Münchner Star-Jurist im Zwielicht

München - Zu Lebzeiten war Wolf-Rüdiger Bub "der mächtigste Wirtschaftsanwalt Deutschlands", urteilte die "FAZ" nach seinem größten Coup. 2012 erstritt er mit seinem damaligen Kanzleipartner Peter Gauweiler für die Kirch-Erben eine Milliarde Euro Schadenersatz von der Deutschen Bank. Bubs Renommee und Einfluss in Politik und Gesellschaft waren enorm.
2019, drei Jahre vor seinem Tod, erklärte er in einem Interview, dass er nicht durch die Juristerei reich geworden sei: "Mein Vermögen basiert im Wesentlichen auf der Entwicklung von Immobilien." Sein Family-Office führe 80 Firmen, zumeist Beteiligungsgesellschaften für seine 12.000 Immobilien, die Hälfte davon Wohnungen.
Beim Landgericht ging 2019 Klage gegen den Star-Juristen Wolf-Rüdiger Bub in München ein
Ende 2019 ging beim Landgericht München I eine Klage gegen Bub ein, über die bis heute nicht entschieden ist. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob Bub ein Mandat ausgenutzt hat, um günstig an die Millionenimmobilie einer Rentnerin zu gelangen. Es ist ein Prozess, der den herausragenden Ruf Bubs zerstören könnte und Zweifel nährt, ob die Unabhängigkeit der bayerischen Justiz auch für eine ihrer Lichtgestalten gilt.
Unstrittig ist, dass Wolf-Rüdiger Bub im Juni 2014 das Mandat einer Münchnerin (78) übernahm. Maria Müller (Name geändert) war mit ihrer Schwester Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses in der Hohenzollernstraße. Die Hausverwaltung übte ihr Schwager aus, mit dem es "gravierende Probleme" (Bub) gab. Er verweigerte ihr Einsicht in die Unterlagen der Hausverwaltung, sie verdächtigte ihn, Kosten anderer Immobilienobjekte über das gemeinsame Haus abzurechnen.

Keine zwei Jahre, nachdem Frau Müller das erste Mal die Kanzlei Bub am Promenadeplatz betreten hatte, gehörte ihre Haushälfte einer Firma, an der ihr Anwalt mehrheitlich beteiligt war. Darüber, ob Frau Müller das wusste und ob diese Verquickung erlaubt ist, wird seit fünf Jahren gestritten.
Liest man sich durch die vielen Hundert Seiten der Akte, die dem Autor vorliegen, kommen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Immobiliengeschäfts. Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil von 2016 die grundsätzliche Unvereinbarkeit des Anwaltsberufs mit einer Maklertätigkeit betont.
"Könnte der Rechtsanwalt in seinem Zweitberuf als Finanzmakler an der Vermittlung einer Geldanlage verdienen, wäre zu befürchten, dass er seine anwaltliche Beratung nicht streng an den rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Mandanten ausrichtet, sondern dass sein Provisionsinteresse Einfluss gewinnen kann", so der BGH. "Ähnliche Gefahren für die anwaltliche Unabhängigkeit drohen, wenn der Rechtsanwalt prüfen soll, ob es für den Mandanten ratsam ist, eine Immobilie zu veräußern."
Wert der Haushälfte wird unterschiedlich geschätzt
Das BGH-Urteil scheint wie gemünzt auf den vorliegenden Fall: Im April 2016 erwarb Bubs GmbH die Haushälfte von Frau Müller für 4,2 Millionen Euro, ein Betrag, den ein mit Bub befreundetes Maklerbüro geschätzt hatte. Ein unabhängiges Verkehrswertgutachten des Gutachterausschusses der Stadt München wurde erst 2017 eingeholt, es kam auf einen Wert von 6,55 Millionen Euro.
In seiner Klageerwiderung vom März 2020 schrieb Bub, dass die aufgestellten Behauptungen, seine Mandantin habe nicht gewusst, an wen sie verkaufe, "falsch und frei erfunden" seien. Den Kläger, Maria Müllers Alleinerbe, nennt er einen "Rufmörder".
Bei der Immobilie handelt es sich um ihr Elternhaus
Bubs Version geht so: Nachdem der Schwager seiner Mandantin nach dem ersten Schreiben die verlangten Papiere nicht vorlegte, seien in der Folge nur noch Verkaufsoptionen diskutiert worden. Im Oktober 2015 will Wolf-Rüdiger Bub laut Aussage vor Gericht Frau Müller das erste Mal von Geschäftspartnern erzählt haben, mit denen er in der Vergangenheit schon eine Immobilie gekauft habe. Mit diesen Geschäftspartnern könne er eine Gesellschaft gründen.
Laut Bub zeigte Frau Müller großes Interesse an dieser Idee, "…weil sie persönlich sehr an der Immobilie – ihr Elternhaus – hing und wollte, dass das Objekt im Bestand erhalten bleibt", so Bub vor Gericht. Aber: Dass Frau Müller ausgerechnet ihr Elternhaus weit unter Wert verkaufen wollte, erscheint wenig logisch.

Auch wenn im Nachlass von Frau Müller keine Schriftsätze der Kanzlei gefunden wurden, so hat sie doch penibel Tagebuch geführt. Von einer möglichen Euphorie, weil sie an ihren Anwalt verkaufen könne, ist nirgendwo zu lesen. Bub selbst kommt in seiner Eigenschaft als Käufer in den privaten Aufzeichnungen nicht vor.
Am 14. Januar 2016, drei Monate, nachdem Bub Müller von seiner Kaufidee mit den Geschäftspartnern erzählt haben will, notiert Maria Müller in ihrem Tagebuch: "Frau B. (Anwaltskollegin, die für Bub das Mandat betreute/Red.) hat einen Interessenten für HoStr." Über das erste persönliche Treffen mit den Kaufinteressenten in Bubs Kanzlei schreibt Frau Müller am 25. Februar 2016: "…ganz clevere Herren (…). Gehen die Sache überzeugend an. Wir einigen uns auf 4.200.000 Euro."
Frau Müller wundert sich nicht über Abwesenheit des Käufers
Bub nahm an der Besprechung nicht teil, Frau Müller wundert sich in ihren Aufzeichnungen auch nicht, dass der einzige Käufer, den sie persönlich kennt, nicht anwesend ist.
Die "cleveren Herren" sind zwei von vier Gesellschaftern, die Müllers Immobilie übernehmen werden. Einer von ihnen ist als Geschäftsführer in einem halben Dutzend Bub-Firmen, darunter auch jener Vermögens- und Beteiligungs-GmbH, in der das Privatvermögen von Familie Bub liegt, ein enger Vertrauensmann des Beklagten. Für den Klägeranwalt sind Bubs Geschäftsfreunde "Strohmänner".
Am 22. April 2016 wird die neue Gesellschaft "HO24 GmbH & Co. KG" durch Bub und seine drei Geschäftsfreunde gegründet. Fünf Tage später wird im selben Notariat der Kaufvertrag beurkundet. Bubs Name kommt im Handelsregisterauszug in einer Anlage ein Mal vor, wird aber nicht mitverlesen.
"Vorwürfe sind unwahr"
Wieder wundert sich die Rentnerin in ihrem Tagebuch nicht darüber, dass der Mann, mit dem sie zwei Jahre lang den Kauf ihrer Immobilie vorbereitet hat, nicht zur Beurkundung erscheint. Der Klägeranwalt schreibt von einem "vorsätzlich sittenwidrigen Gepräge des Gesamtverhaltens des Beklagten" und hält sowohl den Anwalts- wie den Kaufvertrag für nichtig. Die Rückgabe der Immobilie wäre für ihn die logische Folge.
Für Franz Enderle, langjähriger Partner Bubs und in der Sache heute Anwalt des Verstorbenen, gibt es dafür keinen Grund. Auf Nachfrage schreibt er kurz: "Die Vorwürfe gegen Prof. Dr. Bub (…) sind unwahr und das weiß der Kläger."
Verkehrswertgutachten kam auf einen Halbanteil von 6,25 Millionen Euro
Das Interesse von Wolf-Rüdiger Bub aber war noch nicht gestillt. Unmittelbar nach Erwerb des Hausanteils betrieb Bubs Firma ein Teilungsversteigerungsverfahren, um auch den zweiten Teil der Immobilie von Frau Müllers Schwager zu erwerben – was 2018 gelang.
Für die Zwangsversteigerung beantragte das Amtsgericht München ein Verkehrswertgutachten, das Frau Müllers Anteil einen Marktwert von 6,55 Millionen Euro attestierte. Im Rahmen der Klage wollte der Erbe wissen, was die Haushälfte seiner Cousine zum Zeitpunkt des Verkaufs an Bub ein Jahr zuvor im April 2016 wert gewesen sei. Ein neuerliches Verkehrswertgutachten kam auf einen Halbanteil von 6,25 Millionen Euro.
Anders als die Schätzung des befreundeten Maklerbüros von 2014 kamen zwei unabhängige Gutachter vom Ausschuss für Grundstücksbewertung der Stadt München zu einem deutlich höheren Marktwert: über zwei Millionen Euro mehr als das, was die Bub-Firma bezahlt hatte. Der Klägeranwalt schreibt: "Der vorliegende Fall scheint ein Musterbeispiel für die berufliche Tätigkeit des Beklagten zu sein. (…) Wie aus einem (wenig reizvollen) juristischen Fall ein äußerst lukratives Immobilienprojekt wird."
Kläger bislang in drei Verfahren unterlegen
Am Ende stellte Bub seiner Mandantin 37.147,83 Euro Anwaltskosten in Rechnung (600 Euro pro Stunde).
Der Kläger ist bislang in drei Verfahren unterlegen. Weder Land- noch Oberlandesgericht stellten einen Verstoß von Bub fest. Wenn überhaupt, wäre der Anwaltsvertrag nichtig, nicht aber der Kaufvertrag. Familie Bub dürfte die Immobilie behalten.
Dem Alleinerben (79), Cousin von Maria Müller, geht es nicht ums Geld, er möchte die Hintergründe des Hausverkaufs verstehen. Der Unternehmer aus Niederbayern strengte ein weiteres Verfahren an, das jetzt in zweiter Instanz beim OLG anhängig ist. Und jetzt wird es sonderbar.
Klägeranwalt vermutet Parteinahme
In der ersten mündlichen Verhandlung am 13. April 2022 gibt der 15. Zivilsenat auf einmal zu, dass bei der Mandatsbearbeitung von Bub nicht alles korrekt gelaufen sei. Der Vorsitzende Richter Hubert Fleindl beauftragt ein neues Gutachten und benennt direkt einen Sachverständigen, mit dem er seit Jahren "gute Erfahrungen" gemacht habe. Der Klägeranwalt vermutet in der Gutachter-Frage eine Parteinahme des Senats für Bub. Er verweist auf einen Satz, den Fleindl in der Verhandlung gesagt haben soll.
Demnach habe Fleindl durchblicken lassen, dass "wir" mit dem Gutachten Herrn Bub "aus dem Feuer nehmen" können. In einer Verfügung vom November 2024 teilt Fleindl mit, dass er sich an den Satz zwar nicht erinnern könne, ihn aber für "durchaus realistisch" halte "vor dem Hintergrund der mir (...) bekannten schweren Krebserkrankung von Prof. Dr. Bub".
Gericht hält an Gutachten fest
Im März 2024 legt der Sachverständige sein Gutachten vor, das den umstrittenen Kaufpreis plausibel erscheinen lässt. Wert diesmal: 4,5 Millionen Euro. Inhaltlich weist das Gutachten große Abweichungen von den gesetzlichen Bestimmungen auf. So werden die Restnutzungsdauer und der Bodenrichtwert der Immobilie nicht durch die Immobilienwertermittlungsverordnung bestimmt, sondern geschätzt; beim Liegenschaftszins bezieht der Gutachter sich nicht auf den Jahresbericht des Gutachterausschusses (1,9 Prozent), sondern setzt ihn mit 2,7 Prozent an.
Hätte sich der Gutachter an die objektiv vorliegenden Zahlen gehalten, wäre er bei einem Marktwert von rund 6,4 Millionen. Euro gelandet. Der Klägeranwalt hält das Gutachten für "offensichtlich manipulativ". Das Gericht hält daran fest.
Mitte November 2024 stellt der Klägeranwalt einen Befangenheitsantrag gegen den Senat. Dieser hatte dem Kläger erklärt, dass er für die mündliche Verhandlung eine Ladung von Sabine Bub nicht für sinnvoll hält. Die Ehefrau war zu Bubs Lebzeiten Managerin seiner Kanzlei, ist Mitgesellschafterin der Familienholding und als Erbin Verwalterin der Immobilie.
Der Prozess wird im Oktober fortgesetzt
Auch die "cleveren Herren" sollten vor Gericht nicht gehört werden, sie könnten zu den "maßgeblichen Tatumständen (...) nichts beitragen".
Ob der Vorsitzende Richter Fleindl tatsächlich befangen ist, wird sich nicht mehr klären lassen. Ein Jahr nach Übernahme des Falles erklärte er, dass er seit 2017 mit Bub persönlich bekannt war und Mitautor eines von ihm herausgegebenen Handbuchs ist.
In einer dienstlichen Äußerung von Ende November 2024 distanzieren sich drei Richter des Senats von Fleindl, der in der Folge überraschend den Vorsitz im Fall Bub abgibt. Auf Nachfrage bestreitet das OLG, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Befangenheitsantrag und Vorsitzwechsel.
Auch im sechsten Jahr ist offen, wie der verstorbene Star-Anwalt Wolf-Rüdiger Bub an die Immobilie gekommen ist – eine unter den Tausenden, die ihm schon gehörten. Der Prozess wird im Oktober fortgesetzt.