Nach Wahl-Schock: Jetzt spricht Oberbürgermeister Dieter Reiter
München - Es duftet süßlich, aber auch ein wenig würzig auf dem Rathaus-Balkon. Die grün-bunten Pflanzen sollen mit ihrem Geruch nicht nur Bienen anziehen, sie schmücken auch – in kräftigen Gelb-, Orange-, Violett- und Blautönen.
Nur eine entscheidende Farbe fehlt. "Ganz schön viel Grün und kein Rot", fällt auch OB Dieter Reiter (SPD) auf. Der OB präsentiert sich am zweiten Tag nach der Europawahl als Anpacker vor der Kamera.
Gärtnern baut ja bekanntlich Stress ab. Und obwohl Reiters Tag unentspannt anfängt – er lässt 20 Minuten auf sich warten, weil er im Stau steht –, zeigt der Umgang mit Pflanzen und Erde schon nach wenigen Minuten seine Wirkung. Nach dem Schock-Ergebnis seiner SPD ist Reiter erstmals wieder in Plauderlaune.
Reiter will München-Themen umsetzen
Grund zur Panik sehe er jetzt nicht, sagt der OB. Wie die Münchner zur Landtags- oder Europawahl wählen, daraus lasse sich für die Stadtratswahl 2020 gar nichts schließen. Er ist sich sicher: "Das Ergebnis wird für die Rathaus-SPD viel höher ausfallen." Wenig besorgt sieht er auch der OB-Wahl 2020 gegen die Kandidatinnen Katrin Habenschaden (Grüne) und Kristina Frank (CSU) entgegen. Reiter sagt: "Eine Challenge, die ich sehr entspannt sehe."
Doch völlig kalt scheint ihn vor allem der Dauer-Erfolg der Grünen dann doch nicht zu lassen. Ironischerweise sei es gerade, weil die SPD so viel für die Stadt tut, dazu gekommen. Mit einem beinahe trotzigen Unterton begründet er: "Nur, wenn Menschen in einer Stadt leben, die so gut funktioniert und so beliebt ist wie München, rücken für sie Themen wie Klimaschutz an oberste Stelle." Seine SPD unternehme derweil alles dafür, um die konkreten München-Themen (er nennt Wohnen, Verkehr und Soziales) umzusetzen.
Dabei bleiben auch die Zuckerl, die er in letzter Zeit immer häufiger ausgeteilt hat, nicht unerwähnt. Reiter stolz: "Das kostenlose Schwimmen unter 18 Jahren, das wir als SPD durchgesetzt haben, war mein beliebtester Facebook-Post aller Zeiten."
Der Druck für die SPD werde sich erhöhen
Am Abend der Wahl klang der OB noch weniger optimistisch. Er sprach von "inhaltlichen und personellen Konsequenzen", über die die Partei jetzt nachdenken müsse. Aber wie sollen die aussehen? Auf Bundesebene brauche es eine komplett neue Parteispitze. Eine mit Führungskompetenz. Er nennt Malu Dreyer und Manuela Schwesig als mögliche Kandidaten.
Und für München? Auch hier werde sich der Druck erhöhen, kündigt Reiter an. "Wir brauchen Menschen mit Charme und Ideen, die sich aktiv im Stadtgeschehen zeigen."
Um mit gutem Beispiel voran zu gehen, zieht Reiter für den Fototermin sogar – welch eine Symbolkraft für seine SPD – Arbeitshandschuhe an. Ein Kleidungsstück, das dem OB sonst eher fremd ist. Reiter: "Eigentlich habe ich mir mal geschworen, dass ich die nie wieder tragen würde."
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