Münchner Stammstrecke wegen Wiesn-Ballon gesperrt: Deutsche Bahn in der Kritik
München – Erst knallte es zwei Mal, dann saßen 600 Fahrgäste zum Teil im Tunnel fest, stundenlang ging nichts mehr. Techniker der Deutschen Bahn gehen davon aus, dass ein Folienballon an die Oberleitung geriet und den Lichtbogen auslöste. Was Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner (CSU), der Fahrgastverband "Pro Bahn" und die Deutsche Bahn dazu sagen.
Wiesn-Chef Baumgärtner: "Ich will das auf jeden Fall nicht noch einmal sehen"
Bereits 2019 forderte die SPD im Stadtrat ein stadtweites Verkaufsverbot der beschichteten Luftballons. Eine Forderung, die der damalige KVR-Chef Thomas Böhle ablehnte, es sei ein "nicht unerheblicher Eingriff in die Berufsfreiheit der betroffenen Händler".
Dennoch gilt für die Wiesn seit einigen Jahren – das zeigt ein Blick in die Betriebsvorschriften: Der "Verkauf und das Verteilen metallbeschichteter Luftballons" ist verboten. Es kann also sein, dass der Übeltäter von Sonntag von außerhalb der Festwiese kommt. Oder dass da nicht engmaschig genug kontrolliert wird.

Wiesn-Chef und OB-Kandidat Clemens Baumgärtner (CSU) spielt den Ball zur Bahn, die für die S-Bahn-Stammstrecke verantwortlich ist. Es stelle sich die Frage, "ob man das geltende Verbot in den Bahnen und an den Stationen mit zusätzlichen Kräften verhindert", so Baumgärtner (CSU) auf AZ-Anfrage. Und er macht deutlich: "Ich will das auf jeden Fall nicht noch einmal sehen."
Im Gleisbereich und an den Haltestellen hat die Bahn die beschichteten Ballons bereits verboten. Eine Strafanzeige ist theoretisch möglich, wenn ein herrenloser Ballon für einen Kurzschluss sorgt. Aber macht die Bahn genug? "Wir sind auf einen funktionierenden ÖPNV angewiesen", sagt Baumgärtner. Er wolle darum mit der Bahn das Gespräch suchen.
Folienballon sorgt für Sperrung der Stammstrecke: Bahn verweist auf Luftballonschutz
Die Bahn erklärt auf AZ-Anfrage, was sie alles unternimmt, um Ballon-Zwischenfälle zu verhindern. Nebst Informationen über Durchsagen, Anzeigen und Aushängen gebe es "zusätzliche Sicherheits-Streifen an Hot-Spots entlang der Stammstrecke", so eine Sprecherin der Bahn.
Bis auf den Stachus hat die Bahn außerdem an allen Tunnelbahnhöfen einen Luftballonschutz eingebaut. Am Stachus sind laut Sprecherin noch Restarbeiten nötig. Man müsse sich das als "eine Art Abfangsystem für Luftballons" vorstellen. Die Bahnsteigdecke ist mit Lamellen ausgestattet, dort sollen sich die Ballons "verfangen und so über dem Bahnsteig hängen bleiben".
Fahrgastverband kritisiert Deutsche Bahn: "Nicht fahrgastfreundlich"
Andreas Barth vom Münchner Ableger des Fahrgastverbands Pro Bahn kritisiert den Umgang der Bahn mit der Störung: „Die Stammstrecke war ab Donnersbergerbrücke stadteinwärts blockiert. Dass dann aber etliche S-Bahnen (S1, S3, S6) nicht zum oberirdischen Teil des Hauptbahnhofs geleitet werden, ist nicht fahrgastfreundlich“, sagt er. „Auch dass es Stunden gedauert hat, bis zumindest eine Linie wieder die Halte stadtauswärts der Donnersberger Brücke angefahren hat, ist ärgerlich.“
Früher sei es möglich gewesen, dass alle Linien bei einer Störung zum Hauptbahnhof fahren. „Dies muss auch künftig wieder gehen“, fordert Barth. Stattdessen würden „Flächen am Hauptbahnhof dem Eisenbahnverkehr entzogen“. Das zeige die „politisch falsche Prioritätensetzung“.
Besser geeignet: Oberleitungsschiene wie in Salzburg?
Für die Störungen, die von Folienluftballons verursacht werden, sieht Barth auch die Oberleitungen an der Stammstrecke kritisch. Die seien „besonders belastet“ durch hohe Strommengen. Und sie hängen niedrig, weil die Tunnel nicht sehr hoch sind. „Das erleichtert Schäden, da bereits ein kleiner Gegenstand wie ein Luftballon einen hohen Stromfluss erzeugen kann und damit dann die Oberleitung stark erwärmt und beschädigt“, sagt Barth.
„Man sollte sich fragen, ob mittlerweile nicht eine Oberleitungsschiene wie beispielsweise im Salzburger Hauptbahnhof besser geeignet ist, beziehungsweise besser mit Schäden umgehen kann als die S-Bahn-Oberleitung“, so sein Vorschlag.
Deutsche Bahn erklärt Ballonverbot in S-Bahnen und Stationen
Die Deutsche Bahn und die Bundespolizei hatten Ermittlungen zur Ursache des Abrisses der Bahnoberleitung eingeleitet. Bundespolizei und Deutsche Bahn weisen ausdrücklich darauf hin, dass das Mitführen von folienbeschichteten Ballonen in S-Bahnen und Stationen, insbesondere im Bereich der S-Bahn-Stammstrecke, verboten ist. Die Deutsche Bahn erklärt die Gefahr von Folienluftballons ausführlich in einem Video.
S-Bahn München: 600 Fahrgäste sitzen nach Oberleitungsschaden fest
Erstmeldung am 30. September, 10.27 Uhr: Auf der Stammstrecke der Deutschen Bahn zwischen dem Münchner Ostbahnhof und München-Pasing gibt es weiter vereinzelte Verspätungen. Am Sonntagabend war in einem Tunnel zwischen den Stationen am Hauptbahnhof und der Hackerbrücke ein Teil der Oberleitung abgerissen und auf eine S-Bahn gefallen, wie die Bundespolizei mitteilte.

Die Reparaturarbeiten dauerten laut Angaben der Deutschen Bahn bei X (ehemals Twitter) bis in die Morgenstunden an. Inzwischen sei die Strecke wieder frei befahrbar.
Ursache für Oberleitungsschaden noch unklar: Auch am Montag noch Verspätungen
Insgesamt mussten etwa 600 Menschen aus drei Zügen evakuiert werden, darunter viele Wiesnbesucher. Warum die Oberleitung abriss, war zunächst unklar. Die S-Bahn-Stammstrecke musste zwischen Ostbahnhof und München Pasing komplett gesperrt werden, mehrere S-Bahnen wurden evakuiert.
Gegen 18.10 Uhr war die Bundespolizeiinspektion München über einen Lichtbogen und einen Knall im Stammstreckentunnel zwischen den Haltepunkten Hauptbahnhof und Hackerbrücke informiert worden. Gegen 18.15 Uhr kam es zu einem zweiten Knall, bei dem die Oberleitung abgerissen sein soll und anschließend auf eine in Richtung Pasing fahrende S-Bahn der Linie S3 fiel.
Oberleitungsschaden: Bundespolizei ermittelt
Aufgrund der unklaren Lage wurden die Bahnsteige beider Haltestellen von Einsatzkräften der Bundespolizei geräumt und der Zugverkehr eingestellt.
Berufsfeuerwehr München und die Bundespolizei sorgten dafür, dass bis 19.45 Uhr, nach Erdung der Oberleitung durch den Notfallmanager der Deutschen Bahn, die etwa 300 Fahrgäste der S3 evakuiert und aus dem Tunnel auf den Bahnsteig an der Hackerbrücke gebracht wurden.
In Folge der Streckensperrung und der damit verbundenen Stromausfall blieben zwei weitere S-Bahnen im Stammstreckentunnel stehen, eine kurz vor der Haltestelle Isartor und eine kurz vor der Haltestelle Karlsplatz (Stachus) mit jeweils etwa 150 Fahrgästen. Auch diese Personen konnten durch die Berufsfeuerwehr München und die Bundespolizei erfolgreich evakuiert werden.
An den Maßnahmen waren 160 Kräfte der Bundespolizei und etwa 60 Kräfte der Berufsfeuerwehr München mit 70 Kräften des dazugehörigen Rettungsdienstes beteiligt, die durch zahlreiche Kräfte der Deutsche Bahn Sicherheit unterstützt wurden.