denn je. Auch wenn er und seine Freien Wähler das Landwirtschaftsministerium nicht bekommen haben, so war doch zumindest ein zusätzlicher Ministerposten drin.

Konnte Aiwanger in der letzten Wahlperiode Judith Gerlach einfach abtropfen lassen, wird das nun mit seinem früheren Parlamentarischen Geschäftsführer Fabian Mehring nicht mehr so leicht gehen, wenn er seinen Parteifreund nicht völlig düpieren will.

Aber Aiwanger hat offenbar schlau und nachdrücklich wie ein niederbayerischer Viehhändler verhandelt und für sich die Zuständigkeit für die Jagd und das Unternehmen Bayerische Staatsforsten herausgeschlagen.

Das lag vorher bei der CSU-Agrarministerin Michaela Kaniber. Waidmannsheil und Wirtschaft, ob das mehr Zusammenhang als den gleichen Anfangsbuchstaben hergibt, muss man sehen.

Aiwanger gibt im Gegenzug die Zuständigkeit für Tourismus und Gastronomie an die Wirtshaustochter Kaniber ab.

Gotthardt statt Weigert im Kabinett

Tobias Gotthardt: Es dürfte für Diskussionen sorgen, dass Roland Weigert, der das zweite Direktmandat für die Freien Wähler holte, keinen Kabinettsposten erlangt hat. Er war bislang Staatssekretär in Aiwangers Wirtschaftsministerium. Dass es zwischen ihm und seinem Chef nicht mehr passte, war aber kein Geheimnis.

Nun schaut Weigert offenbar in die Röhre und Tobias Gotthardt aus der Oberpfalz rückt auf seinen Platz im Kabinett. Der ehemalige Mitarbeiter von den CSU-Politikerinnen Emilia Müller und Gerda Hasselfeldt stammt aus dem Landkreis Regensburg und wurde 2018 in den Landtag gewählt. Was ihn für Wirtschaftspolitik prädestiniert, ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich.

Gotthardt hatte zu Jahresbeginn für ein braunes Schild für Kallmünz als "Perle des Naabtals" geworben - nun wandert die Zuständigkeit für Tourismus jedoch ins Agrarministerium.

Glauber bleibt Umweltminister

Thorsten Glauber: Der alte und neue Umweltminister soll laut vielen Stimmen eigentlich mit dem Bauministerium geliebäugelt haben. Es wäre das passende Metier für den gelernten Architekten aus der Nähe des oberfränkischen Städtchens Forchheim.

Statt mit der Wohnungsmisere wird Glauber (52) sich nun auch künftig von wütenden Bauern einiges über Wolfrisse und durch die Voralpen streunende Bären anhören müssen. Und über sein Landesamt für Umwelt, das die Risse auswertet und dem viele Landwirte misstrauen.

Als ein "netter Kerl" wird Glauber auch von Abgeordneten anderer Parteien oft beschrieben, und das ist gar nicht abschätzig gemeint. Einer, mit dem man reden könne.

Dass sein Herz für Naturschutz brennt, das springt einem nicht unbedingt gleich ins Auge. Aber immerhin hat er öffentlich gegen seinen Parteichef rebelliert, als der die bayerischen Klimaschutzziele infrage gestellt hatte. Offenbar ist Aiwanger nicht nachtragend, sonst hätte er ihn sicherlich nicht im Kabinett gelassen.

Bei den Freien Wählern ist Glauber schon ein alter Hase. Seit den 90er Jahren ist er in der Kommunalpolitik aktiv, seit 2008 sitzt er im Landtag.

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